II. Solus Christus u n d die Taufpraxis?

 

Die Taufpraxis - eine nachösterliche Bildung - Jesus hat nicht getauft (Jh 4,2)

Was ist an dem nach Ostern übernommenen Brauch der Taufe christlich?

 

1. Die Übernahme der Johannestaufe durch die Christen
2. Die Täuferbefragung als Frage nach der Messianität des Täufers (Jh 1,21)
3. Eine neutestamentliche Begründung der Taufe gibt es nicht
4. Die Ungeschichtlichkeit der Taufe Jesu

 

"Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, Neues ist geworden" (2Kor 5,17) - Was soll das Taufwasser daran verbessern? Das Taufwasser bewirkt nicht das "von neuem geboren werden", "aus dem Geist geborden werden" (Joh 3,3.8).

Der Geist ist nicht vom Taufwasser abhängig: "Der Geist weht, wo er will..." (Jh 3,8)

Nicht wer getauft ist, sondern wer den Willen Gottes tut, der ist Jesu Bruder, Schwester, Mutter (Mk 3,31-35;  Mt 12,46-50;  Lk 8,19-21).

Die Taufe ist wie die Beschneidung ein entbehrlicher Brauch (W. Marxsen)

U. Luz: Was bedeutet es theologisch, dass der Taufbefehl Mt 28,19b nicht auf Jesus zurückgeht und überhaupt die Einsetzung der Taufe als Sakrament (Joh 4,1) nicht auf Jesus zurückgeführt werden kann? Kann man die Taufe noch 'biblizistisch' mit dem Vorliegen eines formellen biblischen Einsetzungsbefehls, wenn nicht Jesu, dann doch wenigstens des Auferstandenen, legitimieren? Oder beruft man sich besser darauf, dass die Taufe wahrscheinlich von Anfang an in der Kirche ausgeübt worden ist (und in V 19b durch den Auferstandenen sekundär legitimiert wird)? Dann beruft man sich aber auf die Kirche und auf die Tradition (453f, Das Ev nach Mt 2002).

M. Labahn: Zwischen der Gerichtsankündigung Johannes des Täufers und dem Wirken Jesu besteht eine inhaltliche Differenz, die dazu führte, dass Jesus eigenständig und parallel zum Täufer lehrte und an Kranken und Besessenen wirkte, nicht aber eine Taufe vollzog. Die Pointe der Verkündung Jesu liegt in dem sich punktuell und wirkmächtig ereignenden Gottesreichs, zu dem Jesus vorbehaltslos und unmittelbar in direkter Anrede einlädt (346).

In der Jesusverkündung findet angesichts des direkten Kommunikationsgeschehens der Heilsansage und Heilszusage die theologische Neukonstruktion der Adressaten direkt und jenseits einer ritualisierten Initiation statt (346).

Die Jesuserinnerung der Synoptiker läßt keinen Raum, die Taufpraxis aus dem Taufhandeln Jesu abzuleiten. Das Schweigen über solch ein Wirken Jesu wiegt schwer und das schlüssige Porträt der Jesusverkündung weist solche Differenzen zum Täufer auf, die eine jesuanische Tauftätigkeit unwahrscheinlich machen (347).

Alle Varianten der Aussendungsrede (Q 10,2-16; Mk 3,14f; 6,7-13; Mt 9,37f; 10,5-16; Lk 9,1-6; 10,1-12) erzählen die Aussendung der Jünger durch Jesus z.Zt. seines irdischen Wirkens. Ihr Handeln besteht nach der Version Q 10,5ff in der Darbietung des Friedens, der Heilung der Kranken unter Verkündigung der Nähe des Gottesreichs ohne Hinweis auf ein Taufhandeln. Wenn wir das Schema der Aussendungsreden der Urgemeinde zuschreiben müssen, so unterstreicht dies die Erinnerung daran, dass während des irdischen Wirkens Jesu keine Taufpraxis geübt wurde (362).

Die fehlende Erinnerung frühchristlicher Tauftexte an eine Einsetzung der Taufe durch den irdischen Jesus und das Konzept der Einsetzung der Taufe als Akt des Auferstandenen beinhaltet ein deutliches Signal der Erinnerung an die Taufpraxis als nachösterliche Bildung (366f).

 

1. Die Übernahme der Johannestaufe durch die Christen

 

H. Thyen: Die Johannestaufe ist ein eschatologisch-messianisches Bußsakrament „zur Vergebung der Sünden“, das die mit ihr Versiegelten im kommenden Feuergericht bewahrt. Dieses vom Täufer ausgebildete Instrument haben die Christen sehr bald nach Ostern ohne einen Taufbefehl ihres Herrn und auch nicht legitimiert durch die Fortsetzung einer vom irdischen Jesus geübten Praxis übernommen und in der Auseinandersetzung mit der Täufersekte in Anknüpfung und Widerspruch neu interpretiert (146).

Die Gründe zur Übernahme der Taufe mögen mit darin liegen, dass zahlreiche Christen – ehemalige Johannestäuflinge – aus der Täufersekte zur christlichen Gemeinde fanden. Ein stärkeres Motiv zur christlichen Aufnahme der Johannestaufe war wahrscheinlich die durch die Osterereignisse ausgelöste, der täuferischen Enderwartung fast analoge, apokalyptische Bewegung, die nach der neuen Institution des Taufbrauches rief. Die Jünger haben die Ostererscheinungen ihres auferstandenen Herrn als den Anbruch der apokalyptischen Endereignisse verstanden. Jetzt, da man den Richter unmittelbar vor der Tür wusste, galt allen die Forderung: „Kehrt um und lasse sich ein jeder taufen auf den Namen des Herrn Jesus Christus zur Vergebung der Sünden“ (Apg 2,38) (146f).

Um die Taufe der Christen von der Johannestaufe klar zu unterscheiden, wurde von Anfang an der Name Jesus über dem Täufling genannt (148).

War die christliche Taufe durch das Namensmotiv deutlich von der Praxis der Täuferanhänger geschieden, so hat sich mit ihr offenbar schon unter dem Eindruck der ersten österlichen Erfahrungen alsbald der Gedanke der Geistverleihung verbunden. Es ist Gottes endzeitlicher Geist, der die Reinigung von den Sünden bewirkt, was die bloße Wassertaufe des Johannes nicht zu leisten vermag. Die Geistbegabung wird zum Schibbolet in der Auseinandersetzung mit der Täufersekte. Mit alledem ist aber die christliche Taufe zunächst geblieben, was die Johannestaufe von Anfang an war, nämlich eschatologisches Bußsakrament zur Sündenvergebung (149).

 

G. Lohfink: Obwohl Lukas am Institut der Taufe aufs stärkste interessiert ist, hat er keinen Taufbefehl. In Lk 24,47 sagt der Auferstandene, in seinem Namen solle man allen Völkern Umkehr zur Vergebung der Sünden predigen. Diesen Text hat Lukas im Rückgriff auf Mk 1,4 selbst formuliert. In dem breiten Spektrum der urchristlichen Überlieferung fand Lukas keinen Taufbefehl Jesu vor, auf den er hätte zurückgreifen können. Lukas gibt nicht zu erkennen, dass die Wassertaufe dem Willen des auferstandenen und erhöhten Herrn entsprach. Die Tatsache, dass es Lukas nicht gelingt, die urchristliche Taufe auf einen Taufbefehl des Auferstandenen zurückzuführen, ist äußerst bemerkenswert (38f).

Der Täufer hat sich nicht als Vorläufer eines kommenden Messias oder sonst einer eschatologischen Gestalt, die mit heiligem Geist taufen würde, verstanden. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Kommende, von dem er spricht, eine Figur im eschatologischen Drama ist, die sich von Gott selbst unterscheidet, wäre es für das Judentum doch völlig singulär, dass eine solche Gestalt den Geist der Endzeit übereignen könnte. Die eschatologische Geistverleihung ist nach jüdischer Auffassung einzig und allein Gottes Sache, niemals die des Menschensohnes. Erst die christliche Gemeinde lässt neben Gott auch Jesus Christus Geistvermittler sein (45).

In der christlichen Tradition lässt sich von Anfang an eine starke Tendenz beobachten, Johannes zum Vorläufer, zum Vorausverkünder, zum Zeugen Jesu zu machen und seine Taufe von der christlichen Taufe abzuheben. In der Antithese: „Ich habe euch mit Wasser getauft, aber nach mir kommt einer, der euch mit heiligem Geist taufen wird“ wird ein christliches Interpretationsschema angelegt (45).

In der frühesten Urgemeinde laufen das Phänomen der Geisterfahrung und die konkrete Taufpraxis zunächst nebeneinander her und werden erst sekundär miteinander verbunden (Apg 2,1-4; 8,14-17; 10,44-48). Johannes hat eine Feuertaufe aber keine Geisttaufe angekündigt (46).

Die 144000 (Offb 7,1-8) stehen für das aus den Juden gesammelte, wahre Israel. Die Restitution des Zwölfstämmevolkes geschieht durch nichts anderes als durch die Versiegelung, d.h. durch die Taufe. Die Taufe rettet vor dem Gericht. Durch das Siegel der Taufe wird das wahre Israel versammelt und auf das nahe Ende zugerüstet (48).

Apg 2,40: „Lasst euch erretten aus diesem tückischen Geschlecht“, d.h.: lasst euch angesichts des nahen Endes durch Umkehr und Taufe vor dem Gericht retten! Nach Apg 2 gibt es keinen Taufunterricht und keine Taufvorbereitung. Sofort am Pfingsttag werden 3000 Menschen getauft (V 41). Die Zeit drängt. Bis zur Wiederkunft des Menschensohnes bleibt wenig Zeit. Das wahre Israel sollte durch das Siegel der Taufe zugerüstet und gesammelt werden (Schnelltaufen: 8,36-38; 10,44-48;16,33) (48).

Jesus konnte die Johannestaufe nicht übernehmen, weil er in seiner Verkündigung andere Akzente setzt: Die Johannestaufe steht im Kontext einer Gerichtspredigt. Sie bedeutet Rettung vor dem drohenden Zorngericht. Für Jesus ist nicht die Ankündigung des Gerichts konstitutiv, sondern die Ankündigung des Heils. Jesus sagt nicht: Kehrt um, damit ihr im Gericht gerettet werdet, sondern er sagt: Das Heil ist da, deshalb kehrt um. Jesus verkündet die befreiende, aufrichtende und Erbarmen schenkende Nähe Gottes. Und zwar so, dass Gott und die Gottesherrschaft in seinem Tun schon verborgen anwesend sind. In seinem Heilsruf, in seinen Heilungen, in seiner Annahme der Sünder vergegenwärtigt Jesus zeichenhaft die Nähe und die Zuwendung Gottes. Das Tun Jesu vergegenwärtigt den verzeihenden und sich erbarmenden Gott. Diese Sinnmitte seiner Predigt hätte Jesus durch die Übernahme der Johannestaufe verdeckt. (An der Unmöglichkeit, dass Jesus während seiner öffentlichen Wirksamkeit getauft hat, scheitert die These, die Jünger Jesu hätten während dieser Zeit weitergetauft. Eine solche Diskrepanz zwischen dem Tun Jesu und dem seiner Jünger ist unannehmbar) (49).

Der konkrete Anstoß zur Aufnahme und Modifikation der Johannestaufe ist nicht mehr rekonstruierbar (52).

 

3. Die Täuferbefragung als Frage nach der Messianität des Täufers (Jh 1,21)


G. Richter: Das Jh-Ev richtet sich an die Christen z.Zt. des vierten Evangelisten, um ihnen zu zeigen, dass Jesus von Nazareth und kein anderer der Messias ist und dass es nur im Glauben an die Messianität und Gottessohnschaft Jesu Heil gibt. Um die Verteidigung der Messianität Jesu geht es dem JohEv auch in den Abschnitten, in denen von Johannes d.T. die Rede ist. Der Evangelist berichtet vom Täufer, weil der Täufer, so wie ihn die mit der christlichen Gemeinde revalisierende  Täufergemeinde versteht und verkündigt, mit zu den Problemen gehört, die den Glauben der christlichen Gemeinde an Jesus als den Messias als alleinigen und einzigen Heilbringer belasten und diesem Glauben widersprechen (12f).

Jes 40,3 („ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste …“) dient zur Bezeichnung der heilsgeschichtlichen Funktion des Täufers. Es geht um die Stellung im Heilsplan Gottes, um die Frage, wer der Messias ist und wer es nicht ist. Nachdem der Täufer zuerst bezeugt hat, dass er nicht der Christus, nicht Elias und nicht der Prophet ist, bekennt er nun, dass er der von Jes geweissagte Wegbereiter ist. Was der Täufer in Jh 1,19ff bezeugt, ist nichts anderes als die in der urchristlichen Verkündigung wiederholt erscheinende Aussage: Ich bin nicht der Messias, nicht der Heilbringer, aber ich verkündige ihn (vgl. Lk, 3,15 ff; Apg 13,25;  19,1ff) (27).

Das vierte Ev will aufzeigen, dass Jesus und nur er allein der Messias, der Heilbringer ist. Weil der Täufer von seinen Jüngern in seiner heilgeschichtlichen Bedeutung überschätzt und als Messias betrachtet und verkündigt worden ist, gilt es zuerst einmal, diesen Anspruch als unberechtigt zurückzuweisen. Das geschieht in 1,19-21 direkt durch den Täufer selber. Johannes d.T. bekennt persönlich, dass er nicht der Messias ist. Auch im vierten Ev (wie in der übrigen christlichen Tradition) ist der Täufer der Wegbereiter des Messias Jesus. Nur im JhEv wird der Täufer als Zeuge für die Messianität Jesu dargestellt. Die Wegbereitung besteht im Zeugnisgeben für Jesus als den Messias (29).

In 1,26 wird die Erwartung einer Taufe durch den Messias nicht bestritten, sondern nur gesagt, dass seine (des Johannes) Taufe nicht die mess. Taufe ist, sondern bloß eine Wassertaufe. Die Bezeichnung 'der Täufer' erscheint im vierten Ev überhaupt nicht. Von der Taufe 'zur Sündenvergebung' (Mk 1,4; Lk 3,3; Mt 3,11) wird nicht gesprochen. Denn für das JhEv ist es nur Jesus, der die Sünden hinwegnimmt (1,29.36 auch diese Aussage im Mund des Täufers). Die Taufe des Johannes hat keinen anderen Zweck, als die Voraussetzung für die Offenbarung der Messianität Jesu zu schaffen (1,31). Und schließlich wird gesagt, dass die Tauftätigkeit auch von Jesus und seinen Jüngern ausgeübt wurde und zwar mit größerem Erfolg als vom Täufer (3,22.26;  4,1f). Johannes selbst sagt, dass es die von Gott bestimmte Ordnung ist (3,27), wenn er vor Jesus zurücktreten muss (3,30). Die Meinung des Volkes, dass er der Christus sei (1,15), widerlegt der Täufer mit dem Hinweis, dass seine Taufe nicht die mess., sondern bloß eine Wassertaufe ist. Die mess. Taufe, die eine Taufe mit heiligem Geist und Wasser sein wird, wird der nach ihm kommende vollziehen (1,16) (30f).

An allen Stellen, an denen das JhEv über den Täufer negative Aussagen macht, geht es (entsprechend dem Zweck des Evs) immer darum, die Messiaswürde Jesus allein zuzusprechen, dem Täufer aber abzusprechen. Umgekehrt haben alle positiven Aussagen über den Täufer den Sinn, seine Aufgabe als Zeuge für Jesus, den Messias oder als Wegbereiter Jesu herauszustellen, wobei die Vorläuferterminologie („vor ihm hergesandt“; „der nach mir (ihm) Kommende“) Verwendung findet (1,6f.15.23.26f). Elias und der Prophet müssen wie der Christus als Messiasgestalten verstanden werden (32).

Bist du der Prophet“ (1,21) ? Im vierten Ev (im Gegensatz zu den Syn) wird Johannes d.T. nie 'Prophet' genannt, nicht vom Volk, nicht von Jesus, nicht vom Evangelisten. Wohl aber wird Jesus 'Prophet' genannt. Im Einklang mit dem Zweck des Evs wird gegen die Vorstellung, Johannes d.T. sei der Heilbringer polemisiert, ganz gleich unter welchem Namen diese Stellung für den Täufer beansprucht wurde. Weil der 'Prophet' für die Täuferanhänger soviel heißt wie eschatologischer Heilbringer, kann der Täufer im vierten Ev nicht 'Prophet' genannt werden. Als eschatologischer Prophet wird Jesus erwiesen, „über den geschrieben hat Moses im Gesetz und die Propheten“ (1,45), von dem auch das Volk sagt: „Dieser ist wahrhaftig der Prophet“ (6,14;  7,40). Für das vierte Ev ist Jesus die Überbietung aller Heilserwartungen. Denn er ist der „Sohn Gottes“ (1,34-49;  3,18;  5,25;  10,36;  11,4.27;  20,31), „der einziggeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist“ (1,18). Deshalb können ihm mit Recht alle Titel beigelegt werden (40f).


3. Eine neutestamentliche Begründung der Taufe gibt es nicht

 

W. Marxsen (1968): Es geht um die Begründung des heute in der Kirche geübten Brauchs der Taufe mit Hilfe des NTs. Ist das möglich (226)?

Wenn dies möglich ist, müsste es immer möglich sein. Jak 5,14 steht: “Ist jemand unter euch krank, der rufe die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn“. Gebet und Ölung werden dann den Kranken gesund machen. Die Krankenölung hat eine ntl Begründung. Wenn man die Krankenölung nicht einführen will, müsste man folgende Konsequenz ziehen: Ein in der Urchristenheit geübter und im NT bezeugter Brauch ist keine ausreichende Begründung dafür, dass wir heute den Brauch übernehmen müssen. D.h. dass man in der Urchristenheit getauft hat und dass diese Taufe im NT bezeugt wird, ist noch kein hinreichender Grund dafür, dass wir heute die Taufe üben (227f).

Ein Einwand gegen die Krankenölung lautet: Das steht nur im Jakobusbrief, das ist nur einmal bezeugt. Kann hier die Zahl entscheiden? Ein anderer Einwand lautet: Die Krankenölung ist kein Sakrament. Ein Sakrament kann nur eine von Jesus eingesetzte Handlung sein. Da wäre auf Joh 13,14 hinzuweisen. Nach der Fußwaschung sagt Jesus: “Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr euch auch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe“. Hier haben wir nach dem Wortlaut des Textes nicht nur einen von Jesus selbst eingesetzten Brauch, sondern darüber hinaus einen Wiederholungsbefehl. Sollte man nicht den Brauch der Fußwaschung bei uns einführen? Ist in diesem Fall die Mitteilung der Liebe Jesu nicht die Gabe? Wer bestimmt, was ein Sakrament ist? Im NT kommt der Begriff nicht vor, jedenfalls nicht in dem von uns gemeinten Sinne. D.h. es findet keine Prüfung, keine Orientierung am NT statt, sondern hier schiebt sich eine dogmatische Auffassung in die Prüfung hinein. Das NT ist nur dann und nur soweit Norm für einen solchen Brauch, wie die dogmatischen Voraussetzungen über das Sakrament erfüllt sind. Nicht das NT wird gefragt, sondern zuerst legt man den Begriff des Sakramentes fest. Wenn man den Begriff definiert hat, dann benutzt man diesen Begriff gleichsam als Sieb. Nur das aus dem NT, was durch dieses Sieb hindurchgeht, soll verbindlich sein. Das ist keine ntl Begründung. Diese Verlegenheit ist uns wegen der Einseitigkeit unserer Blickrichtung nicht bewusst geworden. Wir sind nicht vom NT ausgegangen, sondern wir haben gezielt nach rückwärts ins NT hinein gefragt (228f).

Im Zusammenhang mit Taufaussagen begegnen eine Fülle von Motiven: Reinigung von Sünden, Versiegelung auf den Namen Jesu Christi, Geistverleihung, Anteilgabe an Tod und Auferstehung Jesu, Eingliederung in den Leib Christi als Initiationsritus; daneben aber auch die Trennung der Geistverleihung von der Taufe (die dann nur Sündenvergebung gewährt), während der Geist anschließend durch Handauflegung vermittelt wird; vor allem ist das Verhältnis von Taufe und Glaube unausgeglichen (230).

Wenn an einer Stelle der Glaube Voraussetzung für die Taufe ist, dann bleibt die Frage, ob das für uns heute begründend ist. Denn es gibt andere Stellen, die davon nichts sagen. Wenn die Taufe Glauben voraussetzt, wird man kleine Kinder wohl kaum taufen dürfen. Wenn Taufe aber Eingliederung in den Leib Christi ist, dann ist nicht einzusehen, warum man kleine Kinder nicht taufen soll (230).

Eine ntl Tauflehre gibt es nicht, (1) weil die Aussagen über die Taufe sich nicht harmonisieren lassen und (2) weil nicht alle Schriften von der Taufe reden. Man kann nicht unterstellen, dass die Schriften, die von der Taufe schweigen, dieselbe Taufauffassung anerkennen, die man anderswo findet. D.h. man müsste annehmen, dass Paulus über die Krankenölung immer und an allen Stellen genauso gedacht hat wie Jakobus (230).

Die beiden Richtungen (Frage zurück und die begründende Richtung von früher auf uns her) gibt es auch schon im NT. Schon damals gab es eine Frage nach der Taufe, denn Fragen setzen voraus, dass es Unklarheiten gab. Wenn es die beiden Richtungen schon im NT gab, dann gleicht die inner-ntl Situation in gewisser Weise unserer Situation. Dann gab es einen Brauch, der geübt wurde, nach dessen Begründung man noch immer fragte (230f).

In Röm 6,3f wird gesagt, dass die Christen mit Christus in der Taufe gestorben sind – freilich nicht, dass sie auferstanden sind (die Auferstehung bleibt hier futurisch), aber dass sie, gleich wie Christus auferstanden ist, in einem neuen Leben wandeln sollen. Dieses Motiv kehrt Kol 2,12 verändert wieder: “Mit ihm wurdet ihr begraben durch die Taufe und mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben...“ (232).

1Ptr 3,21: “Was jenen widerfahren ist, die z.Zt. des Noah lebten, das geschieht nun in der Taufe zu eurer Rettung. Denn in der Taufe wird nicht die Unreinigkeit am Fleisch abgetan, sondern wir bitten Gott, dass er uns ein gutes Gewissen schenke, durch die Auferstehung Jesu Christi“. Hier wird die Taufe ausgelegt mit Hilfe einer Vorstellung, die ursprünglich mit der geistlichen Beschneidung zusammenhing, wobei gerade der Gegensatz leibliche Beschneidung/geistliche Beschneidung insofern durchgehalten ist, als die Taufe nicht die Unreinigkeit des Fleisches abtut, sondern Bitte um ein reines Gewissen ist. Motive, die zunächst noch gar nicht mit der Taufe zusammenhängen, werden mit der Zeit auf die Taufe bezogen und dienen dazu, zu sagen, was die Taufe bedeutet. Bezeichnend ist, dass im Laufe der Geschichte der Taufe innerhalb des NT ein Ausbau der mit der Taufe verbundenen Motive erfolgte, eine Entwicklung der Taufvorstellungen. Was nicht zu vereinbaren ist (z.B. die Taufe gleicht der Auferstehung und die Taufe ist die Auferstehung), das stammt aus einer geschichtlichen Entwicklung (232f).

Paulus sagt den Gemeinden nicht: Wenn ihr tauft, dann geschieht das und das; oder: euer Taufen sollt ihr so und so regeln. Wenn Paulus von der Taufe redet, dann spricht er die Christen auf ihr Getauftsein hin an. Die geschehene Taufe, die in der Vergangenheit liegt, ist der Anknüpfungspunkt für die Taufaussage des Paulus. Die Taufe ist (im Unterschied zum Abendmahl) einmalig. Der Brauch war z.Zt. des Paulus unumstritten. Paulus hatte nicht die Absicht, den Gemeinden Anweisungen für ihr Taufen zu geben. Es kommt ihm vielmehr darauf an, den Gemeinden (den getauften Christen) zu sagen, wie sie ihre eigene, geschehene Taufe zu verstehen haben. Die Taufe wird bei Paulus nie zum eigentlichen Thema. Wenn wir fragen, wie sollen wir das Taufen ordnen, können wir aus den Briefen des Paulus keine Tauflehre erheben (233f).

In Röm 6,1ff ist nicht die Taufe das Thema sondern die Ethik. Paulus will den Römern zeigen, dass es trotz der geschenkten Gnade auf das neue Leben ankommt. Um das zu zeigen, benutzt er die an den Römern vollzogene Taufe. Er will sie zu einem besseren Verständnis ihrer geschehenen Taufe anleiten, indem er den Taufvorgang (Eintauchen und Herauskommen aus dem Wasser) benutzt, um die Notwendigkeit des neuen Wandels zu begründen (234).

In 1Kor 10,1ff bringt Paulus den Vergleich mit Israel. Die Väter waren unter der Wolke; sie sind alle durch das Meer gegangen, sie sind alle auf Mose getauft mit der Wolke und mit dem Meer; sie haben alle den gleichen geistlichen Trank getrunken. Es geht hier um Ethik! Die Isrealiten hatten so etwas wie Sakramente, sie verließen sich darauf, sie handelten aber nicht nach Gottes Willen, darum strafte Gott sie. In Korinth gibt es Leute, die sich auf die Taufe (und Abendmahl) verlassen und dabei dem Libertinismus verfallen. Paulus sagt ihnen: Wenn ihr eure geschehene Taufe so versteht, dass ihr eine Sicherheit habt, dann täuscht ihr euch ebenso, wie sich die Väter getäuscht haben. Es geht darum, einem Missverständnis zu begegnen, zu dem die geschehene Taufe geführt hatte: Man hatte Sicherheit und war nun dem christlichen Leben gegenüber gleichgültig. Weil die Korinther das mit der Taufe begründeten, bringt Paulus in einem Beispiel die Geschichte mit den Vätern (235).

In Korinth gab es Spaltungen in der Gemeinde (1Kor 12,12f): “Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Unfreie oder Freie...“. Das Thema ist hier nicht die Taufe, sondern die Einheit der Kirche, die in Korinth in Gefahr ist durch die Spaltung. Um diese Einheit zu begründen, bediente sich Paulus unter anderem der geschehenen einen Taufe. Auch in 1Kor 1,11f weist Paulus angesichts der Spaltung auf die Taufe hin und führt von dort aus die Spaltungen ad absurdum. Die Taufe kann in vielerlei Richtung benutzt werden. Die Leser erhalten keinen Taufunterricht auf die Taufe hin, sondern die Taufe wird benutzt, um mit ihrer Hilfe christliche Existenz auszulegen (235f).

Keine Stelle eines Paulusbriefes begründet, was man heute über die Taufe sagen kann. Gal 3,26: “Denn ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben (ihr seid es) in Christus Jesus“. Der Glaube (nicht die Beschneidung) hat euch zu Gottes Kindern gemacht. Der Glaube hat etwas bewirkt. “Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen“ (Gal 3,27). Der Glaube kommt nach Paulus aus der Verkündigung (Röm 10,17). Paulus spricht zu Menschen (hier den Galatern), die Christen geworden sind, die nun als Christen leben sollen. Nichts gibt das Recht zu der Behauptung, dass Paulus die Taufe als d e n entscheidenden Ort oder als d e n entscheidenden Zeitpunkt des Christ-Werdens verstanden hat. Von einer Heilsnotwendigkeit der Taufe kann bei Paulus nicht gesprochen werden. Paulus hat die Spannung von Wort und Sakrament nicht empfunden und deshalb auch nicht das Problem angefasst (237f).

Die Versuche, von späteren Texten aus an den Ursprung der Taufe heranzukommen, zeigen, dass man sich auf sehr unsichere Hypothesen einlassen muss. Das meiste bleibt dunkel. Sicher kann man nur sagen, dass Jesus nicht getauft hat (trotz Joh 3,22.26; 4.1, denn die Angabe wird Joh 4,2 ausdrücklich zurückgenommen). In Mt 28,19 wird nur der Brauch des Taufens befohlen, aber über den Inhalt dieses Brauches wird nichts gesagt (238).

Mit der Taufe ist ein Brauch 'zwischeneingekommen', der in der Umwelt bekannt war. Mit diesem Brauch verbanden sich in den unterschiedlichen Bereichen, wo man ihn in der Umwelt des Urchristentums übte, verschiedenartige Vorstellungen. Der Brauch als solcher war keineswegs eindeutig. Man übernahm einen Brauch, der als Brauch schon lange bekannt war, der für verschiedene Verständnisse offen ist. Diese Verständnisse übertrug man auf die christliche Taufe – sofern sie sich vom christlichen Kerygma her füllen ließen: Man taufte “auf den Namen Jesus“ (239).

Weil es Jesus war, der die Erlösung, die Neuschöpfung gebracht hatte, konnte die christliche Taufe auf den Namen Jesus auch diese Wirkungen an sich ziehen. Da die Taufe (in den Mysterienreligionen) den Mysten mit dem Schicksal der Gottheit zusammenband, konnte von der christlichen Taufe nun gesagt werden, sie stelle in den “Leib Christi“ hinein, der Täufling gehe durch Tod und Auferstehung Jesu hindurch. Die Taufe verlieh die Wirkungen Jesu. Sofern diese Wirkungen als Geistbegabung zusammengefasst werden konnten, konnte auch die Geistbegabung mit der Taufe verbunden werden. Teile der Urgemeinde verstanden ihr Christ-Sein als Begabung mit dem Geist (239).

Die Heilsnotwendigkeit der Taufe ist nicht zu begründen. Wir haben es mit einem selbstverständlich geübten Brauch zu tun, der sich vom Kerygma her füllen lässt. Der Kirche würde nichts fehlen, wenn sie die Taufe nicht hätte und sie auch nicht mehr üben würde. Die 'Zwölf' sind sehr wahrscheinlich nicht getauft worden. Was heißt es, wenn alle Kirchen den gemeinsamen Brauch haben, es aber weder eine gemeinsame Tauflehre noch eine gemeinsame Taufordnung gibt (241f)?

Können wir diesen Brauch füllen? Der Erwachsene, der durch die Predigt zum Glauben gekommen ist, der durch die Predigt eine neue Kreatur geworden ist, der nun 'in Christus' ist, der gerechtfertigt ist usw., der bedarf der Taufe nicht, um zu werden, was er schon ist. Für uns ist das Nebeneinander von Wort und Sakrament nicht mehr problemlos. Das problemlose Nebeneinander am Anfang (im NT) darf man heute nicht zu einem grundsätzlich nötigen Nebeneinander machen (242f).

Die Erwachsenen-Taufe kam als Brauch ins Urchristentum. Man füllte sie vom Kerygma her. Taufe – das war Erwachsenen-Taufe. Alle Versuche, die Säuglingstaufe im NT nachzuweisen, sind gescheitert. Heute haben wir in der christlichen Kirche den Brauch der Erwachsenen-Taufe und den Brauch der Säuglingstaufe. Wir müssen fragen, ob man die Kindertaufe vom Kerygma her füllen kann. Jetzt ist die jeweilige Beziehung von Wort und Sakrament mitzubedenken (244).

Wenn zum Wort das Sakrament tritt (Erwachsenen-Taufe), dann hat die Taufe eine andere Funktion, auch einen anderen Inhalt, als wenn zum Sakrament das Wort tritt (Kinder-Taufe). Im NT wird durchweg Getauften nachträglich gesagt, wie sie ihre Taufe zu verstehen haben (245).

 

4. Die Ungeschichtlichkeit der Taufe Jesu

 

E. Haenchen: Man kann die Taufe Jesu nicht für ein historisches Faktum halten, ohne gleichzeitig eine tiefgreifende Wandlung im Gottesglauben Jesu vorauszusetzen.

Johannes der Täufer hat in seiner Predigt mit großem Nachdruck auf den ‘Kommenden’ hingewiesen, der Gottes Gericht vollziehen wird. Rettung aus dem Gericht war nur durch Buße und Taufe möglich. Johannes selbst hatte mit dem Heil nur insofern zu tun, als er mit der Verkündigung dieses rettenden Bußsakraments von Gott beauftragt war. Gottes Gericht war für den Täufer unheimlich nahegerückt. Johannes war ein Asket. ‘Er aß nicht und trank nicht’ (Mt 11,18), d.h. er fastete. Auch von seinen Schülern verlangte er, dass sie fasteten (Mk 2,18). Das Taufen des Johannes und sein Fasten haben dieselbe Wurzel: ein Leben der Buße zu führen. Nur wer so lebt, kann getrost dem großem Tag Gottes entgegenblicken (57f).

Jesus hat Gottes Forderungen, wie sie das Judentum verstand, radikal verschärft (Mt 5,21f.27f.33f.38ff.43f). Jesu Gott fordert mit einer Härte, der kein menschlicher guter Wille gewachsen ist. Nur wenn man das bedenkt, hört man Jesu Gnadenpredigt richtig: Gott ist dem Menschen, der keine Leistung mehr für sich geltend machen kann, unbegreiflich gnädig. Weil sich der Zöllner im Gleichnis (Lk 18,10ff) als Sünder bekennt und um Gnade bittet, sind er und der ‘verlorene Sohn’ (Lk15,1ff) Vorbild für das Verhalten des Menschen zu Gott - nicht weil sie gesühnt haben, sondern weil sie nicht mehr in dem Wahn befangen sind, ein Verdienst in die Waagschale legen zu können. Jesus nahm sich der Zöllner, Sünder und der Dirnen an (Mt 21,31f), denn diese Menschen wussten um ihre Nichtigkeit, wussten, dass sie sich auf nichts berufen konnten als auf das Erbarmen Gottes. Gottes Liebe ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Erbarmen, das alles Denken übersteigt (59).

Bei Jesus fehlen die apokalyptischen Bilder des Täufers und der Ton der Angst vor dem Kommen Gottes. Der Begriff der ‘frohen Botschaft’ hat sich an die Predigt Jesu geknüpft, nicht an die des Johannes. Wenn die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer historisch wäre, dann würde zwischen dem Gottesbild Jesu, das ihn zum Täufer gehen ließ, und dem, das seinem eigenen Wirken zugrundelag, ein Wandel von außerordentlicher Tiefe liegen. Jesus müßte unmittelbar bei oder nach der Taufe einen inneren Umbruch erlebt haben, der bis ins Innerste ging und ihn überhaupt erst zu dem werden ließ, als den ihn dann die Evangelien auf ihre Weise geschildert haben (60).

Um diesen gravierenden Wandel zu erklären, hat man die These aufgestellt, dass im Leben Jesu eine Berufungsvision stattgefunden haben muß. Die Evangelien vermitteln nicht den Eindruck, dass Jesus seinen Jüngern von dieser Schicksalsstunde, an die sich die große Wende seines Lebens knüpft, erzählt habe: “und als ich aus dem Wasser stieg, da...”. Dann aber rückt die Taufgeschichte mit ihren Einzelheiten zu andern synoptischen Erzählungen, die auch nicht auf einen menschlichen Zeugen zurückgehen können, wie die Versuchungsgeschichte und die Geschichte von Jesu Gebet in Gethsemane, das auch nicht Jesus selbst seinen Jüngern erzählt haben kann, weil er unmittelbar danach gefangengenommen wurde. Diese Geschichten sind vielmehr Versuche der Gemeinde, ihren Eindruck vom Verhalten Jesu anschaulich wiederzugeben. Die Taufgeschichte will nicht eine innere Erfahrung Jesu beschreiben, sondern dem Leser sagen, wer dieser Jesus eigentlich ist, von dem nun die ganze Schrift des Markus handeln wird. Wer die Taufe Jesu als historische Gegebenheit annimmt, der muß mit jenem inneren Umbruch bei Jesus rechnen, den seine Lehre in Wort und Tat nicht verrät. Jesus macht überall, wo er von Gottes Erbarmen spricht, nicht den Eindruck, dass er selbst als ein ‘verlorener Sohn’ zu dieser Gewissheit um Gott gekommen sei (61).

Man hat andere Auswege aus diesem Dilemma gesucht, z.B. Jesus sei aus tiefer Demut zum Täufer gegangen, weil er nicht den Schein erwecken wollte, er sei besser als die anderen. Hier würde alle Demut nichts daran ändern, dass Jesus sich zu einem falschen Gottesbild bekannt hätte. Dasselbe gilt von dem Hilfsgedanken: Jesus habe mit dem Gang zum Täufer seine Solidarität mit den anderen Menschen bekunden wollen. Beide Versuche sind unternommen worden, als man sich von dem Inhalt und den inneren Voraussetzungen der Täuferpredigt noch nicht hinreichend Rechenschaft gegeben hatte.

 

Die Urgemeinde hat, dem Handeln Jesu zuwider, die Taufe zur Bedingung für den Eintritt in die christliche Gemeinde gemacht. 

 

K. Berger: Jesus wird von Johannes nicht getauft. Könntes es nicht in der Absicht der Synoptiker liegen, durch die Verknüpfung von Wassertaufe und Geistmitteilung im Falle Jesu ihre eigene Taufpraxis ätiologisch zu legitimieren (148)?

Im JohEv gibt es keine Taufe Jesu am Anfang und Auferstehung nur als Teil im Geschehen der Rückkehr zum Vater. Das JohEv folgt dem Schema von Hinabsteigen und Heraufsteigen (Be 257).

 

W. Bauer: Die Christenheit hat sich mit allerlei nachträglich abfinden müssen, auf das sie sich zunächst unbedenklich eingelassen hatte und von dem es unter veränderten Verhältnissen keinen einfachen Rücktritt mehr gab. Da hatte man anfänglich erzählt, dass auch Jesus getauft worden war, froh, auf diesem Wege den christlichen Brauch im Leben Jesu verankern zu können. Dann hatte man mit Andersgesinnten schwere Mühe, die Überlegenheit Jesu über Johannes glaubhaft zu machen oder darzutun, was Jesus sich von der Taufe der Sündenvergebung hätte versprechen können (B. 228).

 

R. Bultmann: Die älteste Auffassung vom Leben Jesu ist die unmessianische. An Stellen wie Apg 2,36f und in der Röm 1,3f zugrunde liegenden Gemeindetradition kommt die ältere Auffassung, dass Jesus nach Tod und Auferstehung zum Messias erhöht wurde, noch zum Vorschein. Die Gemeinde hat Jesu Messianität in sein Leben zurückdatiert in der Überzeugung, dass die Taufe den Geist verleiht. Da diese Überzeugung sich nicht auf die Johannestaufe beziehen konnte, auf die christliche aber erst auf hellenistischem Boden, so kann die Tauflegende erst hellenistischen Ursprungs sein (267).

Für die Tatsache, dass die Tauflegende aus der hellenistischen Gemeinde stammt, spricht auch, dass Q die Taufe Jesu offenbar nicht erzählt hat, obwohl Q einen Abschnitt über den Täufer, seine Bußpredigt und seine messianische Verkündigung enthielt (268).

Wenn die Tauflegende unter dem Einfluss des christlichen Kults gestaltet wurde, so kann es nicht wundern, dass sie bald unter diesem Einfluss noch weiter ausgestaltet wurde, nämlich in dem Sinne, dass sie nun zur Begründung des christlichen Taufkultes dient und so zur Kultuslegende im eigentlichen Sinne wird. Wie sonst in der Religionsgeschichte das kultische Mysterium auf ein erstes Erleben der Kultgottheit zurückgeführt, in seiner Geschichte begründet wird, so ist in der alten Kirche die Geschichte von der Taufe Jesu bald als Kultuslegende in diesem Sinne aufgefasst worden. Jesus ist der Erste, der die Taufe mit Wasser und Geist empfangen und damit wirkungskräftig für die Gläubigen inauguriert hat (269).

 

Bei Johannes spielen die Heilstatsachen im traditionellen Sinn keine Rolle. Das ganze Heilsgeschehen: Menschwerdung, Tod und Auferstehung Jesu, Pfingsten und die Parusie ist in das eine Geschehen verlegt: die Offenbarung der Wahrheit Gottes im irdischen Wirken des Menschen Jesus. Dieser Tatsache entspricht es, dass auch die Sakramente keine Rolle spielen. Zwar setzt Johannes die Taufe als kirchlichen Brauch voraus, wenn er 3,22 berichtet, dass Jesus Jünger wirbt und tauft. Korrigierend wird 4,2 versichert, dass nicht er selbst getauft habe, sondern seine Jünger. In dem überlieferten Text von 3,5: “Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ ist 'das Wasser' eine Einfügung der kirchlichen Redaktion, denn im Folgenden ist nur noch von der Wiedergeburt aus dem Geist und nicht mehr von der Taufe die Rede. Dem Wort vom freien Wehen des Geistes (Joh 3,8) widerspricht es, dass der Geist an das Taufwasser gebunden sein soll. In der Fußwaschung findet man vielfach die Taufe dargestellt – zu Unrecht. Sie bildet vielmehr den Dienst Jesu überhaupt ab, der die Jünger rein macht. Sie sind nach 15,3 rein durch das Wort, das Jesus zu ihnen gesprochen hat. Die kirchliche Redaktion hat den Bericht vom Lanzenstich (19,34a) glossiert (19,34b.35) und in dem der Wunde entströmenden Blut und Wasser die Sakramente des Herrrenmahls und der Taufe abgebildet gesehen. Die Salbung, die die Gemeinde empfangen hat und die ihr Erkenntnis verleiht (“bleibt in euch und... belehrt euch über alles“ 1Joh 2,27), ist der Geist der Wahrheit, von dem das Gleiche gilt (14,17: “weil er bei euch bleibt und in euch sein wird“ und 14,26: “der wird euch alles lehren“, vgl. 16,13). Wie der Geist der Wahrheit (14,17.26; 16,13) die Kraft des in der Gemeinde wirkenden Wortes ist, so wird auch die Salbung (1Joh 2,27) das machterfüllte Wort sein (411f).

 

L.M.: Das Argument: Jesu Taufe durch den Täufer hat der urchristlichen Gemeinde schwer zu schaffen gemacht, deshalb - so der Rückschluss - muss sie historisch sein. Bei diesem Rückschluss geht man davon aus, dass die Konsequenzen, die sich durch einen Taufempfang Jesu durch Johannes ergaben, im voraus erkannt worden wären.

Die Taufperikope lässt weder den Täufer zum Jünger Jesu werden noch kennt sie eine Reflexion oder Reaktion Jesu.

Ich stelle mir die Entwicklung so vor:

- Das 1. Problem: Nach Pfingsten brauchte die plötzlich entstandene Gemeinde einen Aufnahmeritus.

Die Lösung: Man übernahm die Taufe des Johannes und taufte auf den Namen Jesus. (2Kor 5,17): Der Erwachsene, der eine neue Kreatur geworden ist, der nun "in Christus" ist, der gerechtfertigt ist, bedarf der Taufe nicht, um zu werden, was er schon ist. Die Taufe schenkt nicht das, was schon vorhanden ist, noch einmal.

- das 2. Problem: Warum taufen wir? Man brauchte eine Begründung der Taufpraxis.

Die Lösung: Man nahm einen Taufempfang Jesu durch den Täufer an. Daraus entstand

- das 3. Problem: Jesus unter dem Täufer.

Die Lösung: Die Taufperikope Mk 1,9-11, eine christliche Fundamentalgeschichte.

Eine Begründung der Taufpraxis erfolgte erst, nachdem die Wassertaufe christliche Praxis geworden war.

Die Gemeinde erfand die Erzählung von der Taufe Jesu durch Johannes, nicht ahnend welche Schwierigkeiten sie sich damit bereitet hatte. Lässt sich doch hier der Größere von dem Geringeren taufen und ordnet sich ihm unter (Mt 3,14) bzw. unterzieht sich der Sündlose einer Bußtaufe. Von diesem Problem weiß das Mk-Ev (70 n. Chr.) noch nichts.

Das Mt-Ev versucht eine Lösung für dieses Problem zu geben: Als Jesus sich taufen lassen wollte, suchte Johannes ihn zu hindern, indem er sagte: “Ich hätte es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir”? Jesu Antwort (Mt 3,15): “Laß jetzt; denn so ziemt es sich für uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen”.

Lukas reduziert das Problem, indem der Täufer während Jesu Taufe nicht ‘anwesend’ ist (er war zuvor gefangengesetzt). Jesu Taufe wird nur noch neben der Taufe des ganzen Volkes erwähnt: “Als alles Volk sich taufen ließ und auch Jesus getauft wurde und betete...” (Lk 3,21f).

Das JohEv erwähnt überhaupt nicht mehr, dass Jesus getauft wurde: “Am folgenden Tage sieht er (der Täufer) Jesus auf sich zukommen” (Joh 1,29). Es sieht so aus, als käme Jesus nur zum Jordan, damit Johannes am Herabfahren des Geistes erkennt, dass Jesus der ihm verheißene Geisttäufer ist.  

Jesus hat Menschen in seine Nachfolge gerufen. Er hat nicht gefordert, dass sie getauft werden müssen, um ihm nachzufolgen. Jesus hat den Eingang in das Reich Gottes nicht von einer Taufe abhängig gemacht.

Nach dem JohEv hat jeder, der glaubt bereits jetzt ewiges Leben, ist aus dem Tod in das Leben hinübergeschritten. Was soll eine Wassertaufe daran verbessern?

Meine Beschäftigung mit dem Thema 'Taufe' wurde veranlasst durch meine Ganztaufe in einer baptistischen Gemeinde vier Monate nach meiner Bekehrung. Ich hatte mich taufen lassen, weil ich dazugehören wollte. Meine Bekehrung war das entscheidende Ereignis meines Lebens. Meine Taufe war völlig überflüssig, sie war 'viel Lärm um nichts'. Das problemlose Nebeneinander von Wort und Sakrament am Anfang (im NT) darf man heute nicht zu einem grundsätzlich nötigen Nebeneinander machen.

Literatur

Bauer, Walter
19642, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum

Berger, Klaus
20043, Im Anfang war Johannes

Bultmann, Rudolf
1970, Die Geschichte der synoptischen Tradition
1984⁹, Theologie des NT 

Haenchen, Ernst
1966, Der Weg Jesu

Labahn Michael
2011, Kreative Erinnerung als nachösterliche Nachschöpfung, in Waschungen, Initiation und Taufe, Beiheft ZNTW

Lohfink, Gerhard
1976, Der Ursprung der christlichen Taufe, in ThQ 156

Luz, Ulrich
2002, Das Evangelium nach Mt

Marxsen, Willi
1968, Der Exeget als Theologe

Richter, Georg
1977, Studien zum Johannesevangelium

Thyen, Hartwig
19708, Studien zur Sündenvergebung