(3) Der Leibgedanke und der jüdische Proselytismus


a. Die Nahen und die Fernen
b. Der neue Mensch
c. Der neue Wandel
d. Die Beschneidung

Es ist anzunehmen, dass Paulus bei seiner rabbinischen Ausbildung mit der Problematik des Proselytismus vertraut geworden ist. In der neuen heilsgeschichtlichen Situation, die mit Jesus, dem Messias, angebrochen war, hat er sich von neuem hiermit auseinandersetzen müssen. Von den Juden wurde auf Grund des Gesetzes der kultische Unterschied zwischen Juden und Heiden aufrechterhalten. Paulus sah das Verhältnis messianisch, nicht gesetzlich. Darin lag der Unterschied zwischen ihm und der Urgemeinde einerseits und seinen gesetzlichen Gegnern andererseits (59f).


a. Die Nahen und die Fernen:Nun aber im Messias Jesus seid ihr, die ihr einstmals fern wart, nahe geworden in dem Blut des Messias. Er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater“ (Eph 2,13.17f).In Jes 57,19 handelt es sich gleichfalls um Frieden für die Fernen und für die Nahen (wie Apg 2,39). ‚Nahebringen‘ (Eph 2,18) war die übliche Redeweise für ‚einen Nichtjuden als Proselyten annehmen‘. Auch Paulus hat an Nichtjuden gedacht: Denkt daran, „dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt“ (Eph 2,12). Für Paulus sind die Fernen nahegebracht „in dem Blut des Messias“, ohne dass sie Proselyten geworden waren im gesetzlichen Sinn. Paulus ist sich bei seiner Erörterung, dass Juden und Heiden „in einem Leib versöhnt sind mit Gott“ (Eph 2,14-18), dieses Gegensatzes zwischen ihm und der gesetzlichen Auffassung hinsichtlich der Einverleibung der Heiden bewusst gewesen. Für Paulus sind die Heiden in dem einen Leib der Ekklesia „nicht mehr Fremdlinge und Beiwohner, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19) (60f).

In der Tora werden zwei Gruppen von Heiden unterschieden: einerseits kannte man Fremdlinge, die aus dem Ausland eingewandert, sich in Israel aufhielten und sich eng der theokratischen Lebensgestaltung Israels angeschlossen hatten. Andererseits gab es Eingeborene des Landes, aus den kanaänitischen Völkerschaften stammend, die im Land geduldet wurden (Beiwohner, Eingeborene). In der nachexilischen Zeit wurde der Fremdling zum Fremden, zum Proselyten, der die jüdische Religion in allen Stücken angenommen hat. Der Eingeborene oder Beiwohner wurde der dauernd im Land Israel wohnende Heide (61f).

Eine Zwischengruppe bildeten die unbeschnittenen Fremdlinge, die sich dem Judentum annäherten, mit dem Götzendienst brachen und einige der wichtigsten Gesetz beachteten. Sie waren die ‚Gottesfürchtigen‘, die am jüdischen Gottesdienst teilnahmen, den Sabbat feierten und mehr oder weniger die Speisegebote einhielten, jedoch ohne zur vollen Annahme des Gesetzes verpflichtet zu sein. Für die Juden blieben sie Heiden, wie die Beiwohner, während die Proselyten wie Israel selbst waren. Paulus aber hat der messianischen Gemeinde vorgehalten, dass man in dem einen Leib des Messias die Heiden nicht betrachten durfte als ob sie ‚Fremdlinge und Beiwohner‘ wären. Sie seien im Gegenteil „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19) gworden (62f).

Der Proselyt hat an der Heiligkeit Israels Anteil bekommen, sobald er zum Judentum übergetreten war. So sagt auch Paulus hinsichtlich der Heiden in dem einen Leib des Messias, dass sie „Mitbürger der Heiligen“ sind und in diesem Sinn konnte er die messianische Gemeinde als „die Heiligen“ bezeichnen. Bezog die Erbschaft sich ursprünglich im AT auf die Landnahme des Volkes Israel, so ist schon im Judentum die Landnahme dem ‚In-Besitz-Nehmen der Gottesherrschaft‘, der Teilhaberschaft am künftigen Äon, gleichbedeutend geworden. Paulus hat Gen 28,14 auf ‚den Besitz der ganzen Erde‘ bezogen. An Abraham und seine Nachkommen erging die Verheißung, dass er ein Erbe der ganzen Erde, des Kosmos, sein sollte (Röm 4,13). Abraham war aber damals noch unbeschnitten (Röm 4,10). Deshalb war er nicht nur der Vater der Beschnittenen, sondern auch der Unbeschnittenen (Röm 4,11f). Im Gegensatz zu der Beschränkung auf Juden und Proselyten sah Paulus die Erbschaft nun ausgeweitet: Die Heiden sind nicht durch das Gesetz (Röm 4,13f; Gal 3,6-18), sondern „im Messias Jesus“ und „durch das Evangelium“ „Miterben, Mit-Leib und Mitteilhaber der Verheißung“ (Eph 3,6). Das dreimal wiederholte ‚mit‘ bezieht sich darauf, dass die Heiden mit den Juden zu demselben Leib gehören (64f).

 

b. Der neue Mensch: In den Paulusbriefen ist der Gedanke vom „neuen Menschen“ eng mit dem Leibgedanken verbunden. Es handelt sich dabei um ein „Geschaffen-werden“ (Eph 2,15) und um ein „Anziehen“ des neuen Menschen (Eph 4,24; Kol 3,10). Bei Paulus ist auch die Rede von einem Anziehen des Messias (Röm 13,14; Gal 3,27). An den beiden Stellen Gal 3,27f und Kol 3,10f wird ausgesprochen, dass da, wo man den Messias, oder den neuen Menschen, angezogen hat, nicht der Gegensatz besteht zwischen Jude und Grieche, Beschneidung und Unbeschnittenenheit, Sklave und Freier, männlich und weiblich. Der Messias ist der neue Mensch schlechthin, der aus den Zweien, Juden und Heiden, einen neuen Menschen schafft (Eph 2,15). Es geht darum, dass „alle“, die den neuen Menschen angezogen haben, „hinkommen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu einem erwachsenen Mann, zum Mass der Reife der Vollkommenheit des Messias“ (Eph 4,13). Alle sind eins im Messias Jesus und wenn sie ihm zugehören, sind sie auch alle Nachkommen Abrahams (Gal 3,28f). Diese Nachkommenschaft realisiert sich darin, dass alle, deren „Vater“ Abraham ist, in die Fusstapfen des Glaubens ihres Vaters treten (Röm 4,12), wodurch sie „hinkommen zu“ dem neuen Menschen, der der Messias in seiner „Vollkommenheit“ und „Reife“ schlechthin ist (Eph 4,13). Der Messias hat Frieden gemacht, „damit er die Zwei in sich schüfe zu einem neuen Menschen“ (Eph 2,15). Der neue Mensch, den man angezogen hat, ist „nach Gottes Willen geschaffen in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24) und wird „erneuert nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat“ (Kol 3,10) (66f).

Adam ist nicht der alte Mensch, den man ausgezogen hat (Eph 4,22; Kol 3,9), sondern der erste Mensch überhaupt (1Kor 15,45-49; Röm 5,12-21). Der neue Mensch ist der Messias, der (Eph 2,15) „die Zwei in sich zu einem neuen Menschen schafft, indem er Frieden machte“. Es ist die Rede von einem „zu einem Fleisch Werden“ (vgl. 1Kor 6,16). Der Messias ist für den Apostel der wahre neue Mensch, der den Fernen Mut macht, sie nahebringt und ihnen den Zugang geöffnet hat zum Vater (Eph 2,18). Der alte Mensch „mit seinen Taten“ (Kol 3,9) und seinen „Waffen der Finsternis“ (Röm 13,12) ist abgelegt, ausgezogen. Der neue Mensch ist jetzt auf dem Plan, wo es nicht mehr heißt „Grieche und Jude, Sklave und Freier, sondern Alles und in Allen der Messias“ (Kol 3,11) (68f).

In dem Messias als dem wahren neuen Menschen steht der neue Mensch vor uns in seiner Vollkommenheit, nach dem Bilde Gottes (2Kor 4,4; Kol 1,15). Es kommt für alle Glieder der Ekklesia darauf an, dass auch sie hinkommen zu dieser Reife und zu dem Erwachsensein, „damit wir nicht mehr unmündige Kinder sind“ (Eph 4,14 vgl. Kol 1,28) (69f).

 

c. Der neue Wandel: Auffallend ist in den Paulusbriefen die immer wiederholte Mahnung zur Demut und die Warnung vor Eigendünkel. „Seid gleichen Sinnes gegeneinander. Sinnt nicht das Hohe, sondern gebt euch hin den Niedrigen, haltet euch selbst nicht für verständig“ (Röm 12,16). Auch den Schwachen gegenüber kommt es darauf an, „gleichen Sinnes zu sein“ (Röm 15,5). Wenn Paulus an die Korinther über Israel als warnendes Vorbild (1Kor 10,1-13) geschrieben hat, so mahnt er sie, dem Götzendienst zu fliehen. Er setzt dabei voraus, dass er zu „Verständigen“ redet (1Kor 10,15). Der ‚Unordnung‘ bei der Feier des Abendmahls in Korinth liegt für Paulus eine „Verachtung“ der Ekklesia Gottes zugrunde (1Kor 11,22) (71).

Die Epheser hat Paulus berufen, zu wandeln „in aller Demut und Sanftmut, in Langmut, einander ertragend in Liebe, sich bemühend zu bewahren die Einheit des Geistes durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,2-4). Im 1Kor und Eph zeigt der Zusammenhang dieselben Verhältnisse. Was hier helfen kann, ist nur die Liebe. Paulus ermahnt immer wieder zur Liebe und hat die Liebe als das ‚Einheitsband‘ (Kol 3,14) des Leibes der Ekklesia gepriesen (1Kor 13; Röm 13,8-10; Eph 1,4; 3,18; 4,15; 5,2; Kol 2,2; 3,14). Wenn alle zu der Einheit des Glaubens und dem Maß der Reife der Vollkommenheit des Messias kommen, „so sind sie nicht mehr unmündige Kinder“ (Eph 4,14). „Lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus“ (Eph 4,15). „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24) (72f).

Die Kollekte des Paulus für die Muttergemeinde in Jerusalem: Es war eine feste Regel, nicht nur für die Proselyten, sondern auch für die Gottesfürchtigen, dass sie die Tempelsteuer bezahlten. Dass Paulus auch in dieser Hinsicht an der jüdischen Praxis festgehalten hat und durch die Kollekte auf die Anerkennung der Mutergemeinde in Jerusalem ein so großes Gewicht gelegt hat, ist bezeichnend für die Weise, wie er die Einheit von Juden und Heiden in dem einen Leib des Messias gesehen hat. Die Kollekte ist ein Tatbekenntnis der Heidenchristen zur Einheit der Ekklesia, eine Anerkennung, dass sie an den Geistesgaben der Heiligen Anteil bekommen haben und dadurch in Israel eingegliedert sind (Röm 15,27) (74).

 

d. Die Beschneidung: Nach jüdischer Anschauung konnten Heiden nur als Proselyten in den Bund Gottes mit seinem Volk eintreten durch Beschneidung, Tauchbad und Blutbesänftigung, d.h. Opferdarbringung, wie Israel selbst. Die Forderung der Beschneidung als Bedingung für die Aufnahme der Heiden in die Ekklesia hat Paulus immer entschieden abgelehnt (75).

Für Paulus waren die Heiden, die in den einen Leib des Messias aufgenommen waren, den Gottesfürchtigen gleichgestellt. In der durch den Messias herbeigeführten neuen heilsgeschichtlichen Situation galt es besonders, diese Heiden als „Mitbürger der Heiligen und Miterben der Verheißung“ (Eph 2,19; 3,6) zu begrüßen. So würde die alte prophetische Erwartung Gestalt annehmen, dass sich die Völker zusammen mit Israel vor dem König, dem Herrn, beugen (Sach 14,16; Jes 25,6ff) (79f).

Es war Paulus feste Überzeugung, dass die Erwählung Israels nie widerrufen worden ist (Röm 9-11). Er war aber auch davon überzeugt, dass man das heilsgeschichtliche Faktum dieser Erwählung nicht zum Gesetz für andere machen durfte (Röm 4,9-17; Gal 3,17-24). Die Tora war Israel zur Erhaltung der Verheißung gegeben (Gal 3,17f.23f). Sie wendet sich an diejenigen, die unter dem Gesetz leben (Röm 3,19), damit sie sich nicht mit ihren Vorrechten brüsten (Röm 3,1f.9), sondern es ist ihr Vorrecht zu wissen, dass die ganze Welt verschuldet ist vor Gott (Röm 3,19). Die Beschneidung gehört zum Gesetz, denn die Verheißung ist Abraham in seiner Unbeschnittenheit gegeben (Röm 4,10) (81).

Wenn Paulus in Kol 2,11f schreibt, dass die Taufe die ‚messianische Beschneidung‘ ist, so will er damit sagen, dass in der Taufe „der Leib des Fleisches“ abgelegt ist. Die Aussage ist polemisch gemeint, genau wie in Phil 3,3: „Wir sind die Beschneidung, die wir im Geist Gottes ihm dienen und uns des Messias Jesus rühmen und nicht aufs Fleisch die Zuversicht setzen“. Das Gesetz, das Israel zur Erhaltung der Verheißung gegeben ist, soll nicht den Boden bilden, aus dem man sich gegenüber den gesetzlosen Heiden Rum ableitet (Röm 3,9.19f.27), weil es dann, umgeben mit einer Vielzahl von Satzungen, zu einem Dokument der Feindschaft gemacht wird, zu einem Hindernis für das Teilhaben der Heiden am Heil (Eph 2,14). Das Gesetz in diesem verzerrten Sinn hat der Messias außer Kraft gesetzt, nicht das Gesetz überhaupt (Eph 2,15 vgl. Röm 8,4; 13,8; Gal 5,14) (83f).

Am Unterschied zwischen Juden und Griechen hat Paulus laut dem „erst dem Juden und auch dem Griechen“ immer festgehalten, wie auch an der verschiedenen Aufgabe und daher dem verschiedenen Platz von Sklaven und Herren (Kol 3,22 - 4,1). Der Sklave sollte sich als Sklave, der Herr sich als Herr ‚im Messias‘ bewähren. Der Abschnitt 1Kor 7,17-24 zeigt, dass es sich nicht um einen Verlust der natürlichen Persönlichkeit handelt, sondern um die Gewissheit, dass Gott jeden ruft auf seinem eigenen Weg. Die Berufung Gottes reißt den Menschen nicht aus seiner natürlichen Lage (85f).

Nach pln Auffassung ist der Leib des Messias der Ort, die Gemeinschaft, wo Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Männer und Frauen das Gesetz Gottes erfüllen. Paulus hat bei den messianischen Gemeinschaften in Antiochia und in Rom diese Sachlage vorgefunden (86f).

Eph 4,4 „Ein Leib und ein Geist...“. Die zum messianischen Glauben Gekommenen sind „versiegelt mit dem heiligen Geist der Verheißung“ (Eph 1,13 vgl. 4,30) und so sind auch sie Anteilhaber geworden an dem Erbe, zu dem die Juden schon vorherbestimmt waren (Eph 1,11f). „Denn durch ihn haben wir beide (Juden und Heiden) durch einen Geist in einem Geist den Zugang zum Vater“ (Eph 2,18) (90f).


(4) Das Haupt und die Glieder


a. Das Ganze
b. Das Haupt
c. Das Wachstum
d. Der Bau
e. Die vollkommene Menschlichkeit
f. Die Glieder
Zusammenfassung


a. Das GanzeIm Eph 1,10-24 handelt es sich um das Geheimnis, alles im Messias zusammenzufassen. Im Kol 1,19-23 wird die Versöhnung aller Dinge bezogen auf die Vereinigung der Heiden mit den Juden zur Einheit in dem einen Leib. Paulus führt im Gal 3,22 aus, dass die Schrift „alle Dinge“ in die Sünde eingeschlossen hat, damit die Verheißung den Gläubigen gegeben würde. Röm 11,32: „Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, damit er sich aller erbarme“ (der Juden und der Heiden) (102).

Der Messias ist der himmlische Mensch schlechthin (1Kor 15,47;  Kol 3,1). Er ist der Mensch nach dem Bilde Gottes (2Kor 4,4;  Kol 1,15 vgl 3,10). Mit dem lebendigen Messias sind die nach den Himmlischen und den Irdischen erschaffenen Menschen, (die, wenn sie und indem sie sündigen, dem irdischen Adam gleichen 1Kor 15,48) zu Himmlischen gemacht und unter die Himmlischen aufgenommen worden (Eph 2,5f). Sie sollen dem Himmlischen gleich sein (1Kor 15,48), zu ihm heranwachsen (Eph 4,14) und sich richten auf das, was oben ist und auf den, der oben ist, auf dass sie leben (Kol 3,1-4) (105f).

Es gibt verschiedene Gnadengaben, „doch nur einen Gott, der das Ganze in allen wirkt“ (1Kor 12,4-6). Das Ganze manifestiert sich in dem einen Leib, nicht aber in Einförmigkeit, sondern in Vielheit und Vielfarbigkeit (vgl Eph 3,10). „Die Schrift hat das Ganze unter die Sünde beschlossen“ (Gal 3,22). Es ist das Geheimnis des Willens Gottes, dass Er „das Ganze wirkt“ (Eph 1,10f vgl 4,11ff;  1Kor 12,6), damit Juden und Heiden an demselben Erbe Anteil haben (Eph 1,12ff). Das Ganze ist aus Gott, der in dem Messias den Kosmos d.h. ‚uns‘ und ‚euch‘, mit sich versöhnt (2Kor 5,18ff). Es ist Gott, der das Ganze erschaffen hat (Eph 3,9) und dem es darum gefiel, „das Ganze zu versöhnen“ (Kol 1,20), indem der Messias „das Ganze erfüllt“ (Eph 4,10), nämlich in den Menschen (Eph 4,11ff). In dem einen Leib wächst das Ganze auf ihn hin (Eph 4,15f) (109f).

Wo von dem ‚All‘ die Rede ist, handelt es sich um eine historische Aufgabe für die Ekklesia. Es geht Paulus um die Einheit und den Frieden zwischen Israel und den Heiden. Das Heilsgeheimnis dieser von Gott von Anfang an gewollten Einheit war jahrhundertelang verborgen geblieben. Es ist aber seinen Gesandten und Zeugen jetzt im und durch den Messias Jesus offenbar geworden. Die Engelfürsten haben sich immer gegen diesen Frieden aufgelehnt. Die Geschichte Israels hat gezeigt, wie Feindschaft zwischen den Völkern und in Israel selbst immer wieder den Sieg davongetragen hat. So war es auch bei der Kreuzigung des Messias. In Wirklichkeit aber hat der Friede Gottes die Feindschaft (repräsentiert in den Engelfürsten) überwunden. Die Ekklesia verkündigt in ihrem Dasein diesen Frieden, weil in ihr Juden und Heiden gemeinsam den „einen Leib" bilden. Der Messias hat den Frieden gestiftet und nur dieser Friede zeigt, dass Gott den Messias verherrlicht und ihn als Herrn der Ekkklesia gegeben hat (116f).

 

b. Das HauptDer Messias als der Mensch im Bilde Gottes, indem das Ganze erschaffen ist und seinen Bestand hat, ist das Haupt des Leibes der Ekklesia (Kol 1,15-18). Christus ist das Haupt, der auch Anfang, Erstgeborener jedes Geschöpfes (Kol 1,15) und Erstgeborener von den Toten ist (Kol 1,18). Im AT werden Israel oder der König Erstgeborene genannt (Ex 4,22;  Ps 89,28). Der Erstgeborene ist auch der ‚Anfang‘ (Gen 49,3;  Dt 21,17). Er hat eine größere Autorität als seine Brüder und ist der besonders Gesegnete und zugleich der Segenspender für seine ganze Familie oder das ganze Volk (David), auch in der Nachkommenschaft und für alle, die sich an ihn anschließen (Joseph). Er ist der Anfang, der Erste und der Beste, in dem das Ganze repräsentiert wird und eingeschlossen ist (117).

Es handelt sich bei dem Gedanken, dass der Messias Anfang, Erstgeborener und Haupt ist, um eine Rangordnung. Er ist der Erste und der Beste einer Reihe (‚vor allem‘ Kol 1,17). Das zeigt sich im Sprachgebrauch des Apostels: 1Kor 11,3: „Das Haupt jedes Mannes ist der Messias, das Haupt der Frau ist der Mann, das Haupt des Messias ist Gott“. Eph 5,23: „Der Mann ist das Haupt der Frau, wie der Messias das Haupt der Ekklesia ist“. Es geht um den Begriff der Unterordnung (Eph 5,24) und der Liebe (Eph 5,25), die zur Reinigung und Heiligung führt (Eph 5,26). Der ‚Anfänger‘ ist darin den Brüdern überlegen, dass er vorangeht im Gehorsam, im Glauben und in der Liebe. Es geht um einen Gehorsam mit ihm und in seiner Nachfolge, so dass man mit ihm gehorchend auch ihm gehorcht, dass man mit ihm liebend auch ihn liebt, dass man mit ihm glaubend auch an ihn glaubt. In diesem Sinn nennt Paulus den Herrn das Haupt. Er ist der Erste, damit er der Erste werde (Kol 1,17f vgl Röm 8,29) (119f).

Wir sollen „in Liebe zu ihm heranwachsen“ (Eph 4,15) und uns „an das Haupt halten“ (Kol 2,19). Die Gedanken vom Wachstum, vom Bau und von der Vollkommenheit sind mit dem vom Haupt verbunden (Kol 2,9f;  Eph 1,22;   4,15f). Der Begriff Haupt sowie die Begriffe Anfang und Erstgeborener lassen sich auf den atl Sprachgebrauch und das jüdische Denken zurückführen. Der Leibgedanke liegt als metaphorische Rede vor, sowohl im 1Kor 12 und im Röm 12 , wo vom Leib und seinen Gliedern gesprochen wird, als auch im Eph und Kol, wo im Eph 4,16 und Kol 2,19 die verschiedenen Glieder zu Bändern und Sehnen dieses Leibes werden. Auch den Begriff Haupt finden wir im 1Kor 11,3 wie im Kol und Eph (120f).

Der Messias ist das Haupt der Ekklesia, die sein Leib ist (Eph 1,22f;  5,23;  Kol 1,18) (123).

Die Wendung vom „Zusammenfassen des Ganzen im Messias“ (Eph 1,10) hängt mit dem Begriff Haupt zusammen, obwohl das Verb von dem Begriff Hauptsumme, Hauptpunkt, Zusammenfassung abgeleitet ist. Im Eph 1,22 wir der Begriff Haupt gebraucht. Die Bedeutung des Wortes ‚Haupt‘ ist im pln Sinn nicht mit Chef oder Herrscher identisch. Die Verwendung und Bedeutung der Begriffe Haupt-Anfang-Erstgeborener lässt sich auf den jüdischen Gedanken der sog. ‚Gesamtpersönlichkeit‘ zurückführen. Es handelt sich dabei um seine Repräsentation, seine Autorität in Bezug auf die Gesamtheit. Nicht der Gedanke vom ‚Leib-Christi‘ in seiner ‚mystischen‘ Verwendung geht auf diese jüdische Wurzel zurück, sondern nur der Gedanke vom Messias als dem Haupt. Er setzt die Zusammengehörigkeit von Messias und messianischer Ekklesia voraus. Durch die Verbindung mit dem Begriff des Hauptes wird auch die Vorstellung des Leibes mit dem Gedanken der Gesamtpersönlichkeit verknüpft. Das Moment der menschlichen Verantwortlichkeit, neben der Wirklichkeit des Daseins vom Haupt-Anfang-Erstgeborenen, wird in diesem Gedanken vom Haupt stark hervorgehoben. Hierin sieht Paulus die Verbindung zwischen dem Werk, das der Messias vollbracht hat, seinem Leben und Sterben und der Aufgabe und Verantwortung, die diese Wirklichkeit für die Gläubigen in der Gegenwart bedeutet. Die Paulusbriefe setzen eine Analogie voraus zwischen dem Leben der Ekklesia und dem Leben des Messias. Das Haupt ist die Quelle, Anfang, Grund und daher auch Vorbild des Lebens in der Ekklesia (Eph 5,23-28;  Kol 3,13;  1Kor 11,1;  Eph 3,21;  4,21;  5,2;  Phil 2,5;  Gal 4,19;  Eph 3,17). Bemerkenswert ist das Nebeneinander des „mit dem Messias“ und des „in dem Messias“ (Eph 2,5f;  Röm 6,8;  8,11;  2Kor 4,14;  13,4;  Kol 21,1f), das Ineinander von Indikativ und Imperativ, von Sein und Werden, Sein und Sollen. Diese Analogie ist eine Analogie des Glaubens, des Gehorsams, der Liebe. Hier herrscht der Realismus der Praxis vor, der von der geschichtlichen Stellung des Messias Jesus her bestimmt wird (124f).

 

c. Das WachstumBeim Wachstum handelt es sich um Wahrheit und Liebe (Eph 4,15ff), um den Glauben (2Kor 10,15) und um Erkenntnis (Kol 1,10). Das Wachstum geht vom Messias aus (Eph 4,16;  Kol 2,19). Es ist zugleich ein Wachstum auf ihn hin (Eph 4,15). Der Leib vollzieht das Wachstum, indem er „durch Bänder und Sehnen unterstützt und verbunden wird“ (Kol 2,19;   Eph 4,16). Damit ist die Einheit und Zusammengehörigkeit der Glieder gemeint. Indem sie „die Wahrheit sagen in Liebe“, lassen sie „das Ganze (des Leibes vgl 1Kor 12,12) auf den Messias hinwachsen, der das Haupt ist“ (Eph 4,15). Nur wenn sie sich an das Haupt halten, wird der Leib zur Einheit verbunden und „vermehrt er das Wachstum Gottes“ (Kol 2,19). Das „Wachstum Gottes“ ist das von Gott herkommende Wachstum, das seinen Anfang und sein Ziel hat im Messias. Alle wachsen auf ihn hin, werden seinem Bilde gleichgestaltet (Röm 8,29) und bekommen Anteil an seiner Vollkommenheit (Eph 4,13;  Kol 2,9) (126f).

 

d. Der BauFür Paulus war bei seiner Bewertung nur die Frage entscheidend, ob beim Bauen die Einheit des Glaubens gefördert wurde. Nur so wird der Leib des Messias aufgebaut (Eph 4,12f). Nur so wächst der Leib auf ihn hin, der das Haupt ist. Es ist unbedingt notwendig, dass jedes Glied den ganzen Leib vor Augen hat (Eph 4,15f). Es geht um die Einheit von Juden und Heiden. Die Fernen sind „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ geworden, „aufgebaut auf dem von den Aposteln und Propheten gelegten Grund, wo der Messias Jesus der Eckstein ist, in welchem der ganze Bau wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn,. Durch ihn werdet auch ihr Heiden miteingebaut zu einer Wohnung Gottes im Geist“ (Eph 2,19-22 vgl 1Kor 3,16f;  2Kor 6,16). Es handelt sich um dieselbe Einheit, wenn Paulus hinsichtlich der Frage des Götzenopferfleisches sagt, dass nur die Liebe erbaut (1Kor 8,1) und wenn er der Losung „alles ist erlaubt“ gegenüberstellt: „aber nicht alles baut auf“ (1Kor 10,23). Es kommt alles darauf an, dass die Baumeister weise und kundig sind (1Kor 3,10), gerade weil „nicht alles erbaut“. Es sind die Starken in der Ekklesia, die sich um die Erbauung der Schwachen kümmern sollen (Röm 15,2) (129f).

 

e. Die vollkommene MenschlichkeitDas Ziel des Baues wird erreicht sein, wenn „wir alle gelangt sind zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ (Eph 4,13). Der Zusammenhang mit dem Gedanken des Wachstums auf den Messias hin (Eph 4,15) weist darauf hin, dass es hier um eine Anteilnahme an dem von ihm gelebten Glauben geht, indem man sich dem Haupt anschließt und zu ihm hinwächst. Die Einheit des Glaubens und der Erkenntnis, zu der man kommen soll, wird weiter erläutert in dem Gegensatz von „dem erwachsenen Mann“ und der Unmündigkeit einer leicht verführbaren Gemeinde (Eph 4,14) (130f).

Eph 4,13: „Wir sollen den Sohn Gottes immer besser kennen lernen, so dass unser Glaube zur vollen Reife gelangt und wir ganz von Christus erfüllt sind“ (Neues Leben). „Du bist zum Himmel emporgestiegen“. Bei der jüdischen Deutung von Ps 68,19 (Eph 4,8) auf Mose hin wird gedacht an den Aufstieg zu Gott und den Abstieg vom Berg herab. Die Judenchristen haben in Jesus den einzigartigen prophetischen Mann gleich Mose gesehen, den von Mose verheißenen messianischen Propheten, den Gott aufstellen würde ‚wie mich‘ (Dtn 18,15). Im Eph 4,10 geht es Paulus um „eine Erfüllung“ der Ekklesia, über der die Aussage von Ps 68 steht. Mit dem ‚All‘ sind an dieser Stelle ‚die Menschen‘ (Eph 4,8 vgl Ps 68,19) gemeint. Es ist die Gesamtheit der Ekklesia, die zur Vollkommenheit gebracht wird, indem ihr Apostel, Propheten, Evangelisten Hirten und Lehrer gegeben sind, „zur Zurüstung der Heiligen zum Werk des Dienstes, zum Aufbau des Leibes des Messias“ (Eph 4,11f). Das höchste und letzte Ziel dieses Aufbaus ist die vollkommene Menschlichkeit, die zum Ausdruck gebracht wird in dem Begriff vom ‚erwachsenen Mann‘. Weil aber für Paulus der Messias der neue Mensch schlechthin ist, wird dieses ‚Erwachsensein‘ wieder gekennzeichnet durch „das Mass der Reife und Vollkommenheit des Messias“, zu dem die Ekklesia hinkommen soll durch den Dienst von Aposteln und Propheten. Mit dem Aufstieg ist die Himmelfahrt gemeint, mit dem Abstieg die Einwohnung des heiligen Geistes und die Wirkung der Geistesgaben (135f).

Die Vollkommenheit des Messias und die der Ekklesia verhalten sich wie Urbild und Abbild, Sein und Werden, wie die Vollkommenheit des Erstgeborenen zu der seiner geistlichen Nachkommenschaft, des Sohnes Gottes zu der der Söhne Gottes (Eph 4,13;  Röm 8,14). Mit der „Vollkommenheit Gottes“ (Eph 3,19) ist die Vollkommenheit gemeint, die Gott gibt. Auch beim Begriff Wachstum ist vom „Wachstum Gottes“ die Rede (Kol 2,18) in dem Sinn, dass Gott als der Gebende gesehen wird. Kol 1,19f: „Denn in ihm gefiel es Gott, die ganze Vollkommenheit wohnen zu lassen und durch ihn das Ganze zu versöhnen auf ihn hin“. Diese Vollkommenheit wohnt im Messias. Er braucht nicht mehr zu ihr zu gelangen, wie die Ekklesia (Kol 2,9f;  Eph 3,19). Seine Vollkommenheit ist deshalb das Ziel für die Vollkommenheit der Ekklesia (Eph 4,13). Paulus kann den Messias als Haupt-Anfang-Erstgeborenen bezeichnend auch sagen, dass die Ekklesia „in ihm“ schon zur Vollkommenheit gebracht ist (Kol 2,10). In ihm wohnt die Vollkommenheit der Gottheit „leibhaft“, nicht „schattenhaft“ (Kol 2,9.17). Alle Verbalformen im Kol 2,16ff weisen auf diese im Haupt realisierte Vollkommenheit hin: „ihr seid zur Vollkommenheit gelangt, ihr seid beschnitten, ihr seid mitauferweckt“ (Kol 2,10-15). Daraus folgert Paulus, dass sie sich nicht an das Schattenhafte, sondern an das Haupt halten sollen, von dem her diese Leib-Wirklichkeit der Ekklesia wächst und wachsen soll (Kol 2,19) (139f).

Erfüllen heißt „den Menschen mit geistigen Gütern beschenken und bereichern“. Es handelt sich bei diesen Gütern um die Erkenntnis des Willens Gottes (Kol 1,9 vgl 4,12), die Einsicht (Kol 2,2) und den Geist (Eph 5,18). Die Vollkommenheit ist eine qualitative Fülle rein geistiger Güter, nämlich der sittlichen Reife und Tatkraft. Sie steht bei Paulus im Zusammenhang mit der Erkenntnis der Liebe des Messias (Eph 3,19), mit der Festigkeit des Glaubens (Kol 2,7) und mit einer Gesinnung, die der Feindschaft der bösen Werke gegenübersteht (Kol 1,21ff). Im Röm 15,7ff appelliert Paulus an die Gemeinschaft in der Ekklesia. „Darum nehmt einander an, wie auch der Messias euch angenommen hat zu Gottes Ehre“. Er schließt mit dem Segenswunsch: „Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, damit ihr reich seid an Hoffnung in der Kraft des heiligen Geistes“ (15,13) (140f).

Wie die Ekklesia der Leib des Messias ist, so ist sie auch die Vollkommenheit dessen, der das Ganze in allen zur Vollkommenheit bringt. Die Vollkommenheit ist im Haupt gegeben und ist zugleich von ihm aus im Werden begriffen (Eph 3,19;  4,10;  Kol 1,9.18). Der Pleroma-Begriff stammt in den Paulusbriefen nicht aus der Welt hellenistischer Spekulationen, sondern aus dem Judentum (142).

 

f. Die GliederBei der metaphorischen Rede vom Leib und seinen Gliedern handelt es sich um den einen Leib des Messias (1Kor 12,12;  Eph 4,16;  5,30). Der Gedanke einer gegenseitigen Hilfeleistung, eines Aufbaues und der Sorge der Glieder für einander rückt in den Vordergrund „Denn wir sind untereinander Glieder“ (Eph 4,25), zum gegenseitigen und gemeinsamen Aufbau in der Liebe berufen „nach der Wirksamkeit, die dem Maß eines jeden Gliedes entspricht“ (Eph 4,16). „Untereinander ist eines des anderen Glied“ (Röm 12,5) und kein Glied soll meinen, dass es das einzige sei, dass es die anderen nicht nötig habe oder nicht zum Leibe gehöre. Sie sollen vielmehr miteinander leiden und miteinander sich freuen, einander ehren und für einander sorgen (1Kor 12,12-26). „Ihr aber seid ein Leib, (nämlich) des Messias, und Glieder, jeder an seinem Teil“ (1Kor 12,27). Der Organismusgedanke ist an allen Stellen zu erkennen. In Eph 5,30 geht es Paulus um das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe und als Glieder der einen Gemeinde, in der es nicht mehr heißt männlich oder weiblich (und nicht mehr Jude oder Grieche). Alle Glieder sollen fortan nur noch Glieder untereinander sein, zum Aufbau des einen Leibes in der Liebe bestimmt (143f).

Eph 4,16: Das Haupt ist die Quelle des Wachstums des Leibes, während die Glieder sich betätigen am Aufbau des Leibes in der Liebe, indem sie miteinander verbunden werden und ihre Aufgabe miteinander vollbringen. Die Glieder sind nicht Glieder des Messias, sondern Glieder seines Leibes d.h. Glieder untereinander. In dem Leibgedanken ist das Haupt eins der Glieder. Mit dem Haupt ist dann aber nicht der Messias gemeint. Wird jedoch der Messias das Haupt genannt, so wird er nicht als Glied des Leibes gesehen. Er wird wie in Eph 4,16 von den Gliedern unterschieden. Das Haupt schließt das Ganze in sich ein, setzt in seiner Existenz die Gesamtheit der Brüder voraus. Dagegen setzen die Glieder in ihrer Existenz einander und ihre Zugehörigkeit zueinander voraus (beim Begriff ‚Glieder‘ geht es nicht um das Christusverhältnis, sondern um das gegenseitige Verhältnis der Glieder untereinander). Wo es sich um diesen Gedanken handelt, wird im Eph in demselben Sinn gesprochen wie im 1Kor und im Röm (144).

Nur von den Gliedern im ‚sterblichen Leib‘ behauptet Paulus, dass sie „Glieder des Messias“ sind, dass sie also Gott zur Verfügung gestellt werden sollen, damit nicht die Sünde (der böse Trieb) über sie herrsche: Von den Gliedern im Leib des Messias sagt Paulus nie, dass sie Glieder des Messias seien, sondern nur, dass sie Glieder untereinander sein sollen. Man kann im pln Sinn nicht sagen: Christus ist das Haupt und wir sind seine Glieder, sondern nur: Der Messias ist das Haupt der Ekklesia und wir sind (deshalb) einer des anderen Glied. Von einer ‚ehelichen Verbindung‘ der Glieder mit ihrem Herrn ist niemals die Rede. Wo von den Gliedern im Leibe des Messias gesprochen wird, kommt es an auf das Verhältnis von Schwachen und Starken, Edlen und Unedlen, Juden und Heiden, Sklaven und Freien, Männern und Frauen untereinander und miteinander (147f).

Röm 12,4f: „Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied“. Im Leib des Messias sind die Glieder nicht eingesetzt (1Kor 12,18.24), damit jedes Glied sich ein individuelles Verhältnis mit dem Herrn sichere, sondern damit sie „einträchtig für einander sorgen“ (1Kor 12,25). Nur so wachsen sie in der Liebe auf ihn, der das Haupt ist, hin und bekommen Anteil an seiner vollkommenen Menschlichkeit (Eph 4,13-16) (148).

 

Zusammenfassung

Die Ekklesia ist für Paulus der „Leib des Messias“ (Eph 1,23;   Kol 1,24;  1Kor 12,27;  Eph 4,12). Paulus ging es um die messianische Gemeinschaft. Die jüdisch geprägten Begriffe vom Haupt-Anfang-Erstgeborenen, vom Wachstum und Bau, sowie von der Vollkommenheit, hat Paulus nach seinen eigenen Gedanken und Zwecken mit der Metapher vom Leib verknüpft. Das macht seine Variation des geläufigen Themas aus (mit der griechischen Sprache wurden griechische Denkformen übernommen, die auch sachlich zu einer Hellenisierung führten, A6) (169f).

Dass die Gemeinde wirklich der Leib Christi ist, hat sich zu bewähren. Dass Juden und Grieche, Sklaven und Freie, zu einem Leib getauft worden sind, dass ‚die Vielen‘ ein Leib sind, weil der Messias Juden und Heiden in einem Leib versöhnte mit Gott, hat sich zu bewähren in der Liebe, in gegenseitiger Erbauung und im Wachstum auf den Messias hin, indem sie sich an ihn halten und Anteil bekommen an seiner Vollkommenheit. Die Bedeutung des Leibgedankens in den Paulusbriefen ist eine praktische. Bei seiner Verwendung der Metapher hat Paulus an ihrem ursprünglich ethischen Sinn festgehalten. Gerade deshalb kann der Leibgedanke bei Paulus nicht gnostisch erklärt werden. Es handelt sich nicht um eine mystische Erhabenheit der Kirche, sondern um eine Anregung für die messianische Gemeinschaft zu Liebe und zu gemeinsamem Dienst (171f).

Es gehört zur jüdischen Vorstellung vom Haupt, dass die Geschichtsereignisse, die mit dem Leben des Hauptes-Erstgeborenen verbunden sind, der Tod und die Auferstehung des Messias, in einer messianischen Ekklesia nicht bloß als ein Faktum der Vergangenheit verstanden werden, sondern dass sie die Gegenwart der Ekklesia bestimmen und sie sozusagen ‚erneuert‘ werden im Leben, im Glauben und in der Liebe, im Leiden und in der Hoffnung der Gemeinde. Der Begriff vom Haupt-Anfang-Erstgeborenen bei Paulus kann nicht mit einer ‚Mystik‘ verknüpft werden, weil er in der jüdischen Geschichtsauffassung wurzelt. Es handelt sich immer um eine Praxis des Lebens, um eine Analogie des Glaubens und des Gehorsams, der Liebe und der Erkenntnis, die von der geschichtlichen Stellung des Erstgeborenen her bestimmt wird und die darauf die Antwort ist. Im Zusammenhang mit der Heilsgeschichte hat Paulus die Metapher vom Leib in erster Linie auf das Verhältnis von Juden und Griechen in der einen Ekklesia angewandt. In der ökumenischen Perspektive des Apostels geht es um eine messianische, dh ökumenische Ekklesia aus Juden und Nichtjuden. Die Metapher von dem einen Leib hat er benutzt, damit gerade diese Perspektive verstanden werde von ‚Juden‘ und ‚Griechen‘ und sich bewähre in einer gemeinsamen Bemühung, „die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3) (173f).

Literatur

Lindemann, Andreas
1995, Der jüdische Jesus als der Christus der Kirche, in: Evang. Theol. 55.Jg. Heft 1
1999, Israel im NT, in: Wort und Dienst
2001, Art. Judentum und Christentum III, in: RGG4

Luther, Martin
1930, Von der Wiederkunft Christi zum Gericht, in: Bekenntnisschriften der ev.-luth. Kirche, Confessio Augustana, Art. XVII, 1912,43 

Meuzelaar, Dr.Jakobus, Johannes
1961, Der Leib des Messias

Roloff, Jürgen
1993, Die Kirche im NT 

Senk, Ronald
2006, Das Israel Gottes

Vielhauer, Philipp
1978, Geschichte der urchristlichen Literatur

Vögtle, Anton
1981, Das Buch mit den sieben Siegeln