VI. Der ursprüngliche GLAUBE an den ERHÖHTEN HERRN

Die 'AUFERSTEHUNG' JESU ist KEIN HISTORISCHES FAKTUM sondern ein Theologumenon, eine theolog. Deutung. 

 

1. "Wenn ich von der Erde erhöht bin..." (Joh 12,32)

2. Die Auferstehungsgeschichten und der christliche Glaube

3. Das 'O S T E R N' des Paulus: sein Zum - Glauben - an - Jesus - Kommen 

4. Auferstehung Jesu und historisch-kritische Methode: Der Historiker muss davon ausgehen, dass es sich um subjektive Phänome gehandelt hat 

5. Auferweckung und Erhöhung meinen im Urchristentum dasselbe Ereignis 

6. Die Auferstehungsaussage ist ein Interpretament des Erscheinungsgeschehens - Auferstehungszeugen gibt es nicht 

 


 

 

Die Erhöhung des Gerechten

"Heute wirst du mit mir im Paradies sein" (Lk 23, 43)
Die Himmelfahrt vom Kreuz aus

"Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden" (Mt 22, 32)


 

JESUS ist nicht aus dem Grab auferstanden.
 Ein Leichnam kann  nicht  wieder lebendig werden und aus dem Grab steigen.
 Wo ist der mit Knochen und Sehnen (leeres Grab) wiederbelebte, historische Jesus geblieben?
 Auferstehungszeugen gibt es selbstverständlich nicht.
 Die Geschichten vom leeren Grab und von den Erscheinungen des Auferstandenen sind späte Gemeindebildungen.
 Jesu Erscheinungen müssen als subjektive Visionen beurteilt werden.
 "
Nach drei Tagen" ist eine dem AT entnommene Zeitvorstellung.

Der jüdische Auferstehungsrealismus, der pharisäische Glaube an die Auferstehung der Toten, Hes 37, war die vorgegebene Sichtweise. Aus ihr entstand der Glaube an das Auferstandensein Jesu, der Glaube an den aus dem Grab Gekommenen.

Zunächst war der Glaube an die Auferstehung der Toten die selbstverständliche Basis der Auferstehung Jesu. Später wurde umgekehrt die 'Auferstehung' Jesu die selbstverständliche Basis der Auferstehung der Toten: "Christus, der Erstling der Entschlafenen" (1Kor 15,20).

R. Pesch: Lukas meint mit seiner Erzählung die Erhöhung Jesu, die kein historisches Ereignis ist. Der erhöhte Herr zeigt sich nur in der einmütigen Versammlung der Jüngergemeinde, die seinem Wort vertraut, seiner Weisung nachkommt, seiner Verheißung glaubt und seine Sendung als die ihrige, seinen Auftrag als den ihrigen übernimmt. Das sichtbare 'Wunder' ist weder ein leeres Grab noch ein wie eine Rakete zum Himmel fahrender Mensch, sondern die von Jesus gestiftete einmütige Versammlung (1,14) selbst, in der alle, die glauben und nicht zweifeln, ihren erhöhten Herrn 'schauen', der unsichtbar in ihrer Mitte real-präsent ist und durch seinen Geist alle miteinander verbindet. Die Unterscheidung von Auferweckung und Erhöhung/Entrückung nach der vierzigtägigen Zwischenzeit hat in der Thelogiegeschichte seit der Mitte des 2.Jh. immer mehr Raum gewonnen neben der ältesten Konzeption der Identität von Auferweckung und Erhöhung (75f).

M.Hengel: Der erhöhte Christus selbst hat die Verzweiflung und den Zweifel der Jünger überwunden und Glauben geschenkt, aus einem Simon wurde ein Petrus, aus einem Saulus ein Paulus. Dieser Glaube hat die Kirche bis heute getragen, er wird sie 'bis an der Welt Ende' weitertragen.

Seit 'O S T E R N' ist der erhöhte Herr unsichtbar in seiner Gemeinde präsent und verbindet alle durch seinen Geist miteinander. "Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Mt 28,20)

Nach seiner Kreuzigung wurde Jesus nur 'mit den Augen des Glaubens' gesehen. Von seinen Gegnern hat niemand Jesus gesehen.

Als die Jünger Jesu nach seinem Tod Erscheinungen Jesu erlebten, deuteten sie diese Erscheinungen mit Hilfe der ihnen aus dem AT und der spätjüdischen Apokylptik geläufigen Auferstehungsvorstellung.

W. Zager (1999): Der Historiker muss davon ausgehen, dass es sich bei den Erscheinungen Jesu um subjektive Phänomene gehandelt hat. Die Geschichten vom leeren Grab und von den Erscheinungen des Auferstandenen sind späte Gemeindebildungen. Da Paulus sein Damaskuserlebnis mit den Erfahrungen der übrigen Osterzeugen auf eine Stufe stellt, müssen die Erscheinungen Jesu als subjektive Visionen beurteilt werden. Wenn Kreuz und Auferstehung Jesu nicht mehr das eine große Heilsereignis darstellen, so werden wir ganz auf die geschichtliche Person Jesu geworfen (86).

E.Biser (1984): Paulus begründet seine Berufung zum Heidenapostel mit den Worten: „Da gefiel es Gott in seiner Güte, seinen Sohn in mir zu offenbaren“ (Gal 1,16). Das sind Worte, die von einer Lebenswende sprechen (69).

Wenn der Glaube zustande kommt, spiegelt sich in ihm das, was dem Apostel in seiner Berufungsstunde widerfuhr. Das Menschenherz gewinnt eine neue Beziehungsmitte. Es geht um die ‚innere Auferstehung‘, die sich im Herzen des Glaubenden ereignet (75f).

G. Kegel (1970): Nach dem Tod Jesu haben seine Jünger Erscheinungen Jesu erlebt. Sie haben daraus auf die Auferstehung Jesu geschlossen und sie mit den dafür zur Verfügung stehenden Ausdrucksmitteln ausgesagt. Die Überzeugung von der Auferstehung Jesu war für sie deshalb wichtig, weil sie damit alle Einwände, die aus dem Verbrechertod Jesu gegen ihn gemacht wurden, zurückweisen konnten. Aus diesem Grund haben die Jünger ihre Überzeugung in ein Glaubensbekenntnis gefasst: Jesus ist gestorben und auferstanden. Das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu wurde auch als Gottesbekenntnis formuliert: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“. Die Auferweckung Jesu galt nun als Verwirklichung des eschatologischen Heilshandels Gottes an Jesus (25).

1Kor 15,3ff ist das Ergebnis einer traditionsgeschichtlichen Entwicklung. Die Deutung des Todes Jesu durch Paulus als Sühnetod und die Tagesangabe zur Auferstehung Jesu (beide durch den Hinweis auf die Schriften als aus dem AT gewonnene Interpretamente gekennzeichnet) sind in das Grundschema des verbalen Christusbekenntnisses eingetragen worden. Als die so gewonnene zweigliedrige Bekenntnisaussage mit den Erscheinungstraditionen verbunden wurde, fügte man zwischen Tod und Auferstehung Jesu sein Begrabensein ein als Bestätigung des Todes (27).

In Röm 4,25 liegt das zweigliedrige Jesusbekenntnis zugrunde. Die ursprünglich ungedeutete Todesaussage ist durch eine gedeutete ersetzt. Im Unterschied zu 1Kor 15,3 ist das Verb ‚gestorben‘ nicht mehr verwendet. Die Wendung „hingegeben wegen unserer Übertretungen“ geht auf LXX Jes 53,12 zurück. Die Formel setzt eine Übertragung der Gottesknechtvorstellung auf Jesus voraus. Der Gebrauch der LXX führt uns in den Bereich des hellenistischen Judenchristentums. Das Auffällige an der Formel ist nun, dass auch die Auferstehung Jesu eine Deutung erfährt. Tod und Auferstehung sind zu zwei Stationen des Heilsgeschehens geworden, die jede ihre besondere Heilsbedeutung hat. Zu den beiden Aussagen Tod und Auferstehung Jesu, gehörte auch noch das Sitzen zur Rechten Gottes (Röm 8,34c) als weiteres Stadium der Christusereignisse mit der soteriologischen Funktion des ‚Eintretens für uns‘ (Röm 8,34d) (28).

Die Auferstehung Jesu ist eine theologische Deutung, ein Theologumenon. Damals glaubte man im Judentum an die Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag. Jesu Erscheinungen wurden als seine Auferstehung gedeutet: "Christus ist auferstanden als Erstling unter denen, die entschlafen sind" (1Kor 15,20).

M. Dibelius: Die Überzeugung, dass Christus auferweckt sei und bei Gott lebe, ist für die Bildung der christlichen Gemeinde grundlegend und ist darum selbstverständlich in dem für uns ältesten, formulierten Kerygma enthalten, das bereits Paulus als Überlieferung empfing (1Kor 15,3ff). Aber diese Überzeugung hat jahrzehntelang einen Niederschlag in einer unmittelbar berichtenden Erzählung nicht gefunden. Lediglich eine mittelbar berichtende Legende, die von den Folgen der Auferstehung zu sagen weiß, ist seit dem MkEv bekannt, die Geschichte vom leeren Grab, Mk 16,1ff. Aber auch sie scheint nicht primär zu sein; Paulus weiß noch nichts von ihr. Sie scheint vielmehr ältere Erzählungen von Erscheinungen Jesu verdrängt zu haben, auf die 1Kor 15,5; Lk 24,34 angespielt wird. Allein auch diese haben offenbar den Auferstandenen, nicht aber die Auferstehung dargestellt. Die älteste unmittelbar berichtende Erzählung von der Auferstehung, d.h. von dem triumphierenden Hervorgehen Jesu aus dem Grab, steht im Petrus-Evangelium, in einem Werk des 2. Jh. (36f).

Nach der Katastrophe der Hinrichtung Jesu sind die Jünger auf vielfältige Weise zum Glauben an den lebendigen, erhöhten Herrn gekommen.
Paulus begründet seine Berufung zum Heidenapostel mit den Worten "Da gefiel es Gott in seiner Güte, seinen Sohn in mir zu offenbaren" (Gal 1,16). Es ist nicht von einem äußeren Vorgang die Rede, sondern von einem Geschehen innerer Art: dass Gott es im Herzen des Apostels "tagen ließ", dass er "von Jesus Christus ergriffen" und dass ihm das Geheimnis des Gottessohnes "geoffenbart wurde".


Der jüdische Auferstehungsrealismus ist bei Paulus gebrochen. 


1Kor 15,50: "Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben; auch wird das Verwesliche nicht die Unverweslichkeit erben"
1Kor 15,44: "Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib"
2Kor 5,1: "Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, das ewig ist im Himmel"
2Kor 5,6: "Solange wir im Leibe wohnen, sind wir in der Fremde, fern vom Herrn (8) Wir haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn".

 

Jesus – Lazarus: Im Johannesevangelium (Kp 11) wird zwischen der Erhöhung Jesu und der Wiederbelebung des Lazarus nicht unterschieden – zwei grundverschiedene Vorgänge: Lazarus ist Jahre nach seiner Wiederbelebung gestorben, aber Jesus ‚lebt‘. Der Glaube an ein leeres Grab Jesu macht den christlichen Glauben zu einem Mirakelglauben. Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslich-keit“  (1Kor 15,50). Nirgendwo argumentiert Paulus mit einem leeren Grab Jesu. Paulus weiß um einen ‚himmlischen‘ Leib (2Kor 5), d.h. die Gräber müssen nicht leer werden.

Hebräerbrief: In dem Schema Katabasis und Anabasis spielt die Auferstehung keine Rolle (in 13,20 wird sie nur formelhaft erwähnt) und ist durch die Vorstellung der Himmelfahrt vom Kreuz aus ersetzt, die auch Phil 2,9 vorliegt. Das apokalyptische Zeitschema von Jetzt und Dann tritt zurück hinter die grundlegende Diastasse: Irdisch/Himmlisch.

Ostern geht es darum, dass Jesu 'Jünger' gleichsam mit Christus 'gestorben' sind und nun mit Christus im Geist leben - Jesus nachfolgen (Gal 2.20).

Unsterblichkeit der Seele / des inneren Menschen / der Geistseele: "..., solange ich in dieser Hütte bin..., denn ich weiß, dass ich meine Hütte bald verlassen muss" (2Ptr 1,13f).

Die Unsterblichkeit der Seele ist die Voraussetzung für ein Gericht post mortem. Wenn der innere Mensch, die Geistseele, den Tod nicht überdauert, das 'Ich' nicht mehr existiert, alle Daten gelöscht sind, kann es kein Gericht geben. 


 

 W. Thüsing (1965)

1. "Wenn ich von der Erde erhöht bin..." (Joh 12,32)

Kreuzigung = Erhöhung? Joh 8, 28: "Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt..." Diejenigen, die Jesus 'erhöhen' werden, sind seine Gegner, die Hierarchen und die Pharisäer, d.h. die Feinde, die Jesus ans Kreuz bringen. Bei der Kreuzigung sind die Gegner die Handelnden. Die 'Erhöhung' ist bei Joh die Kreuzigung; der Gekreuzigte ist der Erhöhte. Joh 3,14: "Wie Mose...die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden". 12,32: "Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen". Auch an diesen beiden Stellen ist die 'Erhöhung' aufs engste mit der Kreuzigung verbunden. Mit den Worten von 12,32 deutet Jesus an, welchen Tod er sterben würde. Der Evangelist bezieht das Erhöhtwerden auf die besondere Todesart der Kreuzigung (vgl. 18,32). In Joh 12,34 versteht die Menge das Wort ebenfalls als Andeutung des Todes Jesu im Gegensatz zu dem 'ewigen Bleiben' des Messias, von dem die jüdische Tradition wusste. Auf der anderen Seite entfaltet der 'erhöhte' Jesus nach diesen drei Stellen eine Wirksamkeit des 'Ziehens': "Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen". Dieses Ziehen bedeutet ein Wirken des verherrlichten Jesus (40).

Das "Ziehen" des Erhöhten (12, 31): Der "Herrscher dieser Welt" wird hinausgeworfen (durch den Sieg, den Jesus am Kreuz erringt) - Jesus als der wirkliche Herrscher, als der König, dessen Herrschaft nicht von dieser Welt ist (18,36), zieht alle an sich. Das 'Ziehen' zeigt, wie Jesus seine Herrschaft ausbreitet. Was das "Ziehen" bedeutet, lehrt 6,44: "Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht". Hier ist der Vater derjenige, der "zieht", aber der, zu dem die Menschen gezogen werden, ist wie in 12,32 Jesus. 6,45 sagt, dass man sich zu Jesus ziehen lässt, wenn man vom Vater "hört und lernt" - d.h. wenn man die Offenbarung, die der Vater durch den Heiligen Geist gibt, gläubig aufnimmt. Der Vater "zieht" die Menschen zu Jesus, indem er ihn durch den Geist als seinen geliebten Sohn kundmacht und "verherrlicht". Jesus und der Vater sind "eins" auch im Wirken und so zieht Jesus selbst die Seinen zu sich, wenn der Vater sie zu ihm zieht. Denn der Vater hat dem Sohn in seiner Liebe die ganze Fülle des Heiligen Geistes gegeben (3,34f), damit er die Glaubenden an sich ziehe und ihnen das ewige Leben spende (40f).

Das Kreuz als Thron und Glaubenszeichen: Der verherrlichte Jesus herrscht durch den Geist. Das hoch über die Erde emporragende Kreuz soll als Thron des Königs (Christus) geschaut werden. In 12,32 soll der Eindruck entstehen, dass der am Kreuz hängende Jesus die Menschen an sich zieht und dadurch vom Kreuz aus herrscht, dass der Gekreuzigte die Herrschaft ausübt, die dem Verherrlichten zukommt.

Nachfolge ans Kreuz und in die Herrlichkeit (Joh 12,26): "Wenn einer mir dienen will, so soll er mir folgen und wo ich bin, da soll auch mein Diener sein". Nach V 12,23f ist Jesus derjenige, der durch sein Sterben Frucht trägt und verherrlicht wird. Wenn der Jünger sein Leben in dieser Welt "hasst" (V 25), folgt er Jesus ans Kreuz bzw. lässt sich von Jesus an sein Kreuz ziehen. Dadurch bewahrt er sich "zum ewigen Leben" und Jesus kann ihn in die Herrlichkeit ziehen, in der er jetzt lebt (vgl. 17,24;  14,2f). Joh 12,32 will besagen: Der König auf dem Thron des Kreuzes zieht die Seinen zunächst an sein Kreuz und dadurch in seine Herrlichkeit (41).

Thron der Herrlichkeit und Thron des Kreuzes: Die Entsprechung zur "Erhöhung" von Phil Kp 2 ist bei Johannes das "Aufsteigen" Jesu zum Vater (Joh 3,13;  6,62;  20,17) oder auch das "Hinübergehen zum Vater" (13,1). Sowohl das "Aufsteigen" als auch das "Erhöhtwerden" weist auf den Vorgang hin, durch den Jesus den Thron zur Rechten des Vaters besteigt, den Thron, von dem aus er durch den Geist herrscht. Das JohEv will vor allem die Wirksamkeit des beim Vater herrschenden Jesus aussagen. Dazu verwendet es in den Erhöhungsstellen das 'Bild' des Gekreuzigten; dieses wird transparent für die Heilsbedeutung des Verherrlichten. Das ist möglich: Erstens, weil der freiwillig übernommene Kreuzestod Jesu in john Sicht schon zu dem Gesamtvorgang des "Hinübergehens zum Vater" gehört, das sowohl den Tod als auch das "Aufsteigen" umfasst. Der Kreuzestod als Offenbarung der Liebe gehört seinem Wesen nach schon zu dem Gesamtvorgang, in dem Jesus durch die Liebe des Vaters verherrlicht wird. Zweitens kann der Verherrlichte Jesus als der Gekreuzigte geschaut werden, weil sein Thron auch in der Herrlichkeit noch das Kreuz ist - weil er in der Weise herrscht, dass er die Seinen zuerst an sein Kreuz zieht bzw. dass er sie zum Glauben an ihn selbst als den Gekreuzigten führt. Das Kreuz wirkt als Herrschaftsprinzip dessen fort, der auch als der Verherrlichte noch die Wundmale seines Todes trägt. Eine Darstellung des Gekreuzigten ist im Sinn von Joh 3,14 und 12,32 für uns ein Glaubenszeichen, durch das hindurch wir auf den schauen sollen, der für uns das Leben und das Heil ist. Die Bilder des Crucifixus sollen uns in Kontakt mit dem jetzt lebenden, verherrlichten Jesus bringen, der vom verherrlichten Kreuz aus herrscht, d.h. der uns an sein Kreuz und dadurch in seine Herrlichkeit ziehen will (42).

Der Ursprung des Glaubens an die Erhöhung Christi waren die Ostererscheinungen: Das Alte Testament gab die Worte und Gedanken in die Hand, mit denen diese überwältigende Erfahrung seiner Macht und Herrlichkeit ausgedrückt werden konnte: dass Jesus zur Rechten Gottes erhöht worden sei: Ps 110 (Apg 2,33f;  Eph 1,20;  Hebr 1,3;  Mk 16,19). "Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt": Ps 2 (Apg 13,33;  Hebr 1,5;  5,5). "Alles hat er ihm zu Füßen gelegt": Ps 8 (1Kor 15,27;  Eph 1,22; Hebr 2,5-8). "Aufsteigend zur Höhe": Ps 67 (Eph 4,8). "Mein Knecht wird erhöht und verherrlicht werden": Jes 52,13 (Lk 24,26). Ohne die Erfahrung der Erscheinungen wäre es nicht zu Schriftbeweis und theologischer Reflexion und damit zur Erhöhungsaussage gekommen: dass Christus zum Sohn Gottes eingesetzt ist in Macht (Röm 1,4) oder dass er gesetzt worden sei zur Rechten des Vaters. Der Vorgang der Erhöhung selbst liegt jenseits von Raum und Zeit. Die theologische Entfaltung will deutlich machen, was den Jüngern nach Ostern gewiss wurde: Christus lebt, Christus ist der Herr (51f).


 

2. Die Auferstehungsgeschichten und der christliche Glaube

Die Auferstehungsgeschichten 

E. Hirsch (2006):Jh 20 erzählt das Abgewälztfinden des Steins durch Maria von Magdala, das Leerfinden des Grabes durch den Lieblingsjünger und Petrus, die Erscheinung Jesu an Maria von Magdala als erste Erscheinung, die Erscheinung an die Jünger ohne Thomas am Ostersonntag abends bei verschlossener Tür in Jerusalem, die Erscheinung an die Jünger mit Thomas am Sonntag darauf abends bei verschlossener Tür in Jerusalem. Jh 21 fügt die Erscheinung an Petrus und sechs andere Jünger am galiläischen Meer hinzu. Bei der Erscheinung an Maria von Magdala ist ausdrücklich hervorgehoben, dass der Erscheinende aus dem Grab hervorgegangen, aber noch nicht zum Vater aufgefahren ist. Die Himmelfahrt ist nicht erzählt.

Die Nachrichten über Ort und Zeit der Himmelfahrt werden in der kirchlichen Osterlegende aus dem Anfang der Apostelgeschichte (Apg) ergänzt. Zusammen mit dieser Ergänzung hat das kirchliche JhEv den Grundriss der kirchlichen Vorstellung vom Ostergeschehen festgelegt (31f).

Die Geschichte von der Himmelfahrt Jesu vierzig Tage nach Ostern vom Ölberg aus ist keine alte Überlieferung. Sie ist in der Apg ein nachträglicher Einschub. Der Verfasser der Apg hat auch das Lukasevangelium (LkEv) geschrieben. Im LkEv lässt er Jesus noch am Ostersonntagabend in Betanien von den Jüngern Abschied nehmen. Er denkt sich Jesus nach den Erscheinungen weiter zu dem himmlischen Wohnsitz Gottes fahrend, ebenso wie das JhEv. Der zeitliche Rahmen ist so anders, dass für die ganze kirchliche Osterlegende kein Platz mehr ist (32).

Das JhEv ist mindestens in seinen Schlusskapiteln einer redaktionellen Erweiterung von späterer kirchlicher Hand unterworfen worden. Diese kirchliche Redaktion hat erstens das ganze 21.Kp. hinzugesetzt und zweitens in Kp.20 die Verse 20,2-11a eingeschoben. Nimmt man diese Zusätze fort, so ergibt sich, dass das ursprüngliche JhEv einem Typus der Osterlegende folgt, der nur Erscheinungen Jesu in Jerusalem kennt (33).

Der Bericht 1Kor 15 kennt die Vorstellung einer die Auferstehungserscheinungen abschließenden Himmelfahrt Jesu noch nicht. Paulus ordnet seine Damaskuserscheinung als den übrigen Erscheinungen gleich und ebenbürtig ein. Für ihn sind alle Erscheinungen Jesu Erscheinungen eines schon zu Gott in die himmlische Herrlichkeit Entrückten gewesen. Die Erscheinung eines bei Gott in der himmlischen Herrlichkeit Seienden geschieht nach allen Analogien im 'Gesicht', d.h. in einem enthusiastischen Zustand, dem sonst verborgene Wirklichkeit sich enthüllt. So hat er auch seine Damaskuserscheinung als der Geisterfahrung zugehörig beurteilt. Die offizielle kirchliche Osterlegende hingegen hat eine viel mehr irdische Vorstellung von dem Sehen des Herrn, demgemäß, dass ihr der auferstandene Herr eine noch nicht in die himmlische Herrlichkeit entrückte Gestalt ist (34).

 

Die Geschichte des ältesten Osterglaubens
 (1) Der Bericht 1Kor 15
 (2) Die geschichtlichen Bedingungen der Auferstehungsgeschichten
 (3) Der tiefere Gehalt des ersten Osterglaubens
 (4) Die Verwandlung des Osterglaubens
 (5) Die kirchliche Festlegung des Ostermythus
 (6) Ausblick

(1)Der Bericht 1Kor 15: „Christus ist gestorben für unsere Sünden nach der Schrift und ist begraben und ist auferstanden am dritten Tag nach der Schrift und ist erschienen zuerst (1) dem Kefas (=Petrus), dann (2) den Zwölfen, alsdann (3) mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, alsdann (4) erschienen dem Jakobus, dann (5) allen Aposteln“.

-- Die Erscheinung an Petrus und die an die Zwölf sind in Galiläa geschehen, wohin die Jünger nach dem Zusammenbruch ihres Glaubens am Karfreitag geflohen sind und ihr altes Handwerk wieder aufgenommen haben.

-- Es handelt sich bei diesen Erscheinungen um Gesichte, die in einem das gewöhnliche Bewusstsein überhöhenden Zustand, im Geist, geschaut werden. Petrus ist dies zuerst widerfahren. Er ist aus anderen Geschichten als visionär veranlagt bekannt.

-- Die Vorstellung, die dies Sehen des Herrn in den es Erfahrenden auslöste, ist die, dass Jesus nicht im Tod geblieben, sondern zu Gottes Thron entrückt ist und von dort aus zu den von ihm Erwählten kommt und sich kundmacht.

-- Alle Vorstellungen, die man aus den Auferstehungsgeschichten der Evangelien über das urchristliche Verständnis der Erscheinungen gewinnt, sind falsch. Die einzige an die Sache heranführende Analogie ist das Damaskuserlebnis des Paulus. Eine Beziehung auf das leere Grab ist nicht vorhanden (61).

Wenn Paulus seine Erscheinung als sechste und letzte der Reihe anfügt, so tut er es, um seine Stellung als Apostel zu begründen. Sein Damaskuserlebnis hat ihm dies beides zugleich bedeutet: Hinwendung zum Glauben an Jesus Christus und Berufung zum Heidenapostel (Gal 1,15f). Apostel sein und den Herrn gesehen haben sind ihm nahezu Wechselbegriffe (1Kor 9,1). Nach allgemeiner urchristlicher Anschauung ist es der Geist, der Jesus als den Herrn erkennen lässt (1Kor 12,3). Den Geist empfangen und an Jesus als den Herrn gläubig werden, das fällt so gut wie in eins (62).

Petrus, der Jünger, der Jesus am nächsten gestanden und sich am tiefsten von ihm geschieden hatte, gewinnt in Galiläa durch das Gesicht die Gewissheit: Jesus sei von Gott aus dem Tod zu seinem Thron entrückt und zum demnächst kommenden Herrn und Christus eingesetzt worden und sei nun zu ihm gekommen, um ihn wieder als Jünger anzunehmen und zum Verkündiger dieses ungeheuren Geschehnisses zu bestellen.

-- Er verkündigt diesen neu gewonnenen Glauben den andern in die galiläischen Verhältnisse Zurückgekehrten aus Jesu Gefolge und es begibt sich, dass er sie in sein Erlebnis hineinreißt: sie sehen gemeinsam den Herrn, so dass Unglaube und Zweifel überwunden werden und wissen sich nun als die Zwölf zu Sendboten Jesu als des kommenden Herrn und Christus bestellt.

-- Sie ziehen zusammen an den Ort, da der Christus nach jüdischer Überzeugung proklamiert werden muss, nach Jerusalem. Es kommt der Augenblick, wo trotz allem Widerstand der führenden jüdischen Kreise ihr Wort einschlägt: eine ganze Versammlung von fünfhundert Menschen wird in den Zustand der Verzückung im Geist hinein gerissen und schaut den Herrn als gegenwärtig in ihrer Mitte. Die erste Gemeinde ist da.

-- Jetzt greift der neue Glaube über auf Jakobus: er wird vom Geist ergriffen, schaut den Herrn und tritt als leitende Persönlichkeit neben die Zwölf.

-- Die Gemeinde, die sich so bildet, besteht zunächst in Jerusalem, die zugezogenen Galiläer in ihr haben die Führung. Ein ganzer Kreis von Männern schaut den Herrn und weiß sich zu Aposteln, d.h. Sendboten bestellt.

-- Wenn Paulus seine Christuserscheinung als sechste und letzte an diese Reihe anschließt, so stellt er damit die Entstehung der Heidenkirche als letztes und größtes Ereignis im Werden der Kirche Christi an den gebührenden Platz. Erst die Christuserscheinung des Paulus ist etwas anderes als ein Fortwirken des Erlebnisses des Petrus (63f).

 

(2) Die geschichtlichen Bedingungen der Auferstehungsgeschichten : Für die vom Judentum herkommenden Menschen gab es keine andere Möglichkeit, an Jesus zu glauben, als vermöge der Vorstellung, er sei der Kommende (von dem die Hoffnung der Frommen ihres Volks träumte), er sei durch den Tod zu Gott entrückt und werde nun in Kürze als der Herr erscheinen, um das Gericht an allem Unglauben zu vollziehen und das Reich Gottes zu offenbaren. Der älteste Osterglaube versteht sich als Kennen und Erfahren des im Kommen befindlichen Herrn. Die kurze Zeit zwischen Ostern und dem Kommen des Herrn ist ein Nichts. Dass aus diesem Augenblick die ganze Welt- und Kirchengeschichte werden würde, das hat dieser älteste Oster- und Endglaube nicht geahnt. An die Stelle des unbekannten Kommenden ist nun der von den Juden dem Tod preisgegebene und zu Gott entrückte Mensch Jesus getreten, der als der himmlische Herr kommen und das ewige Reich von Gott bringen wird. An die Stelle der jüdischen Volksgemeinde sind nun die von Gnade und Geist dieses Herrn Ergriffenen die Gemeinde Gottes. Der christliche Oster- und Endglaube ist eine Neubildung aus Elementen atl-jüdischer Weissagung und Hoffnung (68f).

Wer im damaligen Judentum als Prediger des nahen Gottesreichs mit solcher Klarheit und Kühnheit nicht allein den Autoritäten, sondern auch den Bestimmungen des heiligen mosaischen Gesetztes und der darauf gegründeten Art der Frömmigkeit entgegentritt, der besitzt ein tiefes Vollmachtsbewusstsein. Dass in Jesu Jüngern der Glaube sich entzündete, er sei der Kommende, durch den Gott sein Reich aufrichte, zeigt uns das von ihm selbst herausgeforderte Petrusbekenntnis (Mk 8,27ff). Er hat auf dieses Bekenntnis hin sie langsam in das Geheimis hineinblicken lassen, dass er der Menschensohn im Sinn der Endhoffnung sei, aber Gott einen ganz anderen Weg gehe mit dem Reich und dem Menschensohn, als es die Hoffnung der jüdischen Frommen erwartete: der Menschensohn werde sterben und in seinem Tod werde Gott einen neuen Bund aufrichten, der die Gotteserkenntnis und Gotteskindschaft an die Unfrommen und die Heiden gebe. Von diesem Augenblick an wurde Jesus von den Jüngern nicht mehr verstanden. Sie haben aber zweierlei im Gedächtnis behalten: Einmal, dass Jesus seinen eigenen Tod als von Gott dem Menschensohn bestimmten Rat ihnen in geheimnisschweren Worten geweissagt hat (Mk 8,31parr). Sodann, dass er ihnen in Verbindung mit dem Kommen des Gottesreichs die Zerstörung Jerusalems geweissagt hat (Mk 12,1-12parr;  13,2parr). Petrus hatte an Jesus als den kommenden König des Gottesreichs im atl-jüdischen Sinn geglaubt und sich dann beim Zusammenbruch dieses seines Glaubens von Jesus losgesagt. Dass sich ihm das Dennoch des Glaubens an Jesus gebar, das konnte ihm nichts anderes sein als ein ihm von Jesus nachträglich von Gottes Thron her gegebenes Verständnis eben der Worte und Weissagungen, für die sein Ohr einst stumpf gewesen war (70f).

Nach Paulus hat das urchristliche Lehrstück von Ostern die ausdrückliche Aussage enthalten, Jesus sei am dritten Tage auferstanden nach der Schrift (1Kor 15,4). Danach hat man die Vorstellung, dass Jesus am dritten Tag auferstanden sei, aus der Schrift des AT begründet (Hos 6,2). Nach Jona 2,1 ist Jona, der als Typus Christi gilt, drei Tage und drei Nächste im Bauch des Fisches gewesen. Es ist dies nicht der einzige Fall, dass der Weissagungsbeweis, den die erste Gemeinde für Jesus aus dem AT zu führen suchte, die Vorstellung vom tatsächlichen Hergang beeinflusst hat. Das berühmteste Beispiel ist, dass man der Prophetenstelle Mi 5,1 zuliebe die Geburt Jesu von Nazaret in Galiläa nach Bethlehem in Judäa verlegt hat (72f).

(3) Der tiefere Gehalt des ersten Osterglaubens : Indem Jesus Christus sich von Gottes Thron her gegenwärtig kundmacht und eine Gemeinde erwählt und schafft, die in und aus seinem Geist lebt und so der Ewigkeit zugehört, ist die Ewigkeit des Gottesreichs schon über die Zeit hereingebrochen und den Gliedern dieser Gemeinde die Gewissheit geschenkt, dass ihnen die Offenbarung und Vollendung des an ihnen verborgen wirklich Gewordenen unmittelbar bevorsteht. Die atl-jüdische Religion hat ihre Hoffnung auf ein Wunderreich gerichtet, das der kommende gottgesalbte König von Jerusalem her auf Erden gegen die anderen Weltreiche aufrichten wird. Demgegenüber scheidet der neue Oster- und Endglaube an Gottes Reich sich innerlich von jeder irdischen Erwartung und geht auf das, was in Wahrheit kein Auge schauen und kein Ohr vernehmen kann (74f).

In dem den Oster- und Endglauben entbindenden Sehen des Herrn wird das ewige Leben zum Leben des Menschen. Ewiges Leben wird geschenkt, man gibt oder erwirbt es sich nicht. Petrus und die Jünger kommen aus der atl-jüdischen Religion her, für deren Verständnis von Gottes Walten und Richten Jesus durch seine Ausstoßung aus dem jüdischen Bund und seinen Untergang am Kreuz ein von Gott Verurteilter, ein als gottlos Erwiesener war. Im urchristlichen Oster- und Endglauben wird das Gefühl der Abhängigkeit von Gott daran erlebt, dass der Mensch einen Herrn hat, der ihn mit seinem Geist belebt, bestimmt, regiert (76f).

Paulus steht als ein ganz in Christus Lebender, von ihm durch den Geist Geführter vor uns in seinen Briefen. Er hat diese Art seines persönlichen Lebens auf das Ostererlebnis zurückgeführt. Die Christuserscheinung vor Damaskus legt ihm Richtung und Ziel seines Wirkens fest, indem sie eine Herz und Sinn in sich hineinnehmende Kraft und Vollmacht des Herrn in ihm wirkt. Das Gesetz hat nicht die entscheidende Stelle als Kundmachung des Willens Gottes in der Frömmigkeit bei einer Gemeinde, die in unmittelbarer Gnadengewissheit lebt, die sich vom Herrn im Geist leiten lässt, die ihre Entscheidungen im Namen Jesu durch das Gebet sich schenken lässt. Das Ostergeschehen hat in den Jüngern und den Gliedern der ersten Gemeinde das wesentliche Moment aus Jesu Kampf gegen den Pharisäismus zum Durchbruch gebracht und ihnen die Geisterfahrung, die Gotteskindschaft, erschlossen, die das letzte Wort des Evangeliums ist. Jesus von Nazareth hat mit seinem Wort und seiner Geschichte seine Jünger durch den Tod hindurch überwunden. Er ist an ihnen als der durch den Tod Gegangene mächtiger gewesen als der atl-jüdische Glaube, der auf seine Weise ihn durch den Tod widerlegte (78f).

 

(4) Die Verwandlung des Osterglaubens:  Wir haben in den Paulusbriefen noch das Zeugnis dafür, dass man ursprünglich erwartete, die große Erscheinung des Herrn werde so schnell kommen, dass kein Gläubiger den Tod noch sehen werde. Es hat in den pln Gemeinden schwere Erschütterungen ausgelöst, als man im Hingang der Zeit das Sterben von Christen erlebte (1Thess 4,13ff; 1Kor 15,12ff). Wie unnatürlich das Sterben von Christen erschien, sehen wir auch an der Vorstellung, die sich gleichsam zum Ersatz für die enttäuschte Erwartung bildete: der Herr werde wenigstens erscheinen, ehe der letzte Zeuge der Anfangszeit der Gemeinde dahingegangen sei (Jh 21,23). Auch dies wurde durch den schlichten Gang der Dinge von selbst widerlegt. D.h. die ursprüngliche Einheit von Osterglauben und Endglauben wurde sehr schnell angefochten und endlich ganz zersprengt (80f).

Der für den Wandel des Osterglaubens entscheidende Punkt ist, dass sich neue Gedanken über das Verhältnis von Christ und Tod erzeugen mussten. 1Thess 4 und 1Kor 15 zeigen sowohl, dass diese Frage die Gemeinden in Ratlosigkeit versetzte, als auch, welche Antwort man fand. Ausgangspunkt war die pharisäische Lehre von einer allgemeinen Leibesauferstehung der Toten. Unter dem Einfluss dieser pharisäischen Lehre bildete sich nun die christliche Lehre von der Leibesauferstehung aus. Dabei war das Neue die Verknüpfung mit der Auferstehung Jesu. Grundaussage dieser Verknüpfung ist, dass Jesus durch die Auferstehung ein Erstling, ein Vorläufer und Bahnbrecher, der Christen geworden ist (81).

Paulus kennt nur eine Auferstehung derer, die in Christus gestorben sind, die andern bleiben tot. Er hat alles getan, um die Auferstehung der Christen gegen eine Wiederkehr in das irdische Leibesleben abzugrenzen und so den Charakter der christlichen Hoffnung als einer Ewigkeitshoffnung gegen den Einbruch jüdischer Gedanken zu wahren. Paulus dachte sich nicht nur Jesu, sondern auch unsere Auferstehung als Verklärung in die göttliche Herrlichkeit. Die Vorstellung von Lk und der kirchlichen Bearbeitung des JhEv, dass der auferstandene Jesus gegessen und getrunken habe, hätte er als lästerlich abgelehnt.

Die Verknüpfung des Ostergeschehens mit der Auferstehung des Christen bedeutet unweigerlich eine Schwerpunktverlagerung. Statt dessen, dass Jesus sich als der lebendige Herr kund macht, wird an Ostern dies wichtig, dass er aus dem Grab auferweckt worden ist. D.h. unter der Einwirkung des Glaubens an die Auferstehung des Christen wird der Osterglaube in schärfer betonter Weise als bisher Glaube an das Auferstandensein Christi. Ostern wird eine Tatsache von selbstständigem und eigenem Gewicht gegenüber dem Kommen Jesu am letzten Tage. Die Geschichte der christlichen Gemeinde hat mit ihrer Nötigung zu neuen Gedankenbildungen angefangen, die Einheit des ersten Oster- und Endglaubens zu zersetzen (82f).

1Kor 15,20-28: Der Mensch Jesus mit seinem Wort und seiner Geschichte geht Paulus deshalb an, weil Gott ihn zu dem lebendigen Herrn erhöht hat, der von ihm durch den Glauben Besitz ergreift und mit seinem Geist ihm das Leben ist. Man sollte erwarten, dass er einfach so argumentiert: ich weiß im Glauben, dass Jesus durch den Tod zum Leben gedrungen ist; denn er ist mir lebendig nahe und gegenwärtig. Statt dessen führt er einen Zeugenbeweis dafür, dass Jesus erschienen ist, mithin tatsächlich auferstanden ist und reiht seine eigene Christuserscheinung in diesen objektivierenden Beweis mit ein. Paulus brauchte das Auferstandensein Jesu als Unterlage seiner Predigt von der Auferstehung des Christen (83f).

Gesiegt hat in der Kirche nicht die pln Lehre von der Auferstehung der Christen, sondern die pharisäische Lehre von der allgemeinen Totenauferstehung. Die Heidenkirche wird in ihrer Hoffnung unter palästinischem Einfluss stärker von pharisäischen Ideen bestimmt als Paulus, dem bei der Hinwendung zum Glauben an Jesus sein jüdisches Denken zerbrochen worden ist (84f.)

Die Vorstellungen von der Auferstehung Jesu verändern sich und gleichen sich den Vorstellungen an, die man von der Totenauferstehung sonst hat. Das ist der entscheidende Faktor in der Umwandlung der Vorstellung von Jesu Auferstehung geworden. Dieser Faktor erklärt, dass man in den Erscheinungen Jesu nun Bekundungen nicht des zu Gottes Thron Erhöhten, sondern des aus dem Grabe Kommenden zu sehen begann und auch anfing, nach Zeugnissen für das Leersein des Grabes zu verlangen. Denn so, als Hervorgehen aus dem Grab zum Leben vor allen, war die eigene Auferstehung des Christen ja gedacht. Man begann, sich den Auferstandenen so leibhaft wie möglich vorzustellen und man dachte ihn sich auch essend und trinkend, denn nur so war an ihm die Auferstehung vollzogen, die man einst für sich selbst von Gott erwartete und erhoffte (85).

 

(5) Die kirchliche Festlegung des Ostermythus :  Der Gegensatz zur gnostischen Entstellung der christlichen Überlieferung legte den Ton erst recht auf die Leibhaftigkeit sowohl des den Jüngern erscheinenden Auferstandenen wie der Totenauferstehung. Kraft des Gegensatzes zur Gnosis bildete sich eine Gleichläufigkeit zwischen dem Glauben an eine wahrhaftige geschichtliche Menschheit Jesu und dem an Mythus und Legende von seinen Erscheinungen in dem wiederbelebten Leib auf dem Weg vom Grab zum Himmel; ebenso wie sich eine Gleichläufigkeit bildete zwischen der christlichen Anschauung von der uns die Ewigkeit erschließenden erlösenden Gnade und der Hoffnung auf eine Wiederbelebung der in die Gräber gelegten Leichen von Christen zu wahrhaftem Leibesleben am Jüngsten Tag. So wurde der mythische Realismus des kirchlichen Auferstehungsglaubens gleichsam zum antimythischen Schutzschild des Wirklichkeitsernstes im Glauben an den geschichtlichen Menschen Jesus und darüber hinaus im christlichen Erlösungsglauben überhaupt (89).

Erst im Kampf gegen die Gnosis hat sich in Ostermyhtus und –legende der Kirche die letzte Unterstreichung der handfesten Leibhaftigkeit der Auferstehungserscheinungen herausgebildet. Wenn in Lk 24,41-43 das Essen des Auferstandenen vor den Augen der Jünger und in Jh 21,25 sein Bedürfnis nach Speise betont wird, so ist da bewusste Kirchlichkeit am Werk, die wider gnostizierende Vorstellungen der Auferstehungserscheinungen zu Felde zieht (89f).

In den Anfängen der Gemeinde war, wie die Erscheinung an die Fünfhundert beweist, jedem Christen das Sehen des Herrn gegeben. Solange das Sehen des Herrn als letzte Steigerung und Höhe der Geisterfahrung galt und die Geisterfahrung echtes Erlebnis jedes Christen war, blieb auch ein Anteilhaben des einfachen Christen an der Ostererfahrung der Zeugen bestehen. Mit der Festlegung von Ostermythus und-legende durch die Kirche wird die Ostererfahrung etwas, das ganz allein den ersten Zeugen gehört. Christenglaube ist fortan insofern Glaube und nicht freie Erkenntnis, als sich zwischen ihn und die Erkenntnis Jesu Christi eine Autorität stellt, der er sich zu beugen hat, das kirchlich beglaubigte Wort der Apostel, wie es in den heiligen Schriften der Christen niedergelegt ist. Damit nimmt das Christentum Züge einer Buchreligion an und die Auferstehung Jesu aus dem Grab wird eine durch die heiligen Schriften der Christen beglaubigte wunderhafte Tatsache der Vergangenheit (90f).

 

(6) Ausblick : Mit der Reformation ist ein Einbruch in diesen Stand der Dinge geschehen. Gilt Luthers Aussage von der Vollmacht und Freiheit des Christenglaubens, dann kann kein Christ in dem, was den Glauben gründet, von fremder menschlicher Erfahrung abhängig sein. D.h. dann ist das Ostergeschehen nach dem, was daran seinem Wesen zufolge allein uns verschlossene Erfahrung und Gewissheit der ersten Zeugen sein kann, für den Glauben belanglos. Es gibt für uns eigene, (von Erfahrung und Gewissheit dieser Zeugen unabhängige) Wege zu dem Glauben an Jesus Christus, der uns Ewigkeit, Gnade und Freiheit im Geist erschließt. Wenn Luthers Aussage gilt, kann kein Christ an das kirchliche oder apostolische Zeugnis vom Ostergeschehen gebunden sein (92f).

Die Wahrheit des Glaubens an Jesus den Herrn

Soll uns Jesus der Herr sein, d.h. uns mit seinem Wort und seiner Geschichte, mit dem, was er als Mensch ist, das Gottesverhältnis bestimmen, dann muss er sich vollmächtig an unserem Herzen und Gewissen erweisen. Er ist nur insofern der Herr, als er einem Menschen sich als der Herr kund macht in persönlicher Geschichte. Einen anderen Ausweis als die Bewegung des Glaubens selber, die er mit dem Evangelium oder als das Evangelium im Herzen entzündet, gibt es nicht (97f).

Die Ewigkeitshoffnung empfängt ihren eigentlichen Gehalt für den Christen nicht aus irgendwelchen Bildern und Begriffen, sondern aus der Gewissheit der göttlichen Liebe, die das Evangelium im Herzen zu erwecken vermag. Der Schleier, der uns das ewige Geheimnis verhüllt, ist uns im christlichen Glauben insofern zerrissen als uns mit Jesus, mit seinem Wort und seiner Geschichte, ein menschliches Sein gezeigt ist, das dem ewigen Gott als der Liebe hingegeben ist, das alle Wirklichkeit aus den Händen Gottes als das zu empfangen vermag, darin sie ihm gehört und ihm gehörend wahrhaftig ist (102f).

Geöffnetsein für den Weg Jesu: Von Luther an hat man auf den Gegensatz hingewiesen, den der Papst als Herr seiner Kirche und gleichzeitig Prätendent auf die Weltherrschaft zu dem macht, dessen Stellvertreter zu sein er vorgibt, zu dem Jesus, der auf Erden ein schlichter armer Prediger war und wehrlos gegen seine jüdischen Todfeinde, gehorsam unter seinem himmlischen Vater, den Weg in den Tod ging. Der Papst beansprucht der Stellvertreter nicht des Erniedrigten sondern des zur Rechten Gottes Erhöhten zu sein, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist (Mt 28,18) und daher komme ihm selbstverständlich die Kirchenherrschaft und grundsätzlich auch die Weltherrschaft zu (111f).

Jesu Wort und Glaube zeigt, dass ihm Gottes Gnade und Ehre frei von aller gesetzlichen Satzung sind, grundlos und überschwänglich sich ausschenkend, ohne Unterschiede zu kennen und zu machen. Gottes Gnade wird nicht erkannt an dem sichtbaren Erweis (wo Unglück, Untergang, Tod den Menschen treffen, da ist Strafe und Zorn). In Jesu Hingegebensein an den Vater ist diese Unmittelbarkeit völlig zerbrochen. Er bleibt auch im Gang zum Kreuz, auch im Angefochtensein und Verlassensein des Sterbens, das unmittelbar nichts als Untergang ist, der vom Vater Geführte und Gehaltene. Dadurch wird das Gottesverhältnis herausgenommen aus aller irdischen Kundbarkeit, es hat seine Wahrheit in der verborgenen Ewigkeit. Dadurch überwindet es auch Anfechtung und Tod, denn alles Widerfahrnis ist solchem Glauben eine Stätte, da verborgene Ewigkeit mit lebensgewährender Hoheit den Menschen begnadet (115f).

Kann uns Jesus nur dann der Träger der göttlichen Wahrheit sein, wenn er als Regent einer Gottes Wort und Willen verwaltenden geschichtlichen Gemeinschaft einen greifbaren Machtbereich hat, dann wollen wir einen Jesus, der auf atl-jüdische Weise als Herr von Gott bestätigt ist. Dies Unmögliche sucht die Kirche des zu Ostern siegreich über seine Feinde triumphierenden Christus zu bieten und fällt damit vom Glauben an Jesus den Herrn in einen christlich überdeckten jüdischen Messianismus zurück (116f).

Gottes wahre Wunder ehren: Anders als mit Ostermythus und –legende der Kirche steht es mit dem ersten Oster- und Endglauben, so wie er in dem ursprünglichen Erlebnis des Petrus und des Paulus für uns sichtbar wird. Wir haben ihn als Durchbruchsgestalt eines Glaubens an Gottes Liebe verstehen müssen. Jesu Lebendigsein bei Gott und sein Sichbezeugen an Herz und Gewissen derer, zu denen er mit der Geisterfahrung kommt, sind ganz in das Element des unfasslichen Geheimnisses getaucht. Es ist vor der Vernunft und den Sinnen verborgen, dass er lebendig und dass er der Herr ist: nur indem Jesus über einen Menschen die Macht bekommt, ihm das Gottesverhältnis im Glauben zu bestimmen, wird das Wunder dem Menschen Wahrheit. Das ging verloren dadurch, dass aus dem Sehen im Geist ein gewöhnliches Sehen, aus dem erscheinenden Herrn eine wiederbelebte Leiche ward und die Legende vom leeren Grab alles ins Tatsächliche zog. Die Geburt des Glaubens an Jesus riss Petrus, Paulus und ebenso die, die ihren Weg des Glaubens teilten, heraus aus dem Boden der atl-jüdischen Religionsgemeinschaft, d.h. es zerbrach ihnen das, was ihnen Frömmigkeit und Gottesdienst gewesen war. Sie sind mit den Maßstäben und Autoritäten des frommen Judentums in Widerstreit geraten (119f).


 

3. Das 'O S T E R N' des Paulus: sein Zum - Glauben - an - Jesus - Kommen

E. Biser (1984)

Die älteste Ostergeschichte: Paulus Damaskuserlebnis : Paulus versichert, dass er nur das überliefere, was er selbst empfangen habe: (3) Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift, (4) dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag nach der Schrift.

(5) „Und er ist dem Kephas erschienen, dann den Zwölfen. (6) Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal...(7) Danach ist er dem Jakobus erschienen, dann allen Aposteln. (8) Zuletzt erschien er mir, gleichsam einer Fehlgeburt“ (1Kor 15,3-8).

In diesem Katalog öffnet sich eine Tür zu Zeugnissen, die den Berichten der Evangelien vorausliegen und denen sich zuletzt auch Paulus selber noch anreiht. Das Zeugnis besteht jeweils in dem Protokollsatz: Er ist (ihm) erschienen“, der nach Paulus auch lauten könnte: „Ich habe den Herrn gesehen“. Die Osterberichte vermitteln kein ausführliches Bild von dem, was der Katalog in protokollarischer Kürze zusammenfasst. Den klassischen Beleg dafür bietet die vom JohEv an erster Stelle aufgeführte Erscheinung vor Maria von Magdala. Bestürzt über den Anblick des offenen Grabes sucht sie weinend in seiner Umgebung nach dem Verbleib des Leichnams Jesu. Schließlich bittet sie einen Fremden, den sie für den Gärtner hält, um Auskunft. Da ruft sie der vermeintliche Gärtner beim Namen: „Maria“! Der Anruf genügt, um ihr zum Durchbruch in die volle Ostergewissheit zu verhelfen. Sie erkennt den Auferstandenen, fällt ihm zu Füßen und vernimmt sein Wort: „Halte mich nicht fest...Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,16f) (62f).

Maria von Magdala entledigt sich ihres Auftrags auf eine unerwartete Weise. Anstatt in dramatischer Ausführlichkeit von der ihr widerfahrenen ‚Geschichte‘ zu berichten, fasst sie ihre Ostererfahrung in den einen Satz zusammen: „Ich habe den Herrn gesehen“ (Joh 20,18). Damit führt sich die Geschichte selbst auf den Protokollsatz zurück, in den der Katalog des 1Kor die von ihm aufgeführten Osterzeugnisse zusammenfasst. Das gilt für sämtliche Ostererzählungen der Evangelien. Ihrem Selbstverständnis nach wollen sie keine Berichte über Ereignisse im Zusammenhang mit der Auferstehung Jesu sein, sondern bildhaft-suggestive Umschreibungen dessen, was mit dem grundlegenden Protokollsatz gesagt ist: „Ich habe den Herrn gesehen“ (64).

Der ‚letzte‘ Osterzeuge: Paulus versichert: „Zuletzt erschien er mir, gleichsam einer Fehlgeburt. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, nicht wert, Apostel zu heißen, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe“ (1Kor 15,8f) (64).

Wenn Paulus für sich auch zunächst nur denselben Protokollsatz verwendet, bringt er ihn doch auf eine neue Weise zur Sprache, indem er sein ganzes Geschick damit verknüpft. Er begnügt sich nicht damit, sein Zeugnis ‚zu erstatten‘, vielmehr ist er in ihm mit seiner ganzen Existenz präsent. Zwar gründen auch alle anderen Osterzeugnisse auf persönlicher Erfahrung, doch gibt nur Paulus darüber auch Auskunft. Seine Briefe eröffnen die Chance, ihn nach Inhalt und Bedeutung des Erlebten zu befragen. Paulus antwortet auf die Frage nach seinem Auferstehungszeugnis mit seinem ‚Damaskuserlebnis‘. 

Soviel der Apg an dieser Szene gelegen ist, beschreibt sie die von Paulus erlebte Lichtvision doch so, dass sie nicht als Ostererscheinung gelten kann. Aber gerade darauf legt der Apostel alles Gewicht. Man kann sogar sagen, dass die Apg durch ihre dreimalige Beschreibung der Damaskusvision Paulus bewusst aus dem Kreis der Osterzeugen und damit als Apostel ausschließt, um ihn dafür umso kräftiger zum großen Heidenmissionar zu stilisieren. Bei aller Würdigung setzt sie sich damit in Widerspruch zu seinem innersten Selbstverständnis. Hier zeigt sich, wie es von den Protokollsätzen, die der Katalog des 1Kor aufführt, zu den bildhaft-dramatischen Ostergeschichten der Evangelien kommen konnte: Sie haben als das Werk nachträglicher Ausgestaltung zu gelten. Von den Zeugen hatte die Gemeinde lediglich das Bekenntnis: „Ich habe den Herrn gesehen“ erhalten. Das war ihr Grund und Stoff genug, daraus ihre dramatischen Ostergeschichten zu entwickeln (65-67).

Das zugesprochene Geheimnis: Was Paulus am Schluss seines Zeugniskatalogs in den Satz zusammenfasst: „Zuletzt erschien er mir“ (1Kor 15,8), fächert er zuvor in drei Fragen auf: „Bin ich nicht frei? Bin ich nicht Apostel? Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen“ (1Kor 9,1)? 2Kor 4,6: „Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi“. Phil 3,12: „Nicht, dass ich‘s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich‘s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin“. 

Seine Berufung zum Heidenapostel begründet Paulus mit den Worten: „Da gefiel es Gott in seiner Güte, seinen Sohn in mir zu offenbaren (Gal 1,16). Es ist nicht von einem äußeren Vorgang die Rede, aber von einem Geschehen innerer Art: dass Gott es im Herzen des Apostels „tagen ließ“, dass er „von Jesus Christus ergriffen“ und dass ihm das Geheimnis des Gottessohnes „geoffenbart wurde“. Das sind Worte, die von einer Lebenswende sprechen (68f).

Paulus kennt den Zwiespalt des Herzens und die Maßlosigkeit eines Willens, der sich einem falschen Ziel – in seinem Fall: der Verfolgung der Christen – verschrieb. Deshalb geht es wie ein Aufatmen durch seine Worte, wenn er von der Stunde spricht, in der ihm mit dem Geheimnis des Gottessohnes der Kristallisationskern der Selbstfindung ins Herz gesenkt wurde. In dieser Dimension heißt ‚finden‘ soviel wie ‚aufbrechen zu neuer Suche‘, während umgekehrt ‚suchen‘, soviel wie ‚heimgesucht werden‘ besagt. Phil 3,12: „Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder bereits vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, wie ich von Christus Jesus ergriffen worden bin“. Dass Paulus durch diese Geschichte mit sich selbst ‚geschichtsfähig‘ wird, tritt zutage, wenn dieser von mancherlei Leiden geplagte Mann darangeht, das römische Reich für den zu erobern, von dem er sich in Beschlag genommen weiß (69f).

Mystische Selbstaneignung: Gal 2,19f: „Ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat“.

Dass Paulus das Geheimnis des Gottessohnes ins Herz gesprochen wurde, war die ‚Gottestat‘, die ihm widerfuhr. Die andere Seite besteht in einem Akt mystischer Selbstaneignung, die dadurch möglich wird, dass Paulus den Sinn seines Selbstseins in dem entdeckt und findet, von dem er sich bis zur Hingabe seiner selbst geliebt weiß. Was ihm zur Identität verhilft, ist ein Herzenstausch, durch den er dem für immer angehört, der sich ihm zuwendet und schenkt. Es ist die Nachricht von der Geburt der christlichen Innerlichkeit. Man könnte sagen, Christus sei für Paulus in die Innerlichkeit des von ihm ergriffenen Herzens auferstanden. Für Paulus ist die Auferstehung Christi das Ereignis, an dem sich die Menschheitsgeschichte entscheidet. Doch weiß er zugleich, dass mit dieser ‚gegenständlichen‘ Sicht des Ereignisse nichts gewonnen wäre, wenn damit nicht auch die Geschichte des Menschen mit sich selbst entschieden würde. Diese ist für Paulus der primäre Ort der Auferstehung. Denn diese Geschichte könnte nicht zugunsten der menschlichen Identität entschieden werden, wenn nicht der Auferstandene auf den Plan träte und sie durch sich zur Entscheidung brächte. Das aber geschieht immer dann, wenn ein Mensch (wie Paulus) sein Ich in ihm finden und aussprechen lernt: Nicht mehr ich sondern er in mir (71f).

Die Paulusbriefe gehen den Evangelien weit voran; sie bilden den Grundstock der ntl Schriften. Paulus erzählt eine Geschichte von großer Dramatik, denn sie betrifft die Neuorientierung seines Daseins insgesamt. Dazu kam es, weil der Auferstandene in seine Lebensgeschichte eintrat, weil ihm sein Geheimnis ins Herz gesprochen und damit die entscheidende Hilfe zur Selbstwerdung gegeben wurde. Um die ‚älteste‘ Ostergeschichte handelt es sich dabei auch in dem Sinn, dass keine von allen tiefer als sie in den menschlichen Lebensvollzug eindringt. Durch sie wird mit dem Menschsein des Apostels ein neuer Anfang gemacht (73f).


 

Widerspiegelung im Glauben: Was Paulus beschreibt, ist kein vergangenes Ereignis, sondern ein unabgeschlossener, offener Vorgang. Wenn der Glaube zustande kommt, spiegelt sich in ihm das, was dem Apostel in seiner Berufungsstunde widerfuhr. Das Menschenherz gewinnt eine neue Beziehungsmitte, in der es sich festmacht und vor Anker gehen kann. Ein anderer nimmt von ihm Besitz, doch so, dass das Gegenteil von Selbstentfremdung geschieht. Denn in ihm lernt es sich verstehen und sich selbst bejahen. Durch ihn erfährt es Bestätigung, Gewissheit und Festigkeit. So gilt für den Glaubenden: Christus ist in den Glauben auferstanden (74f).

In der Zusammenschau von Heils- und Endgeschehen (1Kor 15,16ff.20) bleibt die ‚innere Auferstehung‘, die sich im Herzen des Glaubenden ereignet, unausgesprochen. Was ein für allemal geschah (Apg 2,24), will und muss sich immerfort in denen erneuern, die auf Jesus Christus ihre Hoffnung setzen (76f).

 

4. Auferstehung Jesu und historisch-kritische Methode: Der Historiker muss davon ausgehen, dass es sich um subjektive Phänome gehandelt hat 

(1) Die visionär vermittelte Erkenntnis der eschatologischen Auferstehung Jesu
 (2) Die Erhöhung Jesu als besonderer Aspekt des Osterglaubens
 (3) Anmerkungen zur Psychologie der Visionen

 U.B.Müller (1998)

(1) Die visionär vermittelte Erkenntnis der eschatologischen Auferstehung Jesu

Im Blick auf den Situationshintergrund der Jünger eröffnet sich die Möglichkeit, Ostern als denkwürdigen Ausgang einer Krisenerfahrung zu begreifen. Als solche setzt Jesu Tod gleichzeitig jenes vorangehende Neuheitserlebnis voraus, jenen Überschuss an Heilsgewinn, den die Verkündigung der Gottesherrschaft in Taten und Worten mit sich brachte. Wenn Jesus sein punktuelles Wirken in einzelnen Dämonenaustreibungen als Bestandteil der eschatologischen Herrschaftsdurchsetzung Gottes verständlich zu machen suchte, so agierte er nicht nur als Prophet oder Bote der Gottesherrschaft, sondern als ihr eschatologischer Repräsentant, der sein Handeln unmittelbar mit ihr verband (Lk 11,20). Es ging um den eschatologischen Einbruch der Gottesherrschaft als Macht in die Unheilswirklichkeit Israels, was sich in den Exorzismen und Tischgemeinschaften als Befreiungserfahrung real vollzog (Jes 52,7), was spätere Prophetie auf ihre Weise konkretisierte (Jes 24,23; 25,6-8; 35,5f; 61,1) und Apokalyptik in visionärer Schau vorwegnahm (AssMos 10,1ff). Hier war ‚mehr als Salomo‘, ‚mehr als Jona‘ (Lk 11,31f par) – hier geschah alles das, was vergangene Generationen Israels nur zu hoffen wagten (Lk 10,23f par). Dieser Überschusscharakter in Jesu Verkündigung und Auftreten prägte auch die Vollendungsankündigungen (Lk 12,49f; 13,31f), die in verhüllter Form Jesu Tod implizieren, dennoch aber von der Gewissheit über die Macht des Gottes durchdrungen sind, der die Teilnahme des irdischen Repräsentanten der Gottesherrschaft am Freudenmahl der Heilszeit garantiert (Mk 14,25) (67).

Das schreckliche Ende des Todes Jesu am Kreuz drohte alles zunichte zu machen. Wenn dennoch in den Ostererfahrungen eine erfolgreiche Bewältigungsstrategie dieses Konfliktes sichtbar wird, so mag dies, psychodynamisch betrachtet, seine Analogie im Trauerprozess haben, der zunächst insofern missglückt scheint, als es nicht zur Ablösung der Jünger von dem getöteten Jesus kommt, der aber gerade darin überraschend kreativ endet, dass die Schau des ‚Auferstandenen‘ eine Bewusstseinserweiterung darstellt, die neue Horizonte geschichtlichen Wirkens erschließt. Diese Verarbeitung der Krisenerfahrung des Todes Jesu artikuliert sich im Medium visionärer Kommunikationen. In ihnen verdichtet sich jener Reflexionsprozess, der mit dem Negativerlebnis des Todes Jesu einsetzen musste, der etwa in der Emmausgeschichte eine legendarische Darstellung gefunden hat: Jesu Jünger reden miteinander und suchen den Sinn des scheinbar ganz unbegreiflichen Geschehens zu ergründen, aber sie sind weit davon entfernt, das scheinbare Ende Jesu und ihrer Hoffnungen als Gegebenheiten hinzunehmen. Man wird bei den Jüngern Jesu mit einem erheblichen Ausmaß an Denkbemühungen zu rechnen haben. Nicht erst der aufgrund von Ostern rasant in Gang gekommene theologische und christologische Reflexionsprozess spielt hier eine wesentliche Rolle; dieser setzt vielmehr ein vorgängiges Nachdenken voraus, das in den visionären Akten der Ostererscheinungen nur einen vorläufigen Abschluss gefunden hat. Visionen wie Erscheinungen rezipieren und mutieren Traditionen als vorgegebene Deutungsmuster. Dies gilt spätestens für das Osterbekenntnis „er ist dem Kephas erschienen“, wenn hier auch der Gebrauch der atl Theophanieformel schon ein fortgeschrittenes Stadium der Reflexion indiziert, weil Jesus bereits ‚zu gottgleicher Aktionsmacht‘ erhöht erscheint (67f).

Menschen sind damit beschäftigt, durch Interpretationen ihre Erlebnisse, Wünsche und Konflikte in eine ‚gedeutete Welt‘ zu integrieren. Träume begegnen als Fortsetzung dieser Interpretationsarbeit, ebenso auch Visionen. Die Erfahrung des Kreuzestodes Jesu wird den Jüngern ‚die Sprache verschlagen‘ haben. Dass nach Mk keiner der Jünger bei der Kreuzigung dabei war, spricht für sich. Historische Analyse vermag bestimmte Dimensionen des Osterglaubens zu erfassen, am ehesten wohl jene traditionellen Deutungssysteme zu bestimmen, die beim Zustandekommen der als Visionen zu verstehenden Ostererscheinungen mitbeteiligt waren (68f).

Grundlegend war die Neuheitserfahrung des Reiches Gottes, die die Jünger in und mit dem Wirken Jesu von Nazareth gemacht haben. Von fundamentaler Bedeutung war jener alle Negativität überwältigende Überschuss an Heilsgewinn, der in Jesu Worten und Taten zum Ausdruck kam, insofern in ihnen Gottes eschatologischer Herrschaftsantritt Gestalt annahm, so sehr angesichts aller Widerstände und Zweideutigkeiten dieser Unheilswelt das Reich Gottes der Vollendung erst noch entgegen ging. Jesus war trotz der Gefahr seines gewaltsamen Todes der Vollendung der Gottesherrschaft gewiss (Mk 14,25) (69f).

Jesu Jünger haben ihre visionären Erfahrungen sprachlich mit der Deutungskategorie „Gott hat ihn/Jesus von den Toten auferweckt“ versehen. Die Individualisierung der Auferstehungshoffnung war im Märtyrergedanken vorgeprägt. Den Jüngern konnte sich die Assoziation aufdrängen, dass Jesus den Märtyrertod gestorben und deshalb der himmlischen Auferstehung teilhaftig geworden ist. Davon nicht zu trennen ist die Interpretation mit Hilfe jener jüdischen Vorstellung, Jesus sei als leidender Gerechter getötet worden, aber durch Gott in himmlische Wirklichkeit entrückt und damit rehabilitiert. Beide Deutungsmuster sind in jüdischen Texten vermischt worden. Der Märtyrer stirbt nur ‚als modellhafter Repräsentant der Gottesverehrung Israels‘. Die eigentlich bedeutsame Implikation der Ostererfahrungen und damit die entscheidende Reduktion kognitiver Dissonanz lag in dem Vermögen der Jünger, Jesu originäre Leistung, sein eigenes punktuelles Wirken als Bestandteil der eschatologischen Durchsetzung der Gottesherrschaft zu begreifen und im Blick auf die Krisenerfahrung des Todes Jesu ganz neu zu aktivieren. Sie haben Jesu Todesgeschick als eschatologisches Ereignis gesehen, nämlich als eschatologische Totenauferstehung, die eine Abfolge weiterer Endereignisse nach sich ziehen würde. D.h. die eschatologische Durchsetzung der Herrschaft Gottes ist durch Jesu Tod nicht tangiert, Jesus als Repräsentant der Gottesherrschaft (Lk 11,20) würde beim Freudenmahl der Heilszeit selbst daran teilnehmen (Mk 14,25). In den Sog dieser Endereignisse gehört auch aufgrund der Erscheinungen in Galiläa die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem. Infolge der Zentrierung der Endereignisse auf die Heilige Stadt und den Zion musste man den Fortgang derselben in Jerusalem erwarten. Man erhoffte die Parusie des Herrn und erlebte stattdessen die endzeitliche Ausgießung des Geistes Gottes – Pfingsten als Erfüllung von Joel 3,1-5 (70f).

 

(2) Die Erhöhung Jesu als besonderer Aspekt des Osterglaubens : Zwischen den Erscheinungen vor Petrus und den Zwölfen wird man inhaltlich kaum unterscheiden dürfen, da davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Visionen im Prinzip derselbe ist: Jesus als der von den Toten Auferweckte und Erhöhte (72).

Im Gegensatz zu der Vorstellung, dass ausgezeichnete Gerechte, Märtyrer oder die Frommen sich zur Rechten Gottes aufhalten, bedeutet die Erhöhung des Gekreuzigten eine einzigartige Auszeichnung. Die älteste Osterdeutung dürfte sich auf eine theologische Aussage beschränkt haben: Gott hat Jesus, den Repräsentanten der Gottesherrschaft, von den Toten auferweckt und damit seine Botschaft neu legitimiert. Diese eschatologisch verstandene Totenauferweckung impliziert auch den Anbruch der Endereignisse und die Teilnahme des auferweckten Jesus am eschatologischen Heilsmahl (Mk 14,25). (Ps 110 und Ps 2 setzen bereits eine entfaltete Christologie voraus). Nur unter der Voraussetzung, dass der Auferweckte als im Himmel befindliche und mit gottgleicher Aktionsmacht ausgestattete Größe vorgestellt ist, konnte man auf die Idee kommen, das „er ließ sich sehen“ der Gotteserscheinungen vom auferweckten Jesus auszusagen. Dies sichert die Annahme, dass die Glaubensformel 1Kor 15,3-5 den Erhöhungsgedanken einschließt, aber noch nicht, dass die ersten Ostererfahrungen der Jünger bereits die Überzeugung beinhalteten, dass sich Jesus ‚im Besitz gottesgleicher Aktionsfähigkeit vom Himmel her‘ zu sehen gegeben habe (72f).

Schon die Tatsache, dass Jesus den Jüngern als ‚Lebender‘, d.h. für sie als ‚Auferweckter‘ visionär erscheint, kennzeichnet seinen gegenwärtigen Zustand. Er ist für sie in einer Position , die eine Kommunikation mit ihnen ermöglicht, sodass er auf sie hin wirksam ist. Anhand von Lk 11,20 wird deutlich, dass Jesus mit dem Anspruch auftrat, eschatologischer Repräsentant der Gottesherrschaft zu sein, insofern in seinen eigenen Exorzismen die Herrschaft Gottes auf Erden anbrach. Er ist heilsmittlerischer Prophet: Sein Wirken ist Bestandteil der Durchsetzung des Reiches Gottes. Ergänzend gilt auch, dass Jesus das eschatologische Geschick der Menschen von der Stellungnahme zu sich und seiner Botschaft abhängig machte. Blickt man auf Lk 11,31f, so wird deutlich, dass Jesus nicht nur die Relevanz seines Auftretens über den Anspruch des Jona oder Salomos stellte, sondern auch die Verurteilung ‚dieses Geschlechts‘ im endzeitlichen Gericht von der Stellungnahme zu sich und seiner Botschaft abhängig machte. Lk 11,23: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“. Für die Jünger Jesu dürfte die Würdestellung Jesu beim zukünftigen Mahl (Mk 14,25) der vollendeten Gottesherrschaft bedeutungsvoller gewesen sein als die der verehrten Erzväter oder sonstiger Gestalten der Geschichte Israels, die ebenfalls anwesend sein sollten (Mt 8,11f) (73f).

(3) Anmerkungen zur Psychologie der Visionen: W. Zager (1999): Die Deutung der Erscheinungen Jesu als subjektive Visionen, als visuelle Halluzinationen, wird bestätigt durch die neuere Halluzinationsforschung. Bei Halluzinationen wird … immer etwas gesehen, gehört, gesprochen, geschmeckt, am Leib verspürt, was nicht da ist. Das ‚nicht da‘ ist objektiv, vom Beobachter aus festgestellt, nicht vom Erlebenden. Stresssituationen bzw. kritische Lebensereignisse spielen bei Halluzinationen eine bedeutende Rolle. Eine Untersuchung 1983 beziffert die Rate visueller und akustischer Halluzinationen im Rahmen von Trauerreaktionen von Geschwistern und Eltern über den Tod verstorbener Kinder mit ca. 50%. Die Situation der Jünger war nach Jesu Kreuzestod durch eine Reihe von Halluzinationen begünstigenden Stressfaktoren bestimmt. Dabei kann der von Jesus in den Jüngern geweckten Hoffnung auf die Vollendung der endzeitlichen Gottesherrschaft (die nach Jesu Urteil mit seinem Auftreten bereits begonnen habe), sich durchzusetzen, eine suggestive, die Entstehung von Halluzinationen fördernde Wirkung zugeschrieben werden (81f).

Religionsgeschichtliche Parallelen zu den Ostertexten: Erscheinungen von Verstorbenen werden sowohl in der heidnischen Antike als auch im biblischen und frühjüdischen Überlieferungsbereich berichtet. Erscheinungen des Mose in der Verklärungsgeschichte der synoptischen Evangelien oder die Vision der nach ihrem gewaltsamen Ende in den Himmel aufgenommenen Kinder Hiobs im Testament Hiobs. Zwei Erscheinungen von hingerichteten Männern aus der Kirchengeschichte sind uns bekannt: Thomas Becket und Hieronymus Savonarola (82f).

Ertrag und Ausblick

Die historisch-kritische Analyse der ntl Ostertexte ergab, dass die Geschichten vom leeren Grab und von den Erscheinungen des Auferstandenen späte Gemeindebildungen sind. Da Paulus sein Damaskuserlebnis mit den Erfahrungen der übrigen Osterzeugen auf eine Stufe stellt, müssen sämtliche Erscheinungen Jesu als Visionen beurteilt werden. Tiefenpsychologische Exegese, Halluzinationsforschung sowie die angeführten religionsgeschichtlichen Parallelen legen es nahe, von subjektiven Visionen zu sprechen (86f).


 

5. Auferweckung und Erhöhung meinen im Urchristentum dasselbe Ereignis

(1) Die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus
 
(2) Transzendentale Entwürfe – Versetzung des Verstorbenen in den Himmel

Anhang: Der Tod Jesu und das Sterben des Menschen

(3) Zu den Elia-Motiven des Lukas
 (4) Himmelfahrt und Erhöhung im NT außerhalb der lkn Schriften


Zusammengehörigkeit von Auferweckung und Erhöhung 


 

G. Friedrich: Erhöhungsaussagen im Johannesevangelium (3,14;  8,28;  12,32.34), im Hebräerbrief (1,3.13;  2,7-9;  8,1;  10,12;  12,2), Phil 2,9f und 1Tim 3,16 (180).

Im JhEv, wo am meisten von der Erhöhung Jesu gesprochen wird, kann sie auch als seine Verherrlichung bezeichnet werden (7,39;  12,16.23) und das Wort Jesu: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“ (12,32) zeigt etwas von der Macht, die er als der Erhöhte hat. Aber in der Mehrzahl der Stellen ist sie, wie die parallelen Verben anabaino (3,13;  6,62;  20,17), poreuomai (7,35;  14,2f.12.28;  16,7.28) und hypago (7,33;  8,14.21f;  13,3.33.36;  14,4f.28;  16,5.10.16f) zeigen, die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz, das Gehen zum Vater, die Rückkehr in die himmlische Welt. Nicht Psalm 110,1 erzeugte die Erhöhungsvorstellung, sondern die bereits bestehende Theologie wurde durch das Psalmwort untermauert. Weder im JhEv noch an Stellen wie Röm 1,3f; Phil 2,9f oder 1Tim 3,16 wird auf den Psalm angespielt. Auferweckung und Erhöhung gehören im NT ursprünglich zusammen (181).

In der ältesten Tradition fallen oft Erweckung und Erhöhung zusammen. Das zeigt Röm 1,4 wo die Erhöhung Jesu zum Gottessohn durch die Totenauferweckung erfolgt ist: „Eingesetzt zum Sohn Gottes nach dem Geist der Heiligkeit durch die Totenauferstehung“. Die Verbindung von Auferweckung und Erhöhung ist von Anbeginn an da. Wichtig ist auch Röm 10,9, wo in der Homologie vom Kyrios gesprochen wird, was seine Erhöhung voraussetzt und im Credo von seiner Auferweckung von den Toten. Paulus spricht in Röm 14, 9 und 8,34 von dem Auferweckten, der zur Rechten Gottes ist. Nach Röm 14, 9 hat die Auferweckung Jesu direkt das Ziel der Erhöhung: „Darum ist Christus gestorben und lebendiggemacht, dass er über Tote und Lebende Herr sei“. Auch in 1Kor 15,23ff schließt die Auferweckung Jesu seine Inthronisation ein; denn der Auferstandene hat die Herrschaft erhalten. Der Auferweckte ist für Paulus immer der Erhöhte und Verherrlichte.Auferweckung und Erhöhung sind nicht zwei getrennte Akte, sondern Christus ist vom Kreuz aus zur Rechten Gottes erhoben, wie er nach Lk 23,43 dem Schächer am Kreuz verheißen hat: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (182f).

Die Zusammengehörigkeit von Auferweckung und Erhöhung zeigt sich auch in Eph 1,20f: Gott „war in Christus am Werk, als er ihn von den Toten auferweckte und ihn zur Rechten in den Himmel setzte über alle Gewalt, Hoheit, Macht und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht nur in diesem Äon, sondern auch in dem zukünftigen; und alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn als Haupt über alles der Kirche gegeben“. Wie der auferweckte Christus Röm 14,9 Herr über Lebende und Tote ist, so ist er Eph 1,22f Herr über den Kosmos und die Kirche. In 1Ptr 3,18ff heißt es „Christus ... wurde lebendig gemacht nach dem Geist …, der zum Himmel aufgefahren ist, zur Rechten Gottes thront, nachdem die Engel, Gewalten und Mächte ihm untertan geworden sind“. 

Auch Mt 28,18 sind Auferstehung und Inthronisation verbunden, wenn der Auferstandene sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“. Während ursprünglich Auferstehung und Erhöhung ein Akt gewesen sind und man zwischen Auferweckung und Erhöhung Jesu keinen Unterschied gemacht hat, sondern der auferstandene Christus der Erhöhte und der Erhöhte stets der Auferstandene gewesen ist, hat man in einer späteren Phase der Entwicklung die Himmelfahrtsgeschichte zum Abschluss der Periode der Erscheinungen des Auferstandenen gemacht, die den Eindruck erweckt, dass die Erhöhung nun ein zweites Ereignis nach der Auferstehung ist. Wenn Jesus der erhöhte Heilbringer gewesen ist, dann mussten bereits bei dem irdischen Jesus die Voraussetzungen für seine Erhöhung gegeben sein. Insofern hat die Erhöhung eine logische Priorität vor der Auferweckung (183f).


 

 

G.Bertram

(1) Die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus : Der ursprüngliche Glaube an den erhöhten Herrn

Die Auferstehungsberichte des NT sind Legenden: Unsere evangelische Überlieferung wie auch das gesamte NT stammt aus der christlichen Gemeinde, die an den erhöhten Christus, der zur Rechten Gottes sitzt, glaubt (187).

Wenn die Botschaft Jesu und der Glaube der ältesten Gemeinde eschatologisch bestimmt war, so musste er im Gegensatz zu der irdischen Erscheinung Jesu in menschlicher Schwachheit, zu der Tatsache seines Todes sich auf seine Einsetzung als Messias in Herrlichkeit richten (193).

Paulus sehnt sich (2Kor 5,2) nach der Bekleidung mit dem himmlischen Leib (Phil 1,23): „Ich sehne mich abzuscheiden und bei Christus zu sein“. An dieser Stelle tritt die individuelle Eschatologie an die Stelle der kollektiven. Aus Phil 3,21 geht hervor, dass diese Auffassung innerlich verbunden ist mit dem ursprünglichen Glauben an den erhöhten Herrn. Das wird deutlich aus Apg 1,6, wo die Apostel den Herrn fragen, ob er jetzt nach seiner Wiederkunft das Reich Israels, das ist das eschatologisch-messianische Reich, aufrichten wolle. Hier wird deutlich, dass die Visionen z.T. nicht so sehr die Auferstehung als vielmehr die Erhöhung, das Thronen Jesu zur Rechten Gottes voraussetzen. Das ist auch in den apokalyptischen Stellen des NT immer wieder der Inhalt der Hoffnung Jesu. Er erwartet bei seinem Tod, als der Messias in Herrlichkeit eingesetzt zu werden, und spricht das in den Formeln der danielischen Apokalyptik aus (Mk 8,38;  13,26f;  14,25.62;  Mt 24,31). Lk 22,69: „von nun an wird der Menschensohn thronen zur Rechten der Kraft Gottes“. Mt 16,28: „bis sie sehen den Menschensohn kommen mit seinem Reich“. Lk 23,42: „Jesus, gedenke meiner, wenn du mit deinem Reich kommst“! Mt 16,28 ist an die Stelle der allgemeinen Erwartung des Kommens des Reichs Gottes die auch aus der Lesart von D des Schächerwortes bei Lk 23,42 bekannte Formulierung „bis sie sehen den Menschensohn kommen mit seinem Reich“ eingesetzt (196f).

Auch Paulus scheint die Aufnahme Jesu vom Kreuz in den Himmel vorauszusetzen, wenn er Phil 2,5ff ohne Erwähnung des Begräbnisses und der Auferstehung Erniedrigung und Erhöhung des Herrn einander gegenüberstellt. In Röm 5,10 wird der Tod Jesu dem Leben des Herrn entgegengesetzt. Dabei wird durch den Wechsel der Präpositionen angedeutet, dass zwar die Versöhnung durch die Kreuzigung des Herrn stattfand, die Rettung der Versöhnten aber auf dem Leben des Erhöhten beruht. Die Rettung ist in der Tatsache der gegenwärtigen und dauernden Lebenskraft Jesu begründet. 2Kor 4,4 wird das Evangelium als die Botschaft der Herrlichkeit des Christus umschrieben. Ebenso wie hier ist Gal 3,1;  1Kor 1,23;  2,2 die Auferstehung Jesu übergangen. Das Evangelium handelt von dem, der der Gekreuzigte ist. Von da aus erhält das Kapitel 1Kor 15 von der Auferstehung nicht dieselbe zentrale Stellung in der paulinischen Frömmigkeit, wie es sie zu beanspruchen scheint. Wir haben hier eine der Wurzeln dafür, dass in der Kirche allmählich neben dem Glauben an den Erhöhten sich mehr und mehr der Glaube an den Auferstandenen durchsetzte. Die historische Tatsache des Begräbnisses Jesu gehört zum ältesten Bestand der Leidensgeschichte, hatte aber zunächst nur historische, keine theologische Bedeutung. Weder die Jünger, noch die Frauen waren beim Begräbnis beteiligt; noch das Wort aus der Salbungsgeschichte Mk 14,8 weist darauf hin. Auch die Erscheinungen Jesu setzen zunächst weder das Begräbnis noch das 'leere' Grab voraus (197f).

Erstens bekommen die Visionslegenden von der Geschichte vom 'leeren' Grab aus ihren erdenhaften Charakter. Jesus erscheint mit dem Leib, den er als Mensch getragen hat und seine Auferstehung wird in den Himmelfahrtsgeschichten (Jh 20,17; Apg 1) von der Erhöhung geschieden. Zweitens dient die Betonung des Begräbnisses der Abwehr des Doketismus, das ist besonders 1Kor 15 der Fall. Mann will beweisen, dass Jesus wirklich gestorben ist. Es liegt hier dieselbe Entwicklung vor, die wir bei den Toten-Auferweckungs-Legenden der Evangelien beobachten können. In der Lazarusgeschichte soll mit dem Hinweis auf den Beginn der Verwesung jeder Irrtum ausgeschlossen werden. Drittens veranlasst bei Paulus Röm 6,3ff die symbolische Deutung der Taufe als eines Begräbnisses, in dem die Christen kultisch Christi Tod und Begräbnis erleben, die Betonung der Grablegung. Alle drei Momente haben dazu beigetragen, dass im christlichen Bewusstsein nicht mehr Tod und Erhöhung, sondern Tod und Auferstehung einander gegenüberstehen.

(Anm. 1: Die Anwendung von Ps 2,7 auf die Erhöhung entspricht seinem ursprünglichen Sinn. Es ist ja in ihm von der Inthronisation des Königs die Rede. Seine Verwendung in der Jesusüberlieferung wird deshalb ursprünglich der Verwendung des Danielzitats bei Lk 22,69 entsprechen.)

Die Übertragung dieser Formeln auf Christus ist gegenüber dem Glauben an den Erhöhten, der der Gekreuzigte ist, sekundär (199f).

An einzelnen Ausdrücken wird noch erkennbar, dass der eschatologische Glaube an die Erhöhung und Wiederkunft Christi zu der Vorstellung von der Auferstehung und zu den Visionslegenden keine unmittelbare Beziehung hat. Auf die direkte Aufnahme Jesu in den Himmel als Voraussetzung seiner Erhöhung und Wiederkunft weist die Feststellung der Trennung Jesu von den Jüngern im Tod hin, die in der Geschichte von den Emmaus-Jüngern (Lk 24,21) der Erwartung der Erlösung Israels unmittelbar gegenübergestellt wird. Das ist auch der Sinn der Himmelfahrtsgeschichte Apg 1, wie sie von den Engeln gedeutet wird. Die Himmelfahrt findet statt, so wie einst die Wiederkunft stattfinden soll, sie ist ihre Voraussetzung. Der Glaube an die direkte Aufnahme in den Himmel entsprach den volkstümlichen Vorstellungen des Judentums wie der hellenistischen Welt. Es war auch im Judentum nicht der eschatologische Auferstehungsglaube der Pharisäer, der die Vorstellungswelt der Gemeinde beherrschte, vielmehr hatte sich im Anschluss an den Seelenglauben seit der Makkabäerzeit, daneben der Glaube durchgesetzt, dass eine Entscheidung über das Schicksal der Seele sofort nach dem Tod stattfände, dass die Seelen der Gerechten in den Schoß Abrahams aufgenommen würden, die der Bösen aber der Hölle anheimfielen (200f).

(Anm. 2: Das hellenistische Judentum hat die Gedanken der Umwelt über das Schicksal des Menschen nach dem Tod weithin geteilt).

Im Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19ff) erscheint diese Vorstellung auch im Mund Jesu und sie begegnet bei ihm in den Worten an den Schächer am Kreuz: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Dieses Wort setzt die Erwartung Jesu voraus, dass er vom Kreuz aus ins Paradies eingehen werde. In diesem Sinn ist auch das von Lukas als letztes Wort Jesu überlieferte Zitat aus Psalm 31,6 zu verstehen: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ wobei deutlich wird, dass bei dem Begriff der Assumptio an eine leibliche Himmelfahrt nicht zu denken ist. Der Begriff begegnet bereits Lk 9,51, wo die Zeit des Leidens Jesu als die Zeit seiner Aufnahme bezeichnet wird, wobei an die Aufnahme in den Himmel zu denken ist, so dass hier Tod und Erhöhung in eins gesehen werden. Das scheint auch der Fall zu sein in Lk 24,26: „Musste Christus nicht solches leiden und (so) in seine Herrlichkeit eingehen“? Die Stelle wird auf die Himmelfahrt vom Kreuz aus gedeutet (202f).

Die Auferstehungsgeschichte ist ein sekundärer Bericht, der die Visionslegenden der kanonischen Evangelien voraussetzt. In den kanonischen Evangelien fehlt jede Darstellung der Auferstehung. Sie bringen nur das Bekenntnis zum Auferstandenen und begründen es mit den Visionslegenden (203f).

Die Gleichsetzung von Auferstehung und Himmelfahrt (Lk 24,51): noch am Tag der Auferstehung findet die Aufnahme in den Himmel statt. Paulus stellt sich die Visionen der Urapostel nach der Analogie der eigenen Christusvision vor, sieht Himmelfahrt und Erhöhung als Voraussetzung der Bezeugung des Auferstandenen an. Die Auferweckung durch Gott bedeutet gleichzeitig eine Erhebung zur Rechten Gottes, wo Christus gegenwärtig thront (Kol 3,1;  Eph 1,20;  Röm 8,34) (204f).

Das Christusbekenntnis Phil 2,5ff beweist, dass der Glaube an den Erhöhten zum Ausdruck kommen konnte, ohne die Erwähnung von Grab und Auferstehung. Es ist bezeichnend, dass auch einige andere bekenntnismäßigen Charakter tragenden Stellen des NT von der Feststellung des 'Begraben und Auferstanden' absehen. In 1Ptr 3,18 gehören einerseits die Formeln „gestorben nach dem Fleisch, lebendig gemacht nach dem Geist“, zusammen, andererseits die Formel „er ist zur Rechten Gottes, nachdem er in den Himmel hinaufgestiegen ist“, wozu dann die im NT mehrfach betonte Unterordnung der Engel und die Einsetzung Christi zum eschatologischen Richter, wie sie in 1Ptr 4,5 erwähnt wird, gehört. Beide Formeln haben nur ein Interesse an der Feststellung der Erhöhung des Christus, sie setzen die Himmelfahrt vom Kreuz voraus. Eph 4,8: entweder stehen Auffahrt in den Himmel und Höllenfahrt wie 1Ptr 3,18ff, oder Auffahrt in den Himmel und Herabkunft auf die Erde einander gegenüber. Die letztere Annahme entspricht der paulinischen Vorstellung (Phil 2,5ff), jedenfalls ist das „Aufgestiegen zur Höhe“, für den Verfasser die Hauptsache. Grablegung und Auferweckung sind auch hier nicht erwähnt. Dasselbe gilt von 1Tim 3,16. Die Stelle bezieht sich auf die Offenbarung des Erhöhten vom Himmel her. Seine Fleischwerdung ist nur eine Episode in diesem Mythus und seine Aufnahme in den Himmel wird mit Ausdrücken umschrieben, die sich am Besten von der Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus verstehen lassen (207f).

(Anm. 1: Zu dem: „Er wurde gerechtfertigt im Geist“ darf man vielleicht die Formulierung des Wortes des Hauptmanns unter dem Kreuz Lk 23,48 heranziehen: „Dieser Mensch war wahrlich ein Gerechter“. Jedenfalls ist das Wort des Hauptmanns die 'historische' Feststellung der Peripetie in der Geschichte des Christus. Die Art seines Todes hat Jesus gerechtfertigt, ihn trotz allem als den Sohn Gottes offenbart. Die christliche Gemeinde schildert bei dem Hauptmann einen Glauben an den Erhöhten, der unabhängig ist von der Auferstehung. Es ist also die Aufnahme vom Kreuz aus vorauszusetzen. Die Aussagen von der Verkündigung des Evangeliums und dem Glauben in der Welt beziehen sich beide auf den Missionsauftrag, der durch den Erhöhten gegeben (Mt 28,19) und in seiner Kraft ausgeführt wird (Mt 28,18.20). Die Aufnahme in Herrlichkeit entspricht der Rechtfertigung im Geist. Sie bezieht sich ebenfalls auf die Entrückung 2Kö 2,11;  1Makk 2,58.)

Die urchristlichen Vorstellungen sind abhängig von der atl Weissagung. Vor allem Ps 110,1 und Ps 2,7 bildeten die im NT zitierten Beweisstücke für die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes. Als Grundlage für die Vorstellung von der Erhöhung Jesu konnte auch die Stelle Jes 53,8 beansprucht werden (208f).

(Anm. 2: An dieser Stelle wird deutlich, dass die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz auf zwei Vorstellungsreihen beruht, der von der Inthronisation und der von der Entrückung. Die erstere hat zur Voraussetzung, dass Jesus unmittelbar mit dem Tod zum offenbaren Messias in Macht und Herrlichkeit erhoben wird, wie Jesus selbst (Mk 14,62) es erwartet. Bereits Lukas (Lk 22,69: Von nun an wird der Sohn des Menschen sitzen zur Rechten der Macht Gottes“) bildet die Vorstellung um: Jesus thront unsichtbar im Himmel, er ist entrückt bis zu seiner Offenbarung in Herrlichkeit. Jes 53,8 konnte von der Entrückung verstanden werden. Jedenfalls liegt Kol 3,3f diese Vorstellung vor. Es ist die Anwendung des jüdischen Motivs vom verborgenen Messias auf christliche Vorstellungen. In unserem Text ist Entrückung und Inthronisation nicht mehr zu scheiden. Jesus thront im Verborgenen zur Rechten Gottes, seine Offenbarung wird erst erwartet. (Vorläufig ist er der Gemeinde entrückt) (209f).

Im Matthäusevangelium wird die Erhöhung mehr als die Auferstehung betont. Mt 28,20 erscheint der Auferstandene als der Erhöhte in göttlicher Vollmacht (210).

Die Sprache im Johannesevangelium und im Hebräerbrief ist charakterisiert durch Wendungen, die Grab und Auferstehung ausschließen (Ausnahme der redaktionelle Nachtrag im Jh Ev). Für den Johannes-Evangelisten bedeutet der Tod nicht die tiefste Erniedrigung Jesu, sondern in und mit ihm ist seine Erhöhung zum himmlischen Herrn gesetzt. Eine Reihe von Termini bringen die Einheit von Tod und Erhöhung des Christus zum Ausdruck. Der Tod Jesu ist die Stunde seiner Verklärung. Der Verrat des Judas wird als Stunde der Verklärung bezeichnet. Die Gemeinde wird auf den Gekreuzigten hingewiesen, der der Verklärte ist (210f).

(Anm. 2: Neben der Erhöhung der Schlange (4Mose 21,8f) kommt Jes 52,13 in Betracht, wo Erhöhung und Verklärung miteinander verbunden sind. Man wird am besten den Terminus der Erhöhung im ganzen Johannesevangelium doppelsinnig mit Bezug auf Erhöhung ans Kreuz und in den Himmel verstehen).

Die Erhöhung mit dem atl Urbild der Erhöhung der Schlange bezeichnet die historische Tatsache der Kreuzigung Jesu und weist darüber hinaus auf die Aufnahme vom Kreuz in den Himmel hin. Ähnlich dürfte es liegen bei Ausdrücken wie 'Hinaufgehen oder Hingehen zum Vater', oder 'Weggehen aus der Welt', die auf Vorstellungen im Kreis der Jünger hinweisen, die weniger an Tod und Auferstehung als vielmehr an den Entrückungslegenden des AT wie vor allem an der Himmelfahrt des Elias orientiert sind. Es entsteht hier die Frage nach der Ursache der Verwendung dieser Ausdrücke nach dem Tod Jesu. Diese Ausdrücke konnten nur im Sinn des alten, eschatologischen Messiasglaubens genommen werden. Jesus ging zum Vater, um dort den ihm gebührenden Platz einzunehmen (212f).

Im Hebräerbrief ist weder von Auferstehung noch von Auferweckung Jesu die Rede. 13,20 ist in der Terminologie atl bestimmt, Hinaufführen von den Toten“ scheint die ursprüngliche Lesart zu sein (Hinaufführen von der Erde). Im Hebr wird deutlich, dass der irdische Leib Christi keine positive soteriologische Bedeutung haben kann. Das ergibt sich aus der Feststellung des atl Typus auf das Leiden Jesu vor dem Tor (Hbr 13,10ff), das dem Verbranntwerden der Tierleiber entspricht, deren Blut zum Opfer benutzt wurde. So ist zwar das Blut Jesu Mittel des Heils, aber sein Leib ist „außerhalb des Lagers“ der Schmach preisgegeben. Er selbst ist als der Hohe Priester des Neuen Bundes mit seinem Blut zum Himmel hinaufgestiegen, um dort den Ehrenplatz zur Rechten Gottes einzunehmen (Hebr 10,12), wo die einmalige Tatsache des Sündopfers der Ewigkeit göttlicher Herrlichkeit gegenübergestellt wird, und Hbr 12,2, wo Kreuz und Erhöhung einander entsprechen. Das ist die einzige Stelle, wo im Hebräerbrief die historische Tatsache des Kreuzes erwähnt wird (213f).

Die Betrachtungsweise des Hebräerbriefs sieht im allgemeinen von der wirklichen Geschichte ab, stellt das himmlische Urbild dar, so, wie es abbildlich bereits im atl Kultus geweissagt erschien. Auch in Hbr 1,3f liegt bei der Feststellung der Inthronisation die mythologische Betrachtungsweise vor, die Jesus den Engeln gegenüberstellt. Als Hinweis auf die geschichtlichen Leiden Jesu steht Hebr 2,9f der Begriff der 'Leiden', aber die ihnen gegenüberstehende himmlische Herrlichkeit ist mit allgemeinen Wendungen umschrieben, die keinen Hinweis auf Grab und Auferstehung enthalten. Nach 4,14 ist Jesus der große Hohe-Priester, der durch die Himmel hindurchgegangen ist, der mit seinem Blut, das er als Sündopfer dargebracht hat, hineingegangen ist ins himmlische Heiligtum. Der Tod Jesu hat nur Sinn als Mittel zur Gewinnung des Opferblutes. Das Blut ist das große Kultsymbol der christlichen Frömmigkeit geworden. Christus selbst hat es dargebracht, um in seiner Kraft in den Himmel einzugehen und vor Gott für die Gläubigen einzutreten. Die Terminologie des Hebr setzt weder die Geschichte von der Grablegung noch die Visions- und Auferstehungslegenden voraus. Die ihr zugrunde liegende Vorstellung von dem Ausgang Jesu ist die von seiner Erhöhung vom Kreuz in den Himmel (214f).

Zusammenfassung: Unter den Vorstellungen, die sich die älteste Gemeinde über den Eingang Jesu in die himmlische Herrlichkeit machte, neben der Auferweckung oder Auferstehung und der Himmelfahrt vom Grab aus hat die Vorstellung von der Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus eine bedeutsame Stelle eingenommen. Sie entspricht dem Glauben an das Thronen Jesu zur Rechten Gottes und an seine eschatologische Wiederkunft. Im Urchristentum stehen verschiedene Anschauungs- und Ausdrucksformen nebeneinander, die alle dem Glauben an den Erhöhten entspringen (215f).

 

(2) Transzendentale Entwürfe – Versetzung des Verstorbenen in den Himmel

 

A. Die himmlische Erhöhung der Märtyrer
 B. Der Märtyrer Jesus (Lk 23,33-49)
 C. „
Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,42f)

 

- Die Entrückung besonderer Frommer: Henoch und Elia

Das Frühjudentum erweitert den Kreis der auserwählten Gerechten um Mose, Pinchas, Baruch, Esra. Möglicherweise hat auch Jesus von Nazareth in einer bestimmten Phase seines Weges mit seiner Entrückung gerechnet (Mk 2,20; Lk 9,51) (10).

--Die Auferstehung in den Himmel (2. Makk. 7)

Um seines Auferstehungszeugnisses willen gehört das 2 Makkabäerbuch zu den wichtigsten Schriften zwischen den Testamenten (11). In 2 Makk 7 entwickelt sich im Zusammenhang einer Märtyrertheologie und im Gespräch mit Dan 12 eine neue Auferstehungsvorstellung von der besonderen himmlischen Auferstehung der Märtyrer unmittelbar nach ihrem Tod (19).


 

U. Kellermann (1979)

A. Die himmlische Erhöhung der Märtyrer

(a) Das Auferstehungsmotiv bei Paulus
 (b) Das Erhöhungsmotiv im lukanischen Werk
 (c) Martyrium und Auferstehung im Hebräerbrief
 (d) Die Erhöhung der Märtyrer in der Johannesoffenbarung
 (e) Zusammenfassung
 (f) Hat der historische Jesus selbst sozusagen als Inaugurator der Märtyrerchristologie seine Auferstehung erwartet?

 

(a) Das Auferstehungsmotiv bei Paulus: Die Erwartung einer himmlischen Auferstehung als Ausdruck urchristlichen Glaubens, individuelle Erwartung des Heils unmittelbar nach dem Tod

Phil 1,23; 3,10f: Im Philiperbrief zeichnet Paulus sein Geschick mit Motiven der Märtyrertheologie, dazu gehört die Opfervorstellung (2,17), der Vergleich des Märtyrerwegs mit dem Wettkampf in der Arena (3,12), der Kampf allgemein (1,29f), das Motiv der Freude im Leiden (1,18;  4,4) und die Sehnsucht nach der himmlischen Christusgemeinschaft (1,20.23) (110f).

Paulus sieht bewusst der Möglichkeit des Martyriums entgegen und weiß, dass auch sein Tod Leben bedeutet. Fast sehnsüchtig nimmt der Apostel die Märtyrerhoffnung für sich in Anspruch, ohne dass dabei der Begriff Auferstehung fällt. Um der Gemeinde willen, die seiner bedarf, verwirft Paulus die Sehnsucht nach der himmlischen Märtyrerseligkeit. Paulus überträgt die frühjüdische Hoffnung auf himmlische Gemeinschaft mit Gott auf die Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus.Und er wendet die Formel 'mit Christus sein', die sonst die endzeitliche Christusgemeinschaft meint, auf den transzendenten himmlischen Bereich an. Vor diesem Hintergrund muss auch Phil 3,10f gesehen werden: (8) „Ich achte alles für Schaden um des Überschwangs der Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn, willen …, (10) ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, (11) damit ich zur Auferstehung von den Toten gelange“. Der V11 steht im Horizont des Martyriums. Paulus stellt die Möglichkeit seines Leidens und Sterbens als Gemeinschaft mit der Passion Christi, als Nachvollzug des Sterbens Jesu, dar. Aus der Parallelisierung des apostolischen Leidens und der Passion Jesu ergibt sich die Analogie in der Auferstehung zwischen dem Herrn und seinem Apostel. Seine Auferstehung entspricht der des Gekreuzigten. Wir haben hier die Erwartung der Märtyrerauferstehung vor uns. Dafür spricht auch der Kontext Phil 1,23 und die Wendung 'von den Toten', die bei Paulus sonst die vorzeitige einmalige Auferstehung Christi und nicht die allgemeine Totenauferweckung zum Endgericht charakterisiert. Damit bewegt Paulus sich in der Erwartung von 2Makk 7. Es ist die Seligkeit, die dem Martyrium bestimmt ist. Der Märtyrer gelangt nach Leiden und Sterben unmittelbar in die himmlische Christusgemeinschaft. Wiederum in Phil 1,23 begegnen wir der christologischen Uminterpretation, die für die urchristliche und altkirchliche Märtyrererwartung grundlegend wird (112f).

2Tim 4,18: „Der Herr wird mich erlösen von allem Übel und mich retten in sein himmlisches Reich …“ Der Gedanke der Gemeinschaft des Märtyrers mit dem leidenden, sterbenden und auferstehenden Christus wird in 2 Tim betont (1,8.12.16;  2,3.9.11-13;  4,5-8). Das Martyrium gilt als Kampf (2,3). Der Märtyrer Paulus erhält den Siegeskranz (4,8). Es bestand die Gefahr eines tödlichen Ausgangs, aber der Apostel ist aus dieser Gefahr errettet worden (4,16f). Bei der Wiederholung seines Geschicks rechnet er mit dem Tod, der nach 4,18 „Rettung in das himmlische Reich“ bedeutet. Es ist die gegenwärtige Königsherrschaft Christi im Himmel, zu der das Martyrium ihm die Tür aufschließen wird (127).

2 Tim 2,11-13:Zuverlässig ist das Wort: Sind wir mit (ihm) gestorben, so werden wir auch mit (ihm) leben; dulden wir willig, so werden wir auch mit (ihm) herrschen. Verleugnen wir, so wird er auch uns verleugnen. Werden wir untreu, so bleibt er treu. Denn er kann sich selbst nicht verleugnen“. Das Martyrium für Christus ist ein Sterben 'mit' Christus (V.11). Infolge der Parallelisierung von Sterben und Auferstehen Christi (2,11-13) liegt die Interpretation einer postmortalen himmlischen Christusgemeinschaft im Sinn von Phil 1,23 und 2Tim 4,18 nahe. Das Futur der Sätze ist ein Futur in der Logik des Zeitablaufs: Es muss gestorben sein, bevor das wahre Leben kommt (128f).

 

(b) Das Erhöhungsmotiv im lukanischen Werk :In der Kreuzigungsszene tritt das Motiv der himmlischen Erhöhung des Märtyrers klar zutage. So weist der Schächer am Kreuz auf die Unschuld Jesu hin, wie es in den Märtyrerberichten üblich ist: „Dieser hat nichts Unrechtes getan“ (Lk 23,41). Er bittet den Märtyrer Jesus um Teilhabe an dessen postmortalem Heil: „Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). Das Reich ist himmlische Wirklichkeit. Der Gekreuzigte tritt durch den Tod hindurch die ihm gestiftete Herrschaft im Himmel an. In der Stunde seines Todes ereignet sich für den Märtyrer die himmlische Auferstehung, wie Jesus in der Autorität eines Amen-Wortes versichert: „Amen, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Das Paradies erscheint als himmlische Wirklichkeit. Die Bitte des Schächers findet unmittelbar nach dem Tod ihre Erfüllung, wie das heute anzeigt (115f).

Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Jesu eigene Abba-Anrede Gottes betont die Verbundenheit zwischen dem Märtyrer und Gott. Der letzte Schrei Jesu signalisiert den Sieg des Märtyrers über seine Feinde und leitet zum Aufstieg des getöteten Gerechten in die Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater über (116f).

Die von Lukas (24,46) eingebrachte Reflexionsformel: „Mußte nicht der Messias solches leiden und in seine Herrlichkeit eingehen“? rechnet mit einer unmittelbaren himmlischen Erhöhung des Gekreuzigten. (Vielleicht ist auch die Engelbotschaft Lk 24,5: „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferweckt“ auf dem Hintergrund der Märtyrertheologie zu verstehen.) Jesu Tod bedeutet im Unterschied zum Tod Anderer Durchgang zum Leben. Wiederum verbindet sich hier in der nachgeschobenen Erklärung mit der Auferweckung der räumliche Aspekt: dem „nicht hier (auf Erden)“ entspricht ein gedankliches „im Himmel“. Jesus gehört nicht mehr dem Totenreich an. Der Tod des Märtyrers erfährt durch Gott im Himmel seine Aufhebung. Wie in 2Makk 7 wird der Märtyrer rehabilitiert durch die Gabe des himmlischen Lebens, wie es Lukas 24,46 zum Ausdruck bringt (117).

Noch deutlicher erscheint die lkn Sicht des Todes Jesu als Weg durch den Märtyrertod zur himmlischen Auferstehung in den christologischen Sätzen der Missionsreden der Apostelgeschichte. Den Texten Apg 2,23f.32f; 3,14;  4,10;  5,30;  10,39f;  13,27-30, die auf die Formulierung des Lukas zurückgehen, eignet die Vorstellung von der postmortalen himmlischen Erhöhung und Rehablitierung des getöteten Gerechten. Es begegnen uns hier Motive der Märtyrertheologie wie die Betonung der Unschuld des Getöteten (Apg 3,14;  13,28) und die Heilswende im Augenblick des Märtyrertodes (Apg 5,31f). Die Stichworte Auferstehen/Auferweckung erscheinen im räumlichen Koordinatensystem von irdischem Leiden und himmlischer Erhöhung (117f).

Die Stephanusgeschichte (Apg 7) als Märtyrerbericht: In visionärer Vorwegnahme seines Weges erblickt der Urmärtyrer der Kirche die himmlische Lichtherrlichkeit Gottes als Ziel seines Leidensweges: „Da rief er, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55f). Das Motiv des geöffneten Himmels führt in die Märtyrerüberlieferung. Der Auferstandene sitzt nicht zur Rechten Gottes, er hat sich erhoben, um seinen Märtyrer ehrenvoll zu empfangen. Wenn auch in diesen Passagen der Auferstehungsbegriff nicht begegnet, so wird doch das jüdische Motiv der sofortigen himmlischen Auferstehung des Märtyrers in der Form der Erhöhungserwartung wie in Phil 1,23 christologisch umgedeutet: der christliche Märtyrer tritt nach seinem Tod in die Auferstehungsgemeinschaft mit dem Gekreuzigten ein (118f).

 

(c) Martyrium und Auferstehung im Hebräerbrief : In 11,35 wird der Rückkehr der Toten in das irdische Leben eine „bessere Auferstehung“ gegenübergestellt. Die Bezugnahme auf 2Makk 7 legt die Deutung einer postmortalen himmlischen Auferstehung nahe. V 39 dagegen stellt das Erlangen der Auferstehung in der Vergangenheit in Frage. Die Heilsgeschichte hat ihr Ziel erreicht (12,2): „(1) Darum … lasst uns … mit Ausdauer in dem Kampf laufen, der in Aussicht steht, (2) indem wir auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens blicken, der … sich 'zur Rechten' des Thrones Gottes gesetzt hat“. Hier klingt Märtyrerüberlieferung an. Das Bild des Wettkampfs gehört dazu, die Motive der Ausdauer, Freude und Mißachtung der Schande sind zu nennen, wenngleich Freude hier nicht Freudigkeit im Martyrium meint und die Mißachtung sich nicht auf den Schmerz bezieht. Wir begegnen dem Motiv der unmittelbaren postmortalen Erhöhung zu Gott. Der Aufforderung des Aufblickens auf Jesus entspricht das Zeugnis über die makkabäischen Märtyrer. So erscheint in dieser Paränese Christus sozusagen als der Urmärtyrer für die, die seinem Martyrium nachfolgen. Die christologische Grundvorstellung vom Durchgang des leidenden Christus durch den Tod zur himmlischen Freude des Sitzens zur Rechten Gottes gleicht den besprochenen lkn Texten (121).

Die Christologie des Hebräerbriefs: Ihr liegt ein Bild zugrunde, nach dem der Gekreuzigte am Karfreitag als himmlischer Hoherpriester im Aufstieg in das himmlische Heiligtum sein Blut als Selbstopfer darbringt, damit Fürbitte leistet und so die Reinigung von Schuld und die Wende zum Heil bewirkt. Das Motiv der Selbstdarbringung gehört in der Christologie des Hebräerbriefs traditionsgeschichtlich mit anderen Motiven zusammen, die ihre Entsprechung in der Märtyrerüberlieferung haben: die Unschuld des Zeugen Jesus (7,26), seine Treue zum Schöpfer (3,2), die Bewirkung der Heilswende durch seinen Tod (2,10;  9,12.14f.26.28;  10,12), die Reinigung des Volkes von Schuld durch den Tod des Gerechten (1,3;  2,9;  10,12). Die einmalige Identität von Priester und Opfer weist uns in die Märtyrertheologie. Bereits in 2Makk 7 begegnet diese Opfervorstellung. Der Hebräerbrief hat in seiner Christologie einer Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus auch den Gedanken der postmortalen himmlischen Erhöhung der Märtyrer angewendet (121f).

 

(d) Die Erhöhung der Märtyrer in der Johannesoffenbarung :Die Offenbarung versteht sich als 'das Buch eines Märtyrers für Märtyrer' und durch sie für alle Gläubigen, die es noch nicht sind. An den Höhepunkten apokalyptischer Zukunftsentwürfe stehen oft Szenen himmlischer Anbetung Gottes durch die Märtyrer (6,9-11;  7,9-13;  15,1-4). Der Apokalyptiker sieht an den Märtyrern im Himmel vorwegereignet und bereits gegenwärtig, was auf die Gemeinde an Verfolgung, Tod und Heil noch zukommt. Deshalb kann er der Gemeinde von Smyrna, die mit Einkerkerung und Todesmartyrium rechnen muss, die Verheißung des bereits auferstandenen und am himmlischen Leben teilhabenden Märtyrers Christus zusprechen: „Dies spricht der Erste und Letzte, der tot war und lebendig wurde ......“ (2,8-11). Der auferstandene Christus gibt dem Märtyrer, der sich im Kampf bewährt hat, Anteil an seinem himmlischen Leben (123).

Nach jüdischer Anschauung (6,9-11) ruhen die Seelen der Gerechten am Fuß des himmlischen Altars. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass sie nun in der Gegenwart Gottes existieren und ihr Tod ein Gott dargebrachtes Reinigung- und Sündopfer bedeutet. Die Märtyrer erhalten schon vor dem Anbruch des Endheils den verklärten Leib der Vollendeten, wie das Motiv der Übergabe des himmlischen Kleides erkennen lässt. In der Vision der weißgekleideten Schar am Thron Gottes (7,9-17), will der Apokalyptiker im Bild des himmlischen Gottesdienstes und der Seligkeit und Gottesnähe der Märtyrer den Sinn des Leidens, seine Notwendigkeit und seine Würdigung durch Gott enthüllen. Die Märtyrer sind aus dem großen Leiden gekommen (V 14). Sie stehen nun in ihrer neuen himmlischen leiblichen Existenz, auf die die Metapher des weißen Gewands (9,13) hinweist, lobend und dienend am Thron Gottes (124f).

Die Vision des tausendjährigen Reichs (20,1-10)gehört nach der Aussage von V 4 in den Zusammenhang der Märtyrertheologie (125). Man muss bei der Thronszene (V 4), die im Himmel spielt, mit einer Vorwegnahme des Endgerichts für die Märtyrer rechnen. Damit ist im Kontext aber auch ihre Auferweckung als eine vorweggenommene himmlische Auferstehung verstanden. Auch nach 6,9-11 geschieht das neue Leben und das Herrschen der Märtyrerseelen im Himmel. Damit dürfte die erste Auferstehung der Märtyrer (V 5) wie in 2Makk 7 als himmlische Auferstehung zu deuten sein. Wir begegnen in V 5 einer der wenigen Stellen, an denen die himmlische Erhöhung der Märtyrer nach ihrem Tod als Auferstehung bezeichnet wird. Von 2Makk 7 unterscheidet sich diese Erwartung einmal durch das Motiv der Christusgemeinschaft. Zum anderen begegnen wir hier einer zeitlichen Verschiebung der himmlischen Auferstehung in eine zukünftige Vorzeit vor dem Anbruch des Endgerichts. Diese Zeitverschiebung muss auch für 6,9-11 vorausgesetzt werden, da hier zwar eine individuelle postmortale Erhöhung der Einzelseele vorausgeht, die Signa der neuen leiblichen Existenz im Himmel aber den atl Märtyrern zu einem späteren Zeitpunkt verliehen werden (126f).

 

(e) Zusammenfassung : Die ntl Texte, die die postmortale himmlische Erhöhung des christlichen Märtyrers erwarten, entstammen dem hellenistischen Judenchristentum und seinem Milieu. Den Gedanken der Rehabilitierung als Begründung für die Notwendigkeit einer besonderen Märtyrerauferstehung sucht man im NT vergeblich. Nach der grundlegenden Entdeckung in 2Makk 7 scheint er inzwischen in der jüdischen und der sich aus ihr ableitenden urchristlichen Glaubensgeschichte selbstverständlich geworden zu sein. Es fällt auf, wie wenig die Texte im Unterschied zur jüdischen Traditionsgeschichte die hellenistische Uminterpretation auf die unsterbliche Seele nachvollziehen – ausgenommen Offb 6,9-11 und 20,4-6. Beide Texte tendieren auf eine neue himmlische Auferstehungsleiblichkeit hin, wodurch in der Rezeption griechischer Vorstellungen das jüdische Erbe, nach dem Leben und Schöpfung nicht ohne Leib möglich ist, bewahrt wird. Alle anderen Texte rechnen mit einer himmlischen Auferstehungsleiblichkeit, ohne das Woher und Wie der neuen Existenz zu erklären. An die Stelle der Neuschöpfung als Motiv und als Vorbedingung der himmlischen Auferstehung tritt die Gemeinschaft des Märtyrers mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus. Dessen Weg wiederholt sich in dem seiner Zeugen. Der Auferstehungsbegriff für die postmortale himmlische Erhöhung der Märtyrer begegnet nicht oft; die Sache ist aber überall vorausgesetzt. Nur in Offb 6,9-11 und 20,4-6 ergibt sich die Vorstellung einer zeitlichen Verschiebung der besonderen Märtyrerauferstehung in die Endzeit. Dabei wird dieses Geschehen von der allgemeinen endzeitlichen Totenauferstehung deutlich geschieden (129f).

 

(f) Hat der historische Jesus selbst sozusagen als Inaugurator der Märtyrerchristologie seine Auferstehung erwartet? : Im Doppelwerk des Lukas und im Hebräerbrief zieht urchristliche Verkündigung zur Interpretation des Weges Jesu zwischen Karfreitag und Ostern neben anderen Deutungen auch das Motiv der postmortalen himmlischen Erhöhung und Auferstehung des Märtyrers heran. Die Sicht des Weges Jesu vom Märtyrertod zur himmlischen Auferstehung entspricht einer Vorstellung, die im Judentum z.Zt. Jesu geläufig war. Das 2Makkabäerbuch und die genannten jüdischen Texte vor Josephus stammen aus dem Palästinajudentum. Zum anderen lässt sich eine vom Hellenismus unbeeinflusste Frömmigkeitsrichtung im Judentum z.Zt. Jesu kaum nennen (134).

Wenn Jesus von Nazareth seinen eigenen Weg am Ende im Rahmen der Märtyrertheologie gesehen hat, folgt daraus:

Erstens: Die Deutung des Todes Jesu als ein 'Sterben für andere' im Sinn des stellvertretenden Opfers, das für andere Heil einleitet, muss nicht erst auf urgemeindliche Deutung des Kreuzes zurückgehen. Seit 2Makk 7 bedeutet Märtyrertod immer Sterben für das Heil anderer. Im Rahmen der Märtyrertheologie konnte Jesus sein voraussehbares Todesgeschick seiner Sendung positiv als Heilsvermittlung integrieren.

Zweitens: Stimmt diese Voraussetzung, so dürfte Jesus von Nazareth nach dem Vorbild der zeitgenössischen Märtyrertheologie auch seine eigene himmlische Auferstehung im Blick gehabt haben. Die synoptische Überlieferung bezeugt eine Logienkombination, die das Motiv des postmortalen himmlischen Lebens als Märtyrererwartung bringt: Das Jesuswort: „Wer sein Leben findet (errettet), wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert, wird es finden (retten)“ hat sowohl die Markustradition (Mk 8,35;  Mt 16,25;  Lk 9,24) als auch die Überlieferung des Spruchquelle Q (Mt 10,39;  Lk 17,33). Auch Jh 12,25 setzt es voraus. Ein solches Wort passt situationsgerecht in die gefährliche Lage Jesu (Lk 13,31-33). An vielen Stellen erscheint dieses Logion in Kombination mit dem Nachfolgewort: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir nach“ (Mk-Tradition Mk 8,34;  Mt 16,24;  Lk 9,23). Die Verheißung, das verlorene Leben zu gewinnen, gilt in diesem Zusammenhang den Nachfolgern Jesu, die der zelotischen Strafe ausgesetzt sind. Es ist historisch denkbar, dass Jesus selbst das Nachfolgewort gesprochen und mit der allgemeinen Märtyrersentenz vom Erringen des Lebens durch das Sterben verbunden hat. Dann dürfte er sich selbst kaum von dieser Märtyrererwartung auf das postmortale himmlische Leben ausgeschlossen haben (138f).

Sollte der Märtyrer Jesus von Nazareth weniger für sich erwartet haben als die makkabäischen Brüder (140)?


 

W. Wiefel

B. Der Märtyrer Jesus (Lk 23,33-49)

Für die Gestaltung des Hergangs der Ereignisse, die dem Kreuzestod vorausgehen und nachfolgen, scheint die Dreizahl maßgebend zu sein. So erleidet der Gekreuzigte eine dreifache Verspottung durch die Oberen, die Soldaten und den einen Schächer (V.35.37.39). Der Schlussabschnitt schildert die dreifache Wirkung des Todes auf den Hauptmann, das Volk und die Bekannten (V.47-49). Vom Aufbau her gewinnt die Schächerszene eine Mittelstellung, die den paränetischen Charakter der lkn Darstellung unterstreicht. Der Lukasbericht hat die vor allem bei Markus enthaltenen Züge der passio iusti, der Präsentatio Jesu als des leidenden Gerechten noch verstärkt (am deutlichsten erkennbar in den Worten des anderen Schächers (V.41b) und des Hauptmanns (V.47b). Weitere Motive, wie die Fürbitte für die Henker, das stumme ertragen des Spottes, die im Sterben vollzogene Hingabe an Gott, die tiefe Wirkung auf die Anwesenden, gehören gleichfalls in das Bild des Märtyrers, das Lukas vor allem in diesem Teil des Passionsberichtes vor Augen gestanden hat. Im Blick auf das Stephanusmartyrium, das der Passion Jesu nachgebildet ist, gilt das Urteil, dass Lukas in seiner Darstellung Jesus als den 'Urmärtyrer' zeigt, der an seinem Leib die Leiden aller Märtyrer erfüllt. Diese im Kreuzigungsbericht kulminierende Sicht ist ein zentrales Element des lkn Christusbildes. In der Gestalt des reuigen Schächers wird die Chance zur Umkehr im letzten Moment sichtbar. Die Leute aus dem Volk (V.49) sollen veranschaulichen, wie durch den betrachtenden Anblick des Sterbens Jesu Reue und Umkehr ausgelöst wird. In solcher 'vorösterlicher', noch unchristologischer Zuwendung, werden bereits die Konturen eines neuen Gottesvolkes sichtbar, als dessen Vertreter der Centurio (als Repräsentant der Heiden), die umkehrenden Jerusalemer und die 'Seinen' beim Kreuzesgeschehen anwesend sind (397f).

34: Das erste Wort des Gekreuzigten ist die Fürbitte für die Henker und Richter. Es geht über das in der Forderung der Feindesliebe (Lk 6,28) Gebotene noch hinaus. Damit wird eine Linie eingeleitet, die sowohl im Martyrium des Stephanus (Apg 7,60) wie auch in dem des Herrenbruders Jakobus ihre Fortsetzung findet (398f).

35: Dem Gekreuzigten widerfährt ein dreifacher Spott, in dem sich die Versuchung zur Selbsthilfe wiederholt. Anders als bei Markus (15,29f) wird das Volk ausgenommen. Es erscheint nur als Zuschauer, während die Oberen des Volkes Jesus auf seine Messianität hin ansprechen. Auch die in V.36 erstmalig genannten römischen Soldaten beteiligen sich am Spott. 39: Der nach den Oberen und den Soldaten sich am Spott beteiligende Mitgekreuzigte knüpft an den Messiasnamen an und fordert Jesus auf, sich und dem anderen Delinquenten zu helfen. Mit der Einführung des anderen Mitgekreuzigten (V.40) kommt das Kontrastmotiv zur Geltung (anders Mk 15,32). Dieser verweist die Worte als Äußerung fehlender Gottesfurcht, wie sie in der Lage der gemeinsamen Verurteilung angemessen wäre. Er erkennt sich selbst als rechtmäßig verurteilt an (V.41), Jesus aber als den schuldlos leidenden Gerechten. Dieses Urteil bestimmt seine Bitte an Jesus (V.42), den er auffallenderweise mit seinem Namen anredet. Er bittet ihn, seiner zu gedenken, wenn er seine Herrschaft antritt, die ihm als dem leidenden Gerechten zukommt. Diese 'Basileia' kann als künftige oder als himmlische Wirklichkeit aufgefaßt werden. Geht man von der Antwort Jesu aus, so ist an die letztere Möglichkeit zu denken. Der Bitte um das Gedenken antwortet Jesus (V.43) mit einem Amen-Wort, in dem er dem Schächer in der von seinem Vater verliehenen Vollmacht das Zusammensein mit ihm zuspricht. Das geschieht noch heute. Jesus tritt durch den Tod hindurch sofort die ihm vom Vater zugedachte himmlische Herrschaft an. Für den Schächer wird die Stunde seines Todes durch die Gemeinschaft mit Jesus zum Eingang in das Paradies. Wie in 2Kor 12,4 (vgl. Offb 2,7) ist damit der übernatürliche Bereich der Gottesnähe gemeint. Die Aussage entspricht der individuellen Eschatologie (399f).

46: Statt des lauten Schreis (Mk 15,37) enthält der von Lukas aufgenommene Bericht als letztes Wort Jesu das Abendgebet des frommen Juden (Ps.31,6). Jesus leitet es mit der ihm eigenen Abba-Anrede an Gott (vgl. 23,34;  22,42) ein. Der von Gott empfangene Geist als Träger des Lebens wird in Gottes Hand zurückgelegt. Dies schließt für Lukas das christologisch bedenkliche Psalmwort (22,2; Mk 15,34) aus, macht andererseits das von ihm aufgenommene Vertrauensgebet als Vorbild bedeutsam (vgl. 7,58f). 47: Der Hauptmann, der die Hinrichtung Jesu überwacht, wird zum Lobpreis Gottes geführt, der sich mit der Erklärung der Gerechtigkeit Jesu verbindet. Die Passion Christi ist damit zu ihrem Ziel gekommen. Für Lukas ist der Hauptmann auch Zeuge derer aus den Völkern, die zum Glauben kommen werden. 48: Das Volk, das in der Haltung von Zuschauern verharrt, wird durch den Ausgang des Geschehens zur Umkehr geführt. Das Schlagen an die Brust ist ihr Ausdruck. So kehren die Zuschauer (zur Stadt) zurück. 49: Zuletzt wird von den Bekannten Jesu gesprochen: Lukas nennt ausdrücklich 'alle', er denkt also auch die Jünger, die ihn zuvor verlassen hatten, aber nicht entflohen sind, als anwesend. Die Frauen aus Galiläa werden besonders erwähnt. Sie gelten damit ausdrücklich als Augenzeugen des Todes Jesu (400).

 

C. Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein (Lk 23,42f)

 A. Strobel

Anhang: Der Tod Jesu und das Sterben des Menschen (Lk 23,39-43) :Lukas ist Zeuge dafür, dass die Bewältigung des Todes nur über die Haltung des Glaubens, die allein ein personhaftes Gottesverhältnis begründet, dem Ewigkeitswert eignet, möglich ist. Wir blicken auf Jesus, wenn wir dem Sterben entgegengehen: 'Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod und lass mich sehn dein Bilde, in deiner Kreuzesnot'. Der sterbende Christus sagt: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Dass Jesus noch in dieser Stunde, in solcher Tiefe, in solcher Dunkelheit, 'Vater' sagt, weist ihn als Sohn aus und lässt den unerhörten Grund solcher Gewissheit ahnen. Hier stirbt einer in Überinstimmung mit seiner Sendung (88).

Der Tod ist die letzte Hingabe, die vom Menschen gefordert wird. Simeon spricht (Lk 2,29f): „Nun, Herr, lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben dein Heil gesehen“. Sterben ist nur annehmbar, wenn ein im Menschen angelegtes tieferes Suchen zum Ziel gelangt ist und Erfüllung findet (92f).

Die Kreuzeswahrheit als Angebot der Hoffnung: Der historische Jesus der Evangelien stellt sich uns dar als der leidende Mensch. Jesus leidet nicht nur als Mensch, sondern er leidet mit dem Menschen. Besonders bei Lukas erscheint Jesus, der Sündenheiland und Menschenfreund, als der mitleidende Mensch schlechthin. Er übt Barmherzigkeit bis zur Selbsthingabe und Selbstaufopferung hinein: „Die Gesunden haben den Arzt nicht nötig, sondern die Kranken“ (Lk 5,31). Wird Jesus als der mitleidende Mensch schlechthin bezeugt, dann war seine Verantwortung eine besondere: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,32). Hat Jesus in diesem Sinn Verantwortung für den Menschen getragen vor Gott, dann darf er auch als der stellvertretende Mensch schlechthin gesehen und bekannt werden (Apg 10,38: „Denn Gott war mit ihm“). Wo jemand Verantwortung trägt, beweist und lebt, da geschieht es immer stellvertretend. Letzte Verantwortung wird immer vor Gott gelebt. Wenn wir sie bei Jesus wahrgenommen sehen, so bezeichnet dies genau den Tatbestand, der uns heute noch immer seine Christuswürde bezeugen lässt (96).

Der zweite Schächer nennt den Gekreuzigten 'Jesus'. Der irdische Heiland musste auch sterben. Im Tod ist er uns gleich geworden. Er musste wie wir erfahren, dass Gott noch in der verfremdeten Maske der Kälte und des Nichts als Vater erkannt, geehrt und angebetet werden will. Dies ist das Letztmögliche, die freie Tat, die höchsten Gehorsam darstellt. Dass Jesus unserer 'gedenkt', liegt daran, dass Gott seiner gedacht hat. Bevor er mit seinem Reich kommt, musste er es selbst zuerst einnehmen durch Glauben und Gehorsam. Worauf wir hoffen und bauen können, ist allein das Gedenken Jesu und insofern dann auch das Gedenken Gottes. Worauf wir bauen, ist sein Wort, seine Zusage. Was ist dies schon, wenn uns nichts mehr übrig bleibt, als an das 'Gedenken' eines gleichfalls Getöteten zu appellieren? Dieser Tiefpunkt markiert die Grenze, die jeder von uns überschreiten muss, um nie wieder in dieses Leben zurückzukehren. Dieser Punkt verbindet uns mit dem bodenlosen Nichts oder mit dem allmächtigen Gott. Beides ist gleich furchtbar, wenn wir nicht einen haben, der unserer 'gedenkt'. „Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42)! Der verzweifelte Mensch wagt nur an das Gedenken Jesu zu appelieren. Aber an der Stätte des Kreuzes ist dessen Wort bedingungsloses, unverkürztes Angebot. Das 'Heute' seines Wortes umfasst die Stunde des österlichen Heils, die Gegenwart seiner Person über den Schritt ins Dunkle hinaus, ja die Zusage dauernder Gemeinschaft im Licht: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Jesus weist nicht auf künftigen Trost hin, sondern er tröstet sofort. Das Paradies ist der Ort der Gerechten und Gerechtgesprochenen. Es ist der Ort der Väter und somit der 'Schoß Abrahams' (Lk 16,22). Es ist die Stätte der uranfänglichen Fürsorge Gottes für den Menschen, worüber er schützend die Hand hält. Es ist die Chiffre für die Treue und Barmherzigkeit Gottes (97f).


 

(3) Zu den Elia-Motiven des Lukas

(a) Die Himmelfahrtsgeschichten
 (b) Elia-Typologie in Lk 23,43
 (c) Elia-Redivivus

Elia 2Kön 2

Maleachi 3,23f: „Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage“.

Jesus Sirach 48,9-12: „Du wurdest emporgehoben in einem Feuersturm, auf einem Wagen mit feurigen Rossen. Du bist bestimmt worden, zur rechten Zeit bereit zu sein, den Zorn zu stillen, ehe der Grimm kommt, das Herz des Vaters wieder zum Sohn zu kehren und die Stämme Jakobs wieder aufzurichten. Wohl denen, die dich gesehen haben und in Liebe zu dir entschlafen sind! So werden auch wir das Leben haben. Als Elia im Feuersturm verborgen war, kam sein Geist auf Elisa. Zu seiner Zeit erschrak er vor keinem Herrscher und niemand hatte Gewalt über ihn“.

 U. Kellermann (1994): 

(a) Die Himmelfahrtsgeschichten : In Lk 24,49-53 und Apg 1,1-12 verdichten sich Motive und sprachliche Wendungen aus der Eliaüberlieferung zu einer Typologie, die sich in Ansätzen bereits bei der Zeichnung des vorösterlichen Weges Jesu im Lukasevangelium verfolgen lässt. Beachtet man, dass Lukas gleichzeitig die durch Markus, durch die Logienquelle und aus der Überlieferung der Täufersekte in Lk 1 vorgegebene Identifizierung Johannes des Täufers mit Elia Redivivus vermeidet, so liegt die Folgerung nahe, dass für ihn neben anderen Erwartungen Israelsdie Hoffnung auf den Elia Redivivus einen Verstehenszugang zum vorösterlichen Jesus bildet. In den von ihm formulierten Himmelfahrtsgeschichten wie in den dort verarbeiteten Traditionen wird Elia-Typologie auch auf den Auferstandenen, Entrückten und in der Endzeit Wiederkehrenden angewendet (2Kön 2,1-18;  Sir 48,9-12;  50,17-22;  Mal 3,1.23f) (123f).

-- Apg 1,1-12: Die in der Überlieferung der Ostererscheinungen singuläre Zeitangabe von vierzig Tagen für die Vorbereitung der Apostel auf ihr kirchengründendes Werk (1,3) gehört nicht nur in die Mose-Tradition, sondern als Analogiebildung zur Vorbereitung Jesu auf sein Werk in Lk 4,1f nach 1Kön 19,8 in die z.T. nach Mose gestaltete Elia-Überlieferung. Wie Elia sich mit Elisa auf dem Weg zu einer besonderen Gotteserfahrung und dessen Nachfolge befindet, ist der Auferstandene mit seinen Jüngern zum Abschied unter dem Zeichen der Wolke für Gottes Gegenwart und zum Beginn ihrer Mündigkeit in der Zeit der Kirche hin unterwegs. Auch das Motiv des Wissens um den Zeitpunkt von Gottes besonderem Handeln in Apg 1,6f hat seine Entsprechung. In den Gesprächen zwischen Elisa und den Prophetenjüngern spielt das Wissen des Zeitpunkts der Hinaufnahme Elias eine große Rolle (2Kön 2,3.5). Diese kennen den Zeitpunkt göttlichen Geschichtshandelns ('heute'); die Jesusjünger dürfen ihn nicht wissen. Die Terminfrage wird Gott anheimgestellt (125f).

-- Nach dem NT geschehen die Erscheinungen des Auferstandenen vom Himmel her. Der bisher älteste Beleg jüdischen Volksglaubens ist mit Mk 15,35f gegeben. Die Verhöhnung „Siehe, er ruft den Elia … Lasst, wir wollen sehen, ob Elia kommt ihn herunterzunehmen“ setzt im hellenistischen Juden(christen-)tum die Vorstellung voraus, dass Elia engelgleich die Frommen aufsucht und belehrt. So belehrt auch der Auferstandene seine Jünger (Apg 1,3-8). Den ältesten Beleg für das Erscheinen des himmlischen Elia zur Unterredung finden wir in der judenchristlichen Überlieferung der Verklärung Jesu: „Da erschienen ihnen Elia mit Mose und sie redeten mit Jesus“ (Mk 9,4). Die Position dieser Überlieferung in der Passionsgeschichte vor dem Jüngergespräch Mk 9,9-13par lässt die inhaltliche Folgerung zu, dass nach Mk/Mt Elia Jesus über seine Funktion in der Heilsgeschichte und bei ihrer Vollendung belehrt hat. Lukas, der das Abstiegsgespräch nicht überliefert, um die Gleichsetzung des Täufers mit Elia Redivivus zu vermeiden, bringt dieses direkt in Lk 9,31 im Zusammenhang mit 9,51 zum Ausdruck. „Sie sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte“. Wie der himmlische Elia die Frommen belehrt, so der Auferstandene bei seinem irdischen Erscheinen die Jünger (127f).

-- Apg 1,4-11: In der jüdischen Hoffnung bleibt Elia seit Mal 3,23f der Wiederkehrende schlechthin (Sir 48,10;  Mk 9,11-13par). Die Zeit von Kreuz, Auferstehung und Ostererscheinungen bis zur Himmelfahrt gehört bei Lukas zum Weg des irdischen Jesus. Mit der Himmelfahrt ist dieser abgeschlossen wie der Weg des Elia. Jesus zieht hin auf seinem Weg (Lk 9,51.53.56f;  10,38;  13,33;  17,11), der seit seiner Richtungnahme nach Jerusalem hinauf wie der Weg des Elia ein Weg zu seiner Hinaufnahme war (Lk 9,51). Er wird nun auch wiederkehren wie Elia (128f).

Mk 9,12/Mt 17,11 bezeugen Elia als endzeitlichen Wiederhersteller: „Elia kommt zuerst und stellt alles wieder her“. Die Jünger fragen in Apg 1,6 nach Jesus und seinem zukünftigen Werk so, dass sie seine Funktion mit denen des Elia Redivivus der frühjüdischen Erwartung gleichsetzen. In der zweiteiligen Antwort Jesu (7f) wird zunächst wie auch in Lk 24,19ff die Frage keineswegs als falsch gestellt zurückgewiesen, sondern unter Aufnahme des Logions Mk 13,32/Mt 24,36 in modifizierter Weise mit der Anheimstellung an Gott in die ferne Zukunft verwiesen, um für die Zeit der Kirche den Jüngern vordringlichere Aufgaben zu eröffnen. Die Frage nach Israel wird durch den Auftrag Jesu, seine Zeugen in Jerusalem, ganz Judäa und Samaria und bis an die Enden der Erde zu werden, aufgebrochen und in einen weiteren Horizont (einschließlich der Heidenmission) überführt. Für die nahe Zukunft stehen das Geschehen der Geistverleihung und die Missionsarbeit der Zeugen Jesu an. Zu beidem kehren die Apostel zurück nach Jerusalem. Das von der Person Jesu erhoffte Werk des Elia Redivivus wird in die ferne Zukunft des kommenden Reichs gerückt (11) (130f).

--Für die Übertragung dieser Erwartung auf den nachösterlichen Weg Jesu bringt Lukas in der Petrusrede Apg 3,11-26 eine Parallele, die in der Form bearbeiteter Tradition in V.19-21 Elemente einer älteren Elia-Redivivus-Erwartung erkennen lässt (131f).

Apg 3,19-26a ist ein nur wenig christlich überarbeitetes Traditionsstück jüdischer Eliaerwartung aus den Täuferkreisen. Umkehr wie V 19 fordert, bleibt Werk des Elia Redivivus in der jüdischen Hoffnung, wie ihm auch die Vollmacht zur Sündenvergebung zuzuschreiben ist. Auch in V 20 muss man trotz messianischer Einfärbung terminologische und sachliche Nähe zu LXX Sir 48,10 annehmen. Dort erscheinen ebenso die Kairoi der Beschwichtigung vor dem Entbrennen des Gotteszorns. Dort findet sich das Thema der Vorherbestimmung: „der du aufgeschrieben bist in den Strafreden (Maleachis), um in den (End-)Zeiten den Zorn zu beschwichtigen“. Die gesamte von Mal 3,23f ausgehende Elia-Redivivus-Überlieferung setzt dessen eschatologische Sendung vom Himmel her voraus. In V 21 sind die Motive der Aufnahme in den Himmel und der Apokatastasis der Eliaüberlieferung zuzuordnen. Woher anders sollte die Vorstellung von der Bereithaltung und Aufbewahrung im Himmel gekommen sein (132f)?

Der Text Apg 3,19-21 zeigt das Gepräge einer exklusiv auf Israel ausgerichteten Umkehrpredigt. Lukas hat, um trotz aller Betonung der Heilsgegenwart in der Apg den Blick auf die Zukunft des Gottesreichs durchzuhalten, Elia-Christologie als notwendigen, integrierenden Bestandteil judenchristlicher Christologie bewahrt. Von Apg 3,19-21 fällt entscheidendes Licht auch auf die Elia-Elemente in den Himmelfahrtsüberlieferungen bes. Apg 1,6.11 (133f).

--Der in Apg 1,6 von den Jüngern angesprochene Eliatext Sir 48,10 und die Rede Jesu von ihrer Zeugenschaft 'bis an das Ende der Erde' greifen beide auf die zweiteilige Funktionsansage im zweiten Gottesknechtlied Jes 49,6 zurück: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten...Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reiche“. Die aus Jes 49,6 übernommene Bestimmung 'bis an das Ende der Erde' spiegelt wie das Zitat Apg 13,47 zusammen mit den übrigen geographischen Angaben die Gliederung der Apg nach dem Fortschreiten der Mission. Bevor der wiederkehrende Jesus sein Elia-Werk im Licht des Gottesknechtliedes für Israel vollendet, haben die Jünger in der Zeit der Kirche als Zeugen Gottes nach Jes 43,10.12;  44,8 das Werk des Gottesknechts an den Völkern durchzuführen. Dem entspricht die Verheißung des Geistes (Apg 1,5.8) an die Jünger. Nach dem ersten Lied Jes 42,1-4 wird der Knecht für seine Aufgabe an den Völkern (die auch Jes 42,6.7f;  49,6 im Auge haben) ebenfalls mit der Kraft des Gottesgeistes ausgerüstet. Nun empfangen die Boten Jesu wie einst er selbst (Lk 3,22) in Entsprechung zum Gottesknecht den Geist. Der erhöhte Gottesknecht (Apg 3,13) sendet so seine Knechte in die Völkerwelt (Apg 13,47), bevor er am Ende die Funktionen des Elia-Redivivus an Israel ausführt. Elia-Christologie im Horizont Israels wird so heilsgeschichtlich hintangestellt, um Gottesknecht-Ekklesiologie im Horizont der Völkerwelt herauszustellen. Dadurch erreicht Lukas, dass dieses Israel eine andere, unerwartete Gestalt bekommt. Zur Wiederherstellung Israels gehört für ihn auch die Einbeziehung der Heiden. Die Apokatastasis Israels ist nicht ohne die Apokatastasis der Völker (Apg 15,16f) vollendet. Das Faszinierende an der lkn Gestaltung der Himmelfahrtsgeschichte besteht im Miteinander von einer durchgehenden Prägung durch Motive der jüdischen Elia-Hoffnung und vom Durchbrechen ihrer Grenzen durch eine Gottesknecht-Hoffnung. Lukas kommt so von der Prävalenz Israels am universalen Heil trotz der Ablehnung, die Jesus bzw. seine Botschaft im Mund der Jünger erfährt und damit von der besonderen Erwählung Israels nicht los, wie auch das Ende seiner Schrift Apg 28,23-28 zeigt (134f).

Wenn für Lukas eine Elia-Christologie auch heilsgeschichtlich durch eine universale Gottesknecht-Ekklesiologie überholt wird, so hat diese doch in Apg 1,4-11 und 3,19-21 auch bleibende positive Funktionen:

-- Sie hilft Lukas, bei der Bearbeitung und Ausgestaltung der älteren Himmelfahrtsüberlierung die Ausrichtung auf die Parusie bei aller Betonung der Gegenwart des Heils und damit die Zukünftigkeit des Gottesreichs in der Erfahrung der sich dehnenden Zeit bzw. des Zerfalls der Naherwartung durchzuhalten.

-- Lukas greift jüdische Elia-Erwartung in urchristlicher Prägung auf, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Wiederkunft Jesu auch in der Bekehrungspredigt für Israel ein unaufgebbarer Verkündigungsinhalt ist.

-- Die Anknüpfung an eine auf Israel begrenzte Christologie hilft Lukas, die Hoffnung auf die Umkehr Israels, die nach manchen Stellen seines Werkes aufgegeben zu sein scheint, dennoch nicht verloren zu geben. Mit der Integration von Elementen einer exklusiv judenchristlichen Elia-Christologie, auf die die bewusste Formung von Apg 1,6 und 3,19-21 in jüdischen Denkkategorien hinweist, hält Lukas die Jesus-Frage für Israel offen und bleibt damit den von dem zum Himmel Erhöhten gesetzten Anfängen 'in Jerusalem, Judäa und ganz Galiläa' treu.

-- Die auf den wiederkehrenden Jesus übertragene jüdische Eliahoffnung hilft Lukas, die politische Hoffnung auf die Erlösung Israels (Lk 24,21a) durch den messianischen Propheten (Lk 24,19) durchzuhalten angesichts Israels Katastrophe im jüdisch-römischen Krieg unter deren Horizont er sein Doppelwerk verfaßt (136).


 

U. Kellermann (1996):

(b) Elia-Typologie in Lk 23,43 :  Das christologische Profil der Schächerszene: Die Erklärung „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (V.43) spiegelt die Anschauung einer postmortalen Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus. Sie entspricht dem jüdischen und urchristlichen Gedanken von der Erhöhung des Märtyrers unmittelbar nach seinem Sterben in die Nähe Gottes und in dieser Hinsicht auch der besonderen Gestaltung der Passionsgeschichte bei Lukas (35).

Die Passion Jesu als Martyrium: Der neutestamentliche, exklusive Sprachgebrauch von 'Paradies' für den Himmel Gottes (2Kor 12,4) oder die jenseitige Heilsvollendung (Offb 2,7) und der vorausgesetzte Gedanke der Himmelfahrt vom Kreuz aus nötigen dazu, das 'Paradies' (V.43) als himmlische Wirklichkeit, als den überräumlichen Bereich der Gottesnähe zu begreifen. Jesus tritt durch den Tod hindurch sofort die ihm vom Vater zugedachte himmlische Herrschaft an. Bei der Lesart: „Wenn du in dein Reich kommst“ denkt der Schächer an die postmortale Erhöhung Jesu in den Himmel. Die Kennzeichnung der himmlischen Märtyrerhoheit als Herrschaft entspricht jüdischer Märtyrertheologie. Der Überraschungseffekt besteht darin, dass der Märtyrer Jesus den reuigen Sünder in seine Herrschaft mitnimmt und so sein im dritten Evangelium besonders betontes Vergebungswerk bis in die Todesstunde hinein durchhält: Der mit ihm Verbundene hat Heimatrecht im Paradies.

Soteriologische Funktionen und christologische Würden Jesu

-- Jesus eignet die Vollmacht, in das Paradies zu führen.

-- Schulderkenntnis und Umkehr des Schächers (V.41f) und die heilvolle Zusage Jesu (V.43) schließen nach der vorangehenden Bitte (V.34: „Vater vergib ihnen“) die Vermittlung von Vergebung der Sünden als Vollmacht Jesu ein.

-- Jesus weiß um den Paradiesplatz für den Schächer. Diese Kenntnis bringt auch das vorangestellte, bekräftigende „Amen, ich sage dir“zum Ausdruck.

Die Leitworte 'Messias', 'Herrschaft (des Messias)' und 'Paradies' weisen in die Glaubenswelt des Frühjudentums (36f).

Elia und das Paradies: Eine Hoheitsgestalt, der im Judentum solche Funktionen zugeschrieben werden, bleibt der himmlisch erhöhte und engelgleich gewordene Elia, der immer wieder Menschen auf Erden erscheint. Von ihm wird erzählt, dass er als Seelenführer der Verstorbenen ins Paradies auftritt und ihm auch das Wissen über die Plätze der Gerechten im Garten Eden eignet. Deshalb liegt es nahe, bei der Zusage Jesu: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ an Elia-Typologie des Lukas zu denken (39).

In der Schächerszene (Lk 23,39-43) finden sich weitere Elia-Anspielungen, die die Vermutung von Elia-Typologie in der Zusage an den Schächer bestärken. Das betonte 'heute' (V.43) könnte auf das dreimalige 'heute' in der Geschichte der Hinaufnahme Elias (2Kön 2,3.5.9f) anspielen. Die Erwähnung des Reichs Jesu (V.42) steht einer Elia-Typologie nicht fern, wie die Frage nach der Herstellung des Reichs für Israel (Apg 1,6) in Aufnahme von Sir 48,10 zeigt. Nach der auf Mal 3,23f fußenden Elia-Redivivus-Erwartung ist der wiederkehrende Prophet Herold und Initiationsgestalt des kommenden Gottesreichs. Die Worte des Schächers: „Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten … denk an mich“ (V.41f), bringen Umkehr in letzter Stunde zum Ausdruck. Mit Elias Kommen ist in den Erwartungen des Judentums die Umkehr Israels verbunden. Lukas, der die Markusüberlieferung gekannt hat, lässt die Elia-Spott-Szene aus. Statt ihrer setzt er vor die Mitteilung des Sterbens Jesu das Gespräch mit dem Schächer (23,39-43) in einer wichtigen Mittelstellung. Ein Grund für die Auslassung dieser am Namen Elias orientierten Verspottungsszene kann neben der Unvereinbarkeit des Verlassenheitsschreis Jesu (Mk 15,35) mit dem Vertrauensgebet des Märtyrers aus Ps 31,6 (Lk 23,46) auch darin bestehen, dass der dritte Evangelist Jesus mit dem im Frühjudentum erwarteten Elia Redivivus identifiziert hat: Elia kann nicht herbeigerufen werden, da er im Gekreuzigten gegenwärtig ist und erneut seine Auffahrt in die himmlische Herrlichkeit durch sein Sterben hindurch erfahren wird, wie es auch im Frühjudentum den Gedanken eines Martyriums, des Todes und der erneuten Hinaufnahme des Elia-Redivivus gegeben hat. Der Gekreuzigte stirbt in der Gewissheit der Annahme durch den Vater. In dieser Gewissheit eröffnet er auch dem reuigen Schächer, ihn mit in das himmlische Paradies zu nehmen. Er hat die Vollmacht, weil er als der Elia-Redivivus wie der himmlische Elia in der jüdischen Glaubenswelt die Seelen der Verstorbenen ins Paradies führen kann (51f).

O.Cullmann

(c) Elia-Redivivus : - Der endzeitliche Prophet im Neuen Testament

Johannes der Täufer wird mit dem wiederkehrenden Elia identifiziert, einerseits in dem späteren Sinn eines Vorläufers des Messias, andererseits im ursprünglichen Sinn eines Vorläufers Gottes selbst. In Mt 11,8ff bezeichnet Jesus den Täufer als Elia redivivus: „... er ist mehr als ein Prophet …, er ist Elia, der kommen soll“. D.h. Johannes ist der Prophet, der am Ende der Zeiten kommen soll. Nach Meinung des Evangelisten bezeichnet Jesus den Täufer hier als Vorläufer des Messias. Wenn Jesus sich selbst als den Messias angesehen hat, ist ohnehin nur diese Auffassung möglich (22f).

MK 9,11ffpar:Und seine Jünger fragten ihn: Warum sagen die Schriftgelehrten, zuerst müsse Elia kommen? Er antwortete und sprach: Elia kommt und wird alles wiederherstellen. Ich sage euch aber, Elia ist schon gekommen und sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm getan, was sie wollten. So wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen“. Hier bezeichnet Jesus den Täufer als den wiedergekommenen Elia. Wenn die Verbindung mit dem Menschensohn auf Jesus selbst zurückgeht, so ist auch hier von Johannes als dem Elia Redivivus, als dem Vorläufer des Menschensohns-Jesus, die Rede. Nach dem Wort Jesu erfüllt der endzeitliche Prophet in seiner Person auch das Los aller früheren Propheten: nämlich verfolgt zu werden. Seine Rolle besteht nicht nur in der Bußpredigt, sondern darüber hinaus im Leiden (23).

Daneben wird Johannes der Täufer als der endzeitliche Prophet im Sinn des Vorläufers Gottes selbst angesehen: Im Protevangelium des Lukas sind aus den Kreisen der Täuferjünger stammende unabhängige Traditionen über Johannes enthalten. Im Lobgesang des Zacharias (Lk 1,76) heißt der Täufer 'Prophet des Höchsten', „Du wirst vor dem Herrn einhergehen, um seinen Weg zu bereiten“. Mit dem Herrn ist hier Jahwe gemeint. Die gleiche Auffassung vom kommenden Propheten ist in der Ankündigung des Engels (Lk 1,17) bezeugt: „Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft des Elia, um die Herzen der Väter zu den Kindern zurückzubringen und die Ungehorsamen zur Gesinnung der Gerechten, um dem Herrn ein wohlgerüstetes Volk zu bereiten“. Auch hier muss damit gerechnet werden, dass der Evangelist das Wort 'dem Herrn' nachträglich auf Jesus bezogen hat. In den synoptischen Evangelien wird Johannes der Täufer als der endzeitliche Prophet angesehen: einerseits als Vorläufer Gottes, andererseits im Sinne eines Vorläufers des Messias (23f).

Johannes selber hat sich nicht für den endzeitlichen Propheten im Sinn des Wegbereiters Gottes gehalten: In Mt 11,2ff lässt der Täufer Jesus fragen, ob er der sei, der kommen soll, oder ob man auf einen anderen warten soll. Der Täufer erwartet noch einen anderen göttlichen Abgesandten, der nach ihm kommen soll. Das ergibt sich auch aus seiner Taufpredigt, wo er von dem Stärkeren spricht, der nach ihm kommen werde, wo betont ist, dass der nachher Kommende mit der größeren göttlichen Kraft ausgerüstet ist. D.h. er hat sich selber nicht als den Propheten im Sinn des Vorläufers Gottes angesehen. Nach der synoptischen Tradition haben die ersten Christen und wohl schon Jesus, im Täufer den Propheten als Vorläufer des Messias gesehen, während die Täuferjünger ihn als den endgültigen Propheten betrachteten, der Gott selbst den Weg bereitete. Die spätere Sekte der Täuferjünger hielt den Täufer für den Messias, eine Meinung, die nach Lk 3,15 schon zu Lebzeiten des Johannes erwogen worden war. Nach der Glaubensüberzeugung der Täuferjünger ist Johannes der endzeitliche Prophet, der selbst Gott den Weg zur Aufrichtung seines Reichs bereitet (24f).

Nach den synoptischen Evangelien sowie den mandäischen Texten ist Johannes der Täufer nach seinem Tod von seinen Jüngern als der Prophet angesehen worden, als der wiedergekehrte Elia, im Sinn eines direkten Vorläufers Gottes, so dass die Rolle eines Messias überflüssig wird. Andererseits haben die Jünger Jesu und Jesus selbst den Täufer ebenfalls als den Propheten betrachtet, als den wiedergekehrten Elia, aber im Sinn eines Vorläufers des Messias (26).

Jh 1,21: Die Juden fragten Johannes: „Bist du Elia“? Er spricht: „Ich bin es nicht“. „Bist du der Prophet“? Er antwortet: „Nein“. Johannes der Täufer lehnt für seine Person den Titel ab, den ihm Jesus in den Synoptikern gewährt. Im vierten Evangelium, besonders im Prolog wird eine Polemik nicht gegen den Täufer, aber gegen die Täufersekte geführt, die Johannes nach seinem Tod als den endgültigen Propheten, den Vorläufer Gottes, betrachtet und ihm damit eine Rolle zuerkannte, die einen nach ihm kommenden Messias ausschließt. Der Johannesprolog bringt ein Wort des Täufers, das die Antwort auf diesen Einwand enthält: „Der, der nach mir kommt, ist mir zuvorgekommen, denn er war vor mir (Jh 1,15). Die Präexistenz Christi steht hier im Hintergrund. Der Täufer sagt: „Ihr seid Zeugen, dass ich gesagt habe, ich bin nicht der Christus“ (3,28). „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (3,30). „Wer von oben her kommt, der ist über allen; wer von der Erde ist, der redet von der Erde her“ (3,31) (27f).

Am Ende des 1. Jh. gab es eine polemische Auseinandersetzung zwischen Johannesjüngern und Judenchristen. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung stand nicht der Titel 'Christus', sondern der Titel 'Prophet'. Die Judenchristen bezeichneten Jesus als den 'wahren Propheten' (28).

Ph. Vielhauer:

Das Benedictus des Zacharias (Lk 1,68-79)Lk 1,17 spricht nicht von einer Wiederkehr Elias, sondern von der Ausübung der ihm zugeschriebenen endzeitlichen Aufgaben durch einen mit dem Geist und der Kraft des Elias wirkenden Menschen. Dieser 'zweite Elia' ist nicht der Vorläufer des Messias, sondern der unmittelbare Vorläufer des zu seinem Volk kommenden Gottes. Er ist Herold und Wegbereiter Gottes, indem er das prophetische Amt der Bußpredigt ausübt, deren Ziel wird im Anschluss an Mal 3,23f als innere Wiederherstellung und als Bekehrung der Gottlosen beschrieben. Die Kinder Israels, die sich bekehren lassen, bilden das für Gott zubereitete Volk, die Heilsgemeinde, die auf Gottes Kommen wartet. Von einem Messias ist nicht die Rede, Johannes selbst ist eine messianische Gestalt (260).

Das Benedictus feiert im ersten Teil (68-75) den Anbruch der Heilszeit, im zweiten Teil (76-79) die Geburt des Kindes Johannes. Die Anschauungen des ersten Teils sind der nationalen jüdischen Eschatologie entnommen: Das Heil wird durch die Heimsuchung Gottes herbeigeführt und durch einen politischen Messias aus Davids-Haus verwirklicht. Es besteht in Erlösung und Rettung des Volkes aus der Hand seiner Feinde und im Dienst Gottes und ist so die Erfüllung der Verheißungen des Bundesgottes. Das erwartete Heil besteht in Sündenvergebung und Friede für die, die in 'Todesschatten' wohnen. An der Verwirklichung dieses Heils hat Johannes teil, indem er 'vor dem Herrn herzieht' und ihm den Weg bereitet (260f).

Der zweite Teil des Benedictus ist ein Lied: (76) Und du Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest (77) und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden (78) durch die Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, (79) damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“.

Prophet des Höchsten“(76) ist Elia-Attribut. Damit ist nicht beantwortet, ob Johannes als 'prophetischer Messias' oder als Vorläufer des Messias gelten soll. Elia kann beide Funktionen ausüben und ist jedesmal als 'zweiter Mose' gedacht. Es ist nicht entschieden, ob der Kyrios Jahwe oder Jesus ist, ob Johannes Vorläufer Gottes oder des Messias ist (262f).

Es ist möglich, die Messiasprädikation (78f) sowohl auf Johannes als auch auf Jesus zu beziehen. Der Prophet des Höchsten (76) ist dem „Sohn des Höchsten“ (1,32) untergeordnet, er ist Vorläufer des Kyrios, dem seine Mutter Elisabeth gehuldigt hat (1,41.44). Seine ganze Mission ist auf die Erscheinung dieses Kyrios bezogen (Der Besuch der Barmherzigkeit Gottes ist im Aufgang des himmlischen Lichtes im Messias Christus als der Sonne der Welt geschehen) (264f).

Es fehlt das Subordinationsmotiv, das die christliche Deutung des Täufers in den Evangelien, aber auch die messianische Verkündigung des Täufers selbst (Mk 1,7fparr) bestimmt. Dieser Text ist eine Einheit, entweder ganz christlich oder ganz täuferisch. Die Entscheidung fällt beim Verständnis des Wortes Kyrios (76). In der Gabrielszene ist der Kyrios immer Gott, wie überhaupt in Lk 1-2 (Ausn. 1,43 und 2,11). Die Verwendung des Wortes Kyrios in den lkn Vorgeschichten macht es wahrscheinlich, dass auch in V 76 Kyrios Gottesbezeichnung ist (265f).

Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Lied aus der Täufersekte stammt und den Täufer als den endzeitlichen Vorläufer Gottes, Offenbarer und Heilbringer feiert. Dass die Taufe, die dem Johannes und seinem Werk den Namen gegeben hat, in Lk 1 nicht erwähnt wird, ist seltsam. An Stelle der eschatologischen Gestalt, als deren Vorläufer sich Johannes verstanden hat, ist in den beiden Weissagungen er selbst getreten, als Wegbereiter nicht eines Messias, sondern Gottes selbst. Diese Differenz zeigt, dass die Täufergemeinde eine andere Messianologie vertritt als der Täufer. Als der von Johannes geweissagte Messias nicht erschien, machten seine Jünger ihren Meister selbst zum Messias (267f).

Die Existenz der Täufer-Gemeinde ist für den palästinisch-syrischen Raum in der zweiten Hälfte des 1. Jh. verbürgt. Eine messianische Verehrung des Täufers ist durch die Ps. Clementinen und Ephraem bezeugt, indirekt aber durch Lk 3,15 und das vierte Evangelium. Zwischen diesen und den Texten in Lk 1 besteht in zwei Punkten Übereinstimmung. Das ist die Vorstellung vom prophetischen Messias (Lk 1,17.76), der als zweiter Elia gedacht ist. Gegen diese Auffassung des Täufers polemisiert Jh 1,19-28. Die astralen Züge seiner Messianität, die man aus dem Johannes-Evangelium erschlossen hat, treffen sich mit der Charakteristik des Täufers in Lk 1,78f. Wenn es in Jh 1,8 vom Täufer heißt: „nicht er war das Licht, sondern er sollte (nur) zeugen vom Licht“, so klingt das wie eine Polemik gegen die Aussage des Benedictus, er sei das aufgehende himmlische Licht, das denen scheint, die in Finsternis und Todesschatten sitzen. Wenn die Vorstellung vom prophetischen Messias und die Astralsymbolik aus dem vierten Evangelium als Charakteristika des täuferischen Johannesbildes zu erkennen sind, so spricht ihre Kombination auf dem engen Raum des Benedictus dafür, dass dieser Text ein Zeugnis für die messianische Verehrung des Täufers, also ein täuferisches Dokument ist. Es fügt sich in den geistigen Rahmen der Täuferbewegung ein (268f).

Wie konnte der Christ Lukas Dokumente dieses täuferischen Glaubens in sein Evangelium übernehmen, ohne sie in christlichem Sinn zu korrigieren oder gegen sie zu polemisieren? Lukas wollte den Täufer als den Vorläufer des Messias Jesus schildern. Diesem Zweck dient auch die Einlage täuferischer Dokumente. Er erreicht ihn durch die parallele Darstellung der Vorgeschichte des Johannes und Jesu und durch die Berichte über den Täufer in Kp.3, besonder durch die Ablehnung der Messiaswürde durch Johannes selbst (Lk 3,15ff). Damit war die Gefahr eines messianischen Verständnisses des Täufers gebannt und dieser als Vorläufer des christlichen Messias für die christliche Gemeinde beschlagnahmt (269).

Die Doppeldeutigkeit des Kyriostitels (Jahwe, Jesus) genügte, um sein christologisches Verständnis in den Gemeinden, für die Lukas schrieb, leicht zu machen. Die Elia-Attribute, die dem Täufer von seiner Gemeinde beigelegt worden waren, waren leicht im christlichen Sinn zu verstehen. Die christliche Gemeinde übernahm aus der eschatologischen Tradition des Spätjudentums das Theologumenon von der Wiederkehr Elias, in der verbreiteten Modifikation, nach der Elia der Vorläufer des Messias sein sollte und verband diese Vorstellung mit der Person des Täufers. In dieser Ausbildung erfüllte die Elia-Theorie einen missionarischen und apologetischen Zweck dem Judentum wie dem Täufertum gegenüber. Wenn Lukas echt täuferische Texte seiner Darstellung einverleibte und ihnen durch den Kontext einen christlichen Sinn gab, zeigt er der Täufergemeinde, dass er als Christ ihr Bekenntnis zum Täufer besser verstand als sie selbst und rief sie damit zu Zeugen der Messianität Jesu auf. Im Ablauf der lkn Heilsgeschichte hat der Täufer eine zentrale Stellung: mit seinem Erscheinen als Vorläufer des Messias Jesus bricht die Heilszeit an:Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein“ (Lk 16,16) (270f).

 

(4) Himmelfahrt und Erhöhung im NT außerhalb der lkn Schriften

Auferweckung und Erhöhung meinen im Urchristentum dasselbe Ereignis

(a) Paulus
 (b) 1Petrusbrief
 (c) Hebräerbrief
 (d) Markusevangelium
 (e) Matthäusevangelium
 (f) Ergebnis

 G. Lohfink (1971)

 (a) Paulus 1Thess 1,9f: ... wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet“. Es geht um traditionelle Formulierungen (s. Die Areopagrede Apg 17,22-32). In 1Thess 1,9f besitzen wir in festgeprägter Form nicht nur einen knappen Abriss der pln, sondern ganz allgemein der urchristlichen Missionspredigt vor Heiden. Sinn des eingeschobenen Relativsatzes kann nur sein, näherhin zu begründen, warum Jesus aus den Himmeln erscheinen kann und zugleich zu bekräftigen, dass er wirklich erscheinen wird. Die Auferweckung Jesu ist Voraussetzung und Bekräftigung, dass er vom Himmel her erscheinen wird. Aufgrund seiner Auferweckung darf man Jesus vom Himmel her erwarten. Er ist auferstanden, deshalb kommt er vom Himmel (81f).

1Kor 15,3-8: In den Vv 3b-5 liegt eine der ältesten urchristlichen Bekenntnisformeln vor. Die Formel nennt hintereinander den Tod Jesu, sein Begräbnis, seine Auferweckung, seine Erscheinung vor Kephas und vor den Zwölfen. An das dreifache 'erschienen' der zuvor aufgezählten Erscheinungen reiht Paulus die ihm selbst widerfahrene Erscheinung des Auferstandenen einfach an. Paulus setzt voraus, dass ihm Jesus seiner Auffassung nach nicht anders erschienen war als schon den anderen vor ihm. Das Schema Auferstehung – Zwischenzeit – Himmelfahrt von Apg 1 ist Paulus und der von ihm vertretenen Tradition unbekannt (82f).

Röm 1,3f:...geboren aus dem Samen Davids nach dem Fleisch, bestimmt zum Sohn Gottes (in Kraft) nach dem Geist der Heiligkeit (durch die Auferstehung von den Toten)“. Sicher ist, dass die Formel die sarkische und pneumatische Seinsweise Jesu einander gegenüberstellt. Beide Seinsweisen folgen zeitlich aufeinander. Die erste beginnt mit der irdischen Existenz Jesu, die zweite mit seiner Auferweckung. Der Christus nach dem Pneuma ist der Erhöhte und in seine messianische Herrschaft Eingesetzte. Er besitzt die volle Macht, bzw. Gott hat ihn machtvoll eingesetzt. Diese Daseinsweise des erhöhten und in seine messiansiche Herrschaft eingesetzten Christus ist seit/kraft seiner Auferstehung (83).

Röm 8,34:Wer ist es, der (uns) verdammt? (Etwa) Jesus Christus, der doch (für uns) gestorben ist, mehr noch, der auferweckt wurde und der (somit) zur Rechten Gottes ist und für uns eintritt“? Für Paulus ist das Erhöhtsein Jesu mit der Auferweckung gegeben. Jesus ist auferweckt, heißt zugleich: Er ist zur Rechten des Vaters (84f).

Röm 14,9: Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei“. Durch Tod und Auferstehung ist Jesus zur Herrschaft gelangt über Lebende und Tote. Das 'Herrschen' setzt seine Erhöhung voraus (85).

Phil 2,6-11: Obwohl dieses Lied den Weg des Erlösers von seiner himmlischen Präexistenz über die Menschwerdung und Erniedrigung bis zu seiner Inthronisiation und der Anbetung durch den gesamten Kosmos zum Inhalt hat, wird die Auferweckung nicht erwähnt. Nach der Nennung des Todes (V 8) schließt sich mit 'dio' unmittelbar die Erhöhungsaussage an, die durch das Motiv der Namensverleihung und Akklamation entfaltet wird. Es geht um das Schema Erniedrigung – Erhöhung. Die Auferweckung ist nicht ausgeklammert, sondern in den stärker reflektierten Erhöhungsbegriff aufgenommen. Das 'über alle Maßen erhöht' (2,9) enthält die Auferweckung Jesu und zugleich sein 'Sitzen zur Rechten'. Paulus gleicht den Christushymnus lediglich durch eine stärkere Betonung des Kreuzestodes dem ihm geläufigeren Schema Tod – Auferweckung an. Für Paulus sind Auferweckung und Erhöhung identisch (85f).

Kol 3,1:Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“. Das Sitzen zur Rechten ist unmittelbare Folge und Konsequenz der Auferweckung.

Eph 1,20:... ihn (Christus) hat er auferweckt von den Toten und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel“. Auferweckung und Erhöhung sind als die verschiedenen Seiten eines einzigen Geschehens zu interpretieren.

Eph 2,5f:Obwohl wir tot waren durch die Sünden, hat er uns mit Christus lebendig gemacht...; und er hat uns mitauferweckt und miteingesetzt im Himmel in Christus Jesus“. Es handelt sich um zwei Aspekte eines einzigen Vorgangs. Das 'mitauferweckt' und 'miteingesetzt' entfalten das grundlegende mit Christus lebendig gemacht.

Eph 4,10: Der hinabgefahren ist, ist derselbe, der aufgefahren ist über alle Himmel...“. Wie in Jh 3,13 liegt das Schema Abstieg – Aufstieg des Erlösers zugrunde. In diesem Schema ist der Aufstieg genauso unsichtbar wie der Abstieg. Das Hinaufsteigen vollzieht sich in der himmlischen Welt. Mit dem Abstieg ist die Inkarnation gemeint (87).

1Tim 3,16:... Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertig im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit“. Die Erhöhung ist keine Erhöhung vor den Augen der Jünger. Sichtbar wird sie nur im Siegeszug des Evangeliums durch die Völker (88f).

 

(b) 1Petrusbrief: 1Ptr 1,21:... Gott, der ihn (Christus) auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben hat...“. Gott hat Christus ausersehen vor aller Schöpfung, er hat ihn in der Endzeit offenbar gemacht, ihn von den Toten auferweckt und ihn erhöht. Auferweckung und Erhöhung sind nebeneinander geordnet.

1Ptr 3,18f: ... Christus ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. In ihm ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis“. Im Geist, in der neuen, pneumatischen Seinsweise, die ihm durch die Auferweckung zuteil wurde, ist Christus hingegangen und predigte den Geistern im Gefängnis. Die Predigt Christi erfolgt während seiner Himmelfahrt. Es ergibt sich die Folge: getötet – lebendig gemacht – hingegangen, d.h. die Himmelfahrt ist deutlich von der Auferweckung abgehoben (90).

1Ptr 3,21f:... durch die Auferstehung Jesu Christi, welcher ist zur Rechten Gottes, aufgefahren gen Himmel...“. Der 1Petrusbrief gehört zusammen mit dem Epheser – und Kolosserbrief in einen kirchlichen Raum, in dem sich bereits eine 'kosmische' Christologie ausgebildet hat. Diese Christologie denkt intensiver über die Erhöhung nach, weil sie aufs stärkste an dem Motiv des Sieges Christi über die Mächte und Gewalten im Himmel interessiert ist. Der Text fährt fort: „aufgefahren gen Himmel, und es sind ihm untertan die Engel, die Gewalten und die Mächte“.

Die Himmelfahrt in 1Ptr 3,19.22 ist wie in 1Tim 3,16 ein unsichtbares Geschehen, das sich in himmlischen Räumen abspielt. Dafür spricht die während der Auffahrt stattfindende Unterwerfung der Mächte und Gewalten (90).

 (c) Hebräerbrief Von der Auferweckung Jesu ist nur in 13,20 die Rede, hingegen häufig von seinem Durchschreiten der Himmel (4,14;  7,26) und von seinem Eintreten in das himmlische Heiligtum (6,19f;  9,11f.24). Auch dem Hebr liegt das ältere Erhöhungskerygma zugrunde:

Hebr 1,3:... er hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe“.

Hebr 2,9:... Jesus sehen wir durch das Leiden des Todes mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt...“.

Hebr 12,2:... der … das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“.

Diesen drei Texten ist gemeinsam, dass jeweils sofort nach der Nennung des Kreuzestodes von der Inthronisation Jesu die Rede ist. Wie Phil 2,9 wird die Auferweckung nicht genannt. Die Inthronisationsaussage ist aktivisch (1,3;  12,2) oder passivisch (2,9) formuliert. Sie erfolgt in allen drei Fällen unter Zuhilfenahme einer Psalmstelle (Ps 110 in 1,3 und 12,2; Ps 8 in 2,9) (91).

Hebr 1,5:... Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“. Für eine Erhöhungsaussage sprechen folgende Gründe: Der Verfasser des Hebr wird gewusst haben, dass Ps 2,7 ein Inthronisationsschema zugrunde liegt. Hebr 1,3 ist von der Inthronisation Jesu die Rede. Aus V4 ergibt sich, dass es im folgenden nicht nur um die Größe und Erhabenheit des Sohnesnamens Jesu geht, sondern zugleich um das Geschehen, bei dem er einen solchen Namen erhielt. Die gesamte Zitatenkette 1,5-13 bildet einen feierlichen Inthronisationshymnus (91f).

Hebr 5,5: wird die Zitation von Ps 2,7 folgendermaßen eingeführt: „So hat auch Christus sich nicht selbst die Ehre beigelegt, Hoherpriester zu werden, sondern der, der zu ihm gesagt hat: Mein Sohn bist du...“. Der Zuspruch Gottes bewirkte die Einsetzung. Wann geschah diese Einsetzung? V 6: „... Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedek“. Das Zitat aus Ps 110 muss als Zuspruch Gottes bei der Erhöhung Jesu verstanden werden, denn im Anschluss an dieses zweite Zitat ist die Rede von dem vollkommenen Gehorsam Jesu in den Tagen seines Fleisches (V 7f). Dann heißt es weiter: „Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden, genannt von Gott ein Hoherpriester nach der Ordnung des Melchisedek“ (V 9f). Die Vollendung Jesu erfolgt aufgrund seines Gehorsams im Fleisch, sie ist identisch mit seiner Erhöhung oder schließt diese mit ein. Im Zusammenhang mit seiner 'Vollendung' wird Jesus von Gott als Hoherpriester nach der Ordnung des Melchisedek angeredet. Ps 110,4 wird in Hebr 5 genauso wie Ps 2,7 als göttlicher Zuspruch verstanden, der die Erhöhung und Einsetzung Jesu zum Sohn und ewigen Hohenpriester unmittelbar bewirkt hat. Der göttliche Zuspruch bzw. die Namensverleihung ist entscheidender Bestandteil der Inthronisation (wie Phil 2,9) (92f).

 (d) Markusevangelium : Nirgendwo in der zum Teil älteren Briefliteratur gibt es Anzeichen für die Tradition einer sichtbaren Himmelfahrt. Dort fielen vielmehr Auferweckung und Erhöhung zusammen. Für Markus wird man die gleiche Auffassung und nicht etwa die Anschauung einer sichtbaren Himmelfahrt präsumieren müssen (93).

 (e) Matthäusevangelium : In den Vv 28,18b-20 spricht Jesus als der bereits in die himmlische Herrlichkeit Erhöhte. Mt 28,18 setzt die Erhöhung Jesu voraus. Denn eine höhere Stellung als diejenige, die ihm „alle Macht im Himmel und auf der Erde“ einräumt, ist für Jesus nicht denkbar. Die Erscheinung vor den elf Jüngern auf dem Berg in Galiläa ist Abschluss und Vollendung (94).

 (f) Ergebnis : Nirgendwo finden sich Indizien einer sichtbaren Himmelfahrt bzw. eine Entrückung, wie wir sie von Lukas kennen. 1Kor 15,3-8 und Mt 28,18-20 scheinen die lkn Konzeption völlig auszuschließen. Auch von einer Zwischenzeit, die Auferweckung und Erhöhung (oder Auferstehung und Himmelfahrt) voneinander trennt, ist nirgends die Rede. Auferweckung und Erhöhung bilden eine innere Einheit.

- Es wird terminologisch nur von Auferweckung gesprochen, aber die Erhöhung ist mitausgesagt: Röm 14,9; 1Kor 15,3-8; 1Thess 1,9f.

- Es wird terminologisch nur von Erhöhung bzw. Himmelfahrt gesprochen, die Auferweckung ist dabei aber in der Erhöhungsaussage impliziert: Eph 4,8-10; Phil 2,6-11; 1Tim 3,16; Hebr 1,3.5;  2,9;  5,5;  12,2; Mt 28,18b vgl. Röm 1,3f.

- Das Sitzen zur Rechten wird als Ergebnis der Auferweckung genannt: Röm 8,34; Kol 3,1

- Auferweckung- und Erhöhungsaussage werden aneinandergereiht, aber deutlich als zwei Seiten eines einzigen Vorgangs gekennzeichnet: Eph 1,19f;  2,5f

- Auferstehung und Himmelfahrt werden nacheinander aufgezählt, ohne dass ihre Einheit sichtbar wird: 1Ptr 1,20f;  3,18f.21f. Diese Himmelfahrt ist bedingt durch die besonderen Interessen einer sich entwickelnden kosmischen Christologie.

Auferweckung und Erhöhung meinen im Urchristentum dasselbe Ereignis. Die Auferweckung formuliert dieses Ereignis im Hinblick auf seinen terminus a quo, die Erhöhung im Hinblick auf seinen terminus ad quem (94f).

Überblickt man die vielfältigen Erhöhungsaussagen des NTs, so fällt auf, dass fast immer atl Texte im Hintergrund stehen:

Ps 2,7:             Hebr 1,5;  5,5

Ps 8,6:             Hebr 2,9

Ps 68,19:         Eph 4,8-10

Ps 110,1:         Röm 8,34; Eph 1,20; Kol 3,1; Hebr 1,3;  12,2; 1Ptr 3,22

Auch Jes 52,13 („Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein“) scheint für die Entfaltung des Erhöhungskerygmas eine Rolle gespielt zu haben (95f).

G. Lohfink (1965): Für Paulus gibt es keine Trennung zwischen Auferweckung und Erhöhung (bzw. Himmelfahrt) Christi. Die Auferweckung kann als die Erhöhung Christi in seine himmlische Macht und Herrlichkeit dargestellt werden. Bei Matthäus spricht der Auferstandene während der Erscheinung vor den elf Jüngern in Galiläa bereits als der erhöhte Herr. Mit dem Wort: „Mir ist alle Gewalt gegeben“ (Mt 28,18), verkündet Christus feierlich seine Inthronisation zur Rechten des Vaters. Für Paulus wie für Matthäus ist diese Erhöhung ein ganz jenseitiger Vorgang, der nicht vor Zeugen stattgefunden hat und der nur im Glauben erfahrbar ist. Mk 16,9-20 wurde dem MkEv erst später hinzugefügt. Im JhEv erfährt die urchristliche Erhöhungsaussage, wie sie uns bei Paulus und Matthäus begegnet, eine theologische Deutung und Vertiefung dahingehend, dass die Erhöhung Christi dem Glaubenden in geheimnisvoller Weise schon im Kreuzesgeschehen sichtbar wird. „Wenn ich erhöht bin von der Erde, werde ich alle zu mir ziehen“ (Jh 12,32) (49).

Der Ursprung des Glaubens an die Erhöhung Christi war die lebendige Erfahrung des Auferweckten in den Ostererscheinungen. Das Alte Testament gab die Worte und Gedanken in die Hand, mit denen diese Erfahrung seiner Macht und Herrlichkeit ausgedrückt werden konnte: dass Jesus zur Rechten Gottes erhöht worden sei (Ps 110: Apg 2,33f; Eph 1,20; Hebr 1,3; Mk 16,19). „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (Ps 2: Apg 13,33; Hebr 1,5;  5,5). „Alles hat er ihm zu Füßen gelegt“ (Ps 8: 1Kor 15,27; Eph 1,22; Hebr 2,5-8). „Aufsteigend zur Höhe“ (Ps 67: Eph 4,8). „Mein Knecht wird erhöht und verherrlicht werden“ (Jes 52,13: Lk 24,26). Ohne die Erfahrung der Ostererscheinungen wäre es niemals zu Schriftbeweis und theologischer Reflexion und damit zur Erhöhungsaussage gekommen. Dem Satz, dass Christus zum Sohn Gottes eingesetzt ist in Macht (Röm 1,4) oder dass er gesetzt worden sei zur Rechten des Vaters, liegt die Erfahrung des auferweckten Herrn zugrunde. Der Erhöhung liegen als geschichtlicher Ansatzpunkt die Ostererscheinungen zugrunde. Der Vorgang der Erhöhung selbst liegt zwar jenseits von Raum und Zeit. Aber diese jenseitige Wirklichkeit wurde in den Erscheinungen Christi in den irdischen Bereich hinein sichtbar. Die theologische Entfaltung will deutlich machen, was als reales Geschehen den Jüngern in der Zeit nach Ostern sichtbar wurde: Christus lebt, Christus ist der Herr (51f).

L.M.: Da nach dem NT niemand die Auferstehung Jesu beobachtet hat, kann niemand Zeuge der Auferstehung Jesu sein. Jesus ist in seine Herrlichkeit eingegangen (Lk 24,26) und kann aus dieser Herrlichkeit nur durch Erscheinungen im irdischen Bereich sichtbar werden.

Heute (noch) wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Woher wissen wir, dass Jesus nicht am Karfreitag, sondern erst am dritten Tag, am Ostersonntagmorgen, auferweckt/erhöht worden ist, da nach dem NT niemand die Auferstehung Jesu beobachtet hat? Die Drei-Tage-Worte sind eine dem AT entnommene Zeitangabe.

Da niemand die Auferstehung Jesu beobachtet hat, sind alle Aussagen darüber, was am Ostersonntagmorgen am Grab Jesu geschehen sein soll, reine Phantasie.

Wenn Jesus in voller irdischer Leibhaftigkeit auferstanden ist, wieso hat Maria (Jh 20) Jesus nicht erkannt? Wenn Jesus nicht in voller irdischer Leibhaftigkeit auferstanden ist, dann ist sein Grab nicht leer.

Paulus hat den historischen Jesus nicht gekannt. Seit seiner Damaskus-Bekehrung weiß er: Jesus lebt. Aufgrund seiner jüdisch-apokalyptischen Sichtweise setzt er Jesus lebt = Jesus ist auferstanden.

Paulus brauchte das Auferstandensein Jesu als Unterlage seiner Predigt von der Auferstehung des Christen.


 


6. Die Auferstehungsaussage ist ein Interpretament des Erscheinungsgeschehens - Auferstehungszeugen gibt es nicht


 

(1) Zur Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu
 (2) Die Auferstehung Jesu war keine historische Tatsache, sondern ein Glaubensurteil
 (3) Die 'Erscheinungen' Jesu

(4) Die Drei-Tage-Worte Jesu – Sekundäre Umdeutung der ursprünglich eschatologischen Bilder
 (5) Der Bericht des Paulus (1Kor 15,3-11) und die Bedeutung der Verklärungsgeschichte Jesu für die Entstehung der zweiten Vision des Petrus

R.Pesch (1973)

  1. Zur Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu

(a) Verzicht auf die Argumentation mit dem 'leeren Grab'
 (b) Zu den Erscheinungen
 (c) Der Tod Jesu – ein unüberwindliches Skandalon?
 (d) Jesus als Grund unseres Glaubens

Christologie als denkende Bemühung um die Glaubensbedeutung Jesu ohne ein unserem Denken nicht mehr akzeptables theistisches-supranaturalistisches Offenbarungs- und Vermittlungsschema (227)

 (a) Verzicht auf die Argumentation mit dem 'leeren Grab' :Die Einsichten in den traditionsgeschichtlich sekudären Charakter der Ostergeschichten im allgemeinen und das Fehlen zuverlässiger Grundlagen für die Annahme der Historizität des 'leeren Grabes' Jesu im besonderen zwingen zu diesem Verzicht. Das Datum des 'leeren Grabes' wird in den Texten des NTs nirgendwo als Grund des Osterglaubens angegeben. Die ältesten Texte betonen: Erst ein Offenbarungswort (Mk 16,7) durch den Angelus interpres, (Jh 20,14-17) durch Jesus selbst, ist Beginn und Grundlage des Gedankens an eine Auferstehung Jesu (204).

Das leere Grab begegnet nur in der Engelbotschaft. Die Überlieferung von der Grablegung Jesu durch Joseph von Arimathäa (Mk 15,42-47) ist nicht über berechtigte historische Zweifel erhaben. Der Zeitpunkt der ersten Auferstehungsverkündigung in Jerusalem nach dem Tod Jesu ist uns nicht bekannt. Mk 6,14.16 zeigt, dass man von der Auferweckung Johannes des Täufers reden konnte, ohne auf sein leeres Grab hinweisen zu müssen (206).

Nach I. Broer lassen die Texte eine positive Beantwortung der Frage, ob die Urgemeinde Jesu Grab kannte, nicht zu, da die näheren Kennzeichnungen des Grabes Jesu bei allen vier Evangelisten sekundär sind. Jedenfalls können wir beim derzeitigen Stand unserer Einsicht nicht damit rechnen, dass der Urgemeinde, oder gar einer breiteren Öffentlichkeit Jerusalems, das Grab Jesu bekannt gewesen sei. Für die Frage nach einem etwaigen Interesse der Anhänger Jesu oder ihres Jerusalemer Publikums bzw. von Gegnern der Auferstehungsbotschaft an einem leeren Grab Jesu spielt der zeitliche Unterschied von auch nur wenigen Wochen keine geringe Rolle. Als Beweismittel erscheint das leere Grab in der frühen Verkündigung nicht. So bleibt offen, wie sich dieses Interesse nach auch nur siebenwöchiger Abwesenheit von Jerusalem angesichts des bereits in einer ganzen Gruppe geteilten Glaubens an Jesu Auferweckung artikulieren konnte (206f).

Die Urgemeinde war zunächst eine kleine Gruppe. Eine 'öffentliche' Kontrolle des Glaubens und der Verkündigung dieser Gruppe darf kaum apologetisch zur Verteidigung der Historizität des 'leeren Grabes' angesetzt werden, zumal wir annehmen können, dass die Parusieerwartung des zum Menschensohn erhöhten Jesus Denken, Leben und Mission der Urgemeinde bestimmte. Falls die sog. Q-Gruppe der Urgemeinde nahestand, wäre ferner zu bedenken, dass die Logienquelle  keine Ostergeschichten enthielt. Es fehlt in ihr auch ein Beleg für das Auferstehungskerygma. Die Funktion, die in der urchristlichen Tradition der Auferstehungsaussage zukommt, übernimmt in Q die Mt 11,25-27 bezeugte Erfahrung, dass Jesus, der Sohn, den Auserwählten seine Menschensohnwürde offenbarte. Das Osterereignis besagt: Jesus ist alle Macht übergeben, er ist zum Menschensohn erhöht (207f).

Mk 6,14.16 zeigt, dass Aussagen über die Auferweckung einer zeitgenössischen Figur ohne Hinweis auf deren leeres Grab möglich waren. Mk 6,14-16 ist ebenso wie Mk 6,17-29 ein offensichtlich nicht christianisiertes Traditionsstück. Jesus gilt im Volk als der auferweckte Täufer offenbar wegen seiner Aufsehen erregenden Machttaten, die man so – mittels der Vorstellung von der Auferweckung der eschatologischen Märtyrer-Propheten, die über ihre Widersacher triumphieren – deutete (208f).

 

(b) Zu den Erscheinungen : Wenn die Erscheinungen den Osterglauben begründen sollen, so müssen die hierfür relevanten Erscheinungen konsequenterweise auf die Protophanie vor Simon Petrus reduziert werden, da alle nachfolgenden Erscheinungen den Auferstehungsglauben bereits voraussetzen. Paulus spricht von seiner Vision in der Terminologie alttestamentlicher Berufungsvisionen. Zudem hatte dieser Christenverfolger den Christusglauben vor seiner Berufung schon in einer entwickelten Form kennengelernt (210f).

Auferstehungszeugnisse oder Legitimationsformeln?

Die Verheißung Mk 16,7 und die Verkündigung Lk 24,34 erweisen sich gegenüber 1Kor 15,5 als traditionsgeschichtlich sekundär. Von all diesen Visionen war in der ältesten Zeit nicht die Rede, um festzuhalten, wie die betroffenen Zeugen die Tatsache der Auferstehung Jesu erfahren hätten und so zu den ersten Glaubenden geworden seien. Bei der Überlieferung der Erscheinungen ging es darum, die Beauftragung der Zeugen durch die Autorität des Auferstandenen auszusagen. Nicht als Auferstehungszeugnisse, sondern als Legitimationsnachweise der Männer, die auf Grund ihrer himmlischen Beauftragung bleibende Autorität in der Kirche hatten, sind die Erscheinungen überliefert worden. Nicht die Verkündigung, sondern das Kirchenrecht war der Rahmen ihrer Überlieferung (212f).

Da die atl 'ophthe kyrios'-Stellen als die entscheidenden Vorbilder für unsere Stelle angesehen werden müssen, darf man deren Struktur auch hier als gegeben annehmen. Daraus wird ersichtlich, dass erstens die Jesusgemeinde das, was nach dem Tod Jesu geschah, als Handeln Gottes deutete und damit die Kontinuität zum Auftreten des Jesus von Nazareth herstellt und zweitens die Männer, die als Verkündiger auftraten, durch das ophthe legitimiert wurden. Die Untersuchung ergibt, dass 1Kor 15,5 eine Legitimationsformel ist. Die Zeugenliste, die Paulus 1Kor 15,5-8 anfügt, hat nicht die Funktion, die Auferweckung Christi zu beweisen, sondern das Christuszeugnis des Paulus und das der übrigen Kirche miteinander zu einer gemeinsamen Größe zu verklammern. Das Urkerygma beinhaltet den Tod des Christus um unserer Sünden willen, die Grablegung als Besiegelung des Todes und die Auferweckung als von Gott herbeigeführte Wende zum Heil, in allem verstanden als Erfüllung atl Verheißungen. Die ophthe-Aussage ist eine theologische Aussage, sie ist mit dem 'begraben' keinesfalls auf der Ebene historischer Beweisbarkeit gleichzusetzen (215).

Die semantische Analyse der Wendung ophthe + Dativ (auch 1Kor 15,5) erlaubt nicht eine Interpretation, die eine tatsächliche Vision als Geschehen von Offenbarungsvermittlung postuliert, die die Voraussetzung der Erscheinung (die Auferstehung Jesu) vermittelt hätte. Vielmehr ist zu fragen, ob der Glaube an die Auferstehung Jesu nicht die Voraussetzung dafür war, dass die Formulierung 'ophthe kepha' möglich wurde. Die Erklärung der Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu als eines von Gott bewirkten, geoffenbarten Glaubens kann nicht durch den Hinweis auf Erscheinungen an Hand von 1Kor 15,5ff geleistet werden. Es geht dem Text um die Legitimation. Der Text überliefert nicht deren historische Ursache, sondern gibt ihren Grund an: Petrus ist von Christus autorisiert. Der Text gibt keine Auskunft über die Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu (217f).

 

(c) Der Tod Jesu – ein unüberwindliches Skandalon?Mk 14,27-31.50.54.66-72 berichten von der Flucht der Jünger und der Verleugnung des Petrus. Die reuige Umkehr des Petrus kann nicht als Verzweiflung ausgelegt werden und die Sammlung der Jünger in Galiläa nach der Jerusalemer Katastrophe muss nicht nur durch resignierte Flucht aus Jerusalem, sie kann auch vom Willen des Festhaltens an ihrer mit Jesus begonnenen Mission bestimmt gewesen sein. Lk 24,21 gehört zur literarischen Anlage der Osterlegende. Es darf nicht übersehen werden, dass im Munde der Emmausjünger im Kontext (24,22-24) schon die Auferstehungsbotschaft aufscheint. Wir wissen, dass die Johannesjünger nach der Hinrichtung des Täufers weiter missioniert und vielleicht sogar ihren Meister 'messianisiert' haben. Nach jüdischer Tradition ist das schmähliche Ende der Gerechten, insbesondere auch das Jerusalemer Geschick der Propheten nicht ohne weiteres die Widerlegung ihres Anspruchs. Sofern Jesus selbst seinen Tod kommen sah, ihn selbst als notwendiges Prophetenschicksal begriff und seinen Jüngern spätestens in der Abschiedsstunde des letzten Mahles heilsbedeutsam artikuliert hat, ist es dann wahrscheinlich, dass sein Tod für die Jünger das unüberwindliche Skandalon war? Wenn nicht daran zu zweifeln ist, dass Jesus sein Leiden und Sterben erwartet und angekündigt hat, weil er ständig bedroht...mit dem Prophetenschicksal rechnen musste, warum kann man dann nicht damit rechnen, dass die Jünger gemäß der Ankündigung Jesu seinen Tod bestanden und verstanden haben? Lk 22,31f spricht davon, dass der Glaube des Petrus nicht aufhören werde und wenn er sich bekehrt habe, soll er seine Brüder stärken. Darin könnte ein Hinweis darauf liegen, dass Petrus die Sache Jesu keineswegs völlig aufgegeben und sich resigniert in sein vormaliges Fischerleben zurückgezogen hat, sondern bemüht war, den Glauben an Jesus durchzuhalten (219f).

Wenn die Täuferjünger das gewaltsame Todesgeschick ihres Meisters als das messianische Geschick des eschatologischen Propheten mit der Auferweckungsvorstellung interpretieren konnten, warum sollte das den Jesusjüngern nicht möglich sein? Wie es dazu kam, dass der Gekreuzigte für den Glauben der Jünger der Erhöhte oder der (qualifiziert) Auferweckte war, dafür muss die eschatologisch bestimmte Autorität der Grund gewesen sein, die Jesus zu seinen Lebzeiten bei den Jüngern hatte, was man 'implizite Christologie' genannt hat (221).

Die Tradition über das Martyrium eschatologisch-prophetischer Gestalten

Die Vorstellung der Auferstehung eines einzelnen, der als eschatologischer Prophet gilt, ist als Interpretationskategorie z. Zt. Jesu vorhanden. Bei der Nähe von Täuferbewegung und Jesusbewegung muss man damit rechnen, dass die Aussagen über die Auferstehung (und Himmelfahrt/Erhöhung) Jesu an diesen Kategorien orientiert waren (nicht an der Vorstellung der in Jesus anhebenden allgemeinen Totenauferstehung) (222f).

Wenn sich Jesus selbst als den maßgeblichen Boten Jahwes, den Bringer der Gottesherrschaft verstand, wenn er als Elia, als Prophet eingeschätzt wurde (Mk 6,14f; 8,28), wenn er sich selbst als den eschatologischen Propheten verstand und von seinen Jüngern als der (prophetische) Messias eingeschätzt wurde (Mk 8,27-30), so konnten seine Jünger angesichts seines Kreuzestodes seine die Erwartung der Traditionen erfüllende und überbietende eschatologische Sendung und Heilsbedeutung proklamieren mit der Botschaft: Er ist auferweckt. Damit behaupteten sie die Legitimität seiner Sendung, seine gerechtfertigte eschatologische Autorität als des einzigen und maßgeblichen Boten Jahwes. Jesus ist mehr als ein Prophet: Er ist der Menschensohn, Messias, Kyrios und Gottessohn. Zur Prüfung der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung ist die Vernunft des Glaubens nicht auf 'Erscheinungen', sondern auf Jesus von Nazareth selbst zurückverwiesen. Die Auferweckung Jesu legitimiert ihn als Propheten, als Messias, zugleich seine Botschaft, seine Lehre (225).

 

(d) Jesus als Grund unseres GlaubensDie Rede von der Auferstehung Jesu ist Ausdruck des gläubigen Bekenntnisses zur eschatologischen Bedeutung Jesu, seiner Sendung und Autorität, seiner göttlichen Legitimation angesichts seines Todes. Jesus selbst ist der Grund unseres Glaubens und unserer Hoffnung und er ist der Offenbarungsmittler in Person. Schon zu Lebzeiten Jesu war der Streit um seine Messianität lebendig. Die Wirksamkeit Jesu, deren ungeheure Wirkung auf die Jünger und darüber hinaus auf breitere Kreise des Volkes sowohl in Galiläa wie in Judäa, kann nur mit dem Begriff 'messianisch' zureichend umschrieben werden. Für die Jünger Jesu war der Streit um Jesu Messianität vor Ostern entschieden in ihrem durch Jesus begründeten Glauben. Die Beglaubigung Jesu in ihrem Glauben und ihre Jesus-Nachfolge musste freilich durch Jesu Tod qualitativ verwandelt werden. Die neue Qualität ihres Glaubens schafft sich Ausdruck im Bekenntnis zu Gott, der Jesus von den Toten auferweckt, Jesus in seinem Tod beglaubigt hat (226f).

(1974): Dass der Christus-Titel vor allem an Aussagen über Jesu Tod und Auferweckung haftet, ist verständlich, wenn Jesus bereits vor seinem Tod von seinen Anhängern als Messias anerkannt wurde und deshalb sein Tod als der gottgewollte Tod des 'Gesalbten', deshalb die Auferweckung als die göttliche Rechtfertigung des Messias interpretiert wurde. Die früheste Christologie zwingt zur Annahme, dass Jesus schon zu seinen Lebzeiten seinen Anhängern als Messias galt. Vom irdischen Auftreten und vom Geschick Jesu her lag die Anwendung des prophetischen Christus-Titels nahe. Als Träger des Geistes ist Jesus nicht nur einer in der Reihe der Propheten, sondern Gottes letzter und endgültiger Bote (26f).


 

 G. Lüdemann (1995 Özen):

(2) Die Auferstehung Jesu war keine historische Tatsache, sondern ein Glaubensurteil : Endete der Karfreitag in einer Katastrophe, so brach nicht lange nach dem Tod Jesu und der Rückkehr der Jünger nach Galiläa unverhofft ein neuer Frühling an. Der Durchbruch geschah in Galiläa. Nicht lange nach dem Todesfreitag erlebte Petrus in einer Vision den lebendigen Jesus und dieses Geschehen führte zu einer Kettenreaktion ohnegleichen. Hatte Petrus Jesus gesehen und gehört, so war damit der Inhalt der Christuserscheinung den anderen vorgegeben.  Der von Jesus zu seinen Lebzeiten gegründete Zwölferkreis wurde von Petrus mitgerissen und 'sah' ebenfalls Jesus. Und an dem Wochenfest, das auf das Todespassah folgte, ereignete sich jene Erscheinung vor den mehr als 500 (124f).

Auch Frauen waren unter denen, die Jesus sahen. Auf Einwände von jüdischer Seite und Fragen nach dem Verbleib des Leichnams Jesu wusste man alsbald zu entgegnen, dass die Frauen das Grab leer gefunden hatten und später, dass Jesus den Frauen am Grab sogar erschienen sei.

Ein neues Stadium erreichte die Bewegung, als sich ihr in Jerusalem griechischsprachige Juden anschlossen. Das mag bereits an jenem auf das Todespassah folgenden Wochenfest gewesen sein, als viele Pilger in Jerusalem anwesend waren und von Jesus hörten. Jedenfalls verbreiteten sie die Jesusbotschaft in Gegenden außerhalb Jerusalems und lenkten die Aufmerksamkeit des Pharisäers Saulus auf sich. Dieser schritt zur Tat und unterdrückte die neue Predigt, bis er ebenfalls in einer Vision vor Damaskus von Jesus überwunden wurde. Mit diesem Ereignis ist ein äußerster Punkt des ältesten Osterglaubens erreicht, obwohl Jesus auch in der Folgezeit immer wieder 'erschien' (125f).

(1995): Jesu Hinrichtung hat im Jüngerkreis eine Krise ausgelöst. Fluchtartig haben sich die Jünger nach dem Karfreitag nach Galiläa zurückgezogen. In Galiläa hat Petrus als erster Jesus lebendig gesehen (1Kor 15,5; Lk 24,34; Mt 16,17-19; Lk 5,1-11; Joh 21,1-14). Die Erscheinung vor Kephas ist ein Primärphänomen, das den Glauben an Jesu Auferstehung erst ermöglicht hat. Die pln Ostererfahrung ist ähnlich wie die ptrn strukturiert (31f).

Petri und Pauli Ostervision stimmen überein: Sowohl Petrus als auch Paulus erfahren eine originale Offenbarung, während alle anderen Osteroffenbarungen abhängige Offenbarungen sind. Die Schau Christi durch Petrus hat alle anderen Schauungen des Erhöhten im Jüngerkreis geprägt, mit Ausnahme der Vision des Paulus. Bei beiden steht die Vision Jesu in einer unauflösbaren Beziehung zur Verleugnung Jesu bzw. zur Verfolgung seiner Gemeinde. Bei beiden wird das Schuldgefühl durch die Gnadengewissheit abgelöst. Beide stimmen in der Rechtfertigungslehre überein: „Wir (Petrus und Paulus ) sind von Geburt Juden. Weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Jesus Christus gekommen“ (Gal 2,15f) (40f).

W. Marxsen (1968):

Die Auferstehung Jesu - ein Interpretament unter anderen: Nach Karfreitag erfahren Menschen, dass Jesus auch nach seinem Tod in den Glauben stellt. Der Ermöglichungsgrund für dieses Zum-Glauben-Kommen ist: Jesus lebt. Er ist nicht im Tode geblieben. Um Jesus als den Lebendigen auszusagen, benutzte man die Vorstellung von der Auferstehung der Toten: “Jesus ist auferstanden“ oder “Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“. Wir haben es hier mit einem Interpretament zu tun, denn gesehen hat die Auferstehung Jesu niemand. Wir kennen keinen, der das behauptet. Die Auferstehung Jesu ist vom eigenen Glauben aus erschlossen worden(141).

In der frühen Urgemeinde hat man die Wirklichkeit des eigenen Zum-Glauben-Gekommen-Seins interpretiert. Diese Wirklichkeit hat man als Wunder erfahren: Hier hat Gott gehandelt. Er hat Jesus auferweckt. Das Wunder ist das Zum-Glauben-Gekommen-Sein (142).

Im Hebräerbrief ist nicht ausdrücklich von der Auferstehung Jesu die Rede. Statt dessen wird gesagt, dass Christus in den Himmel eingegangen ist und jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns erscheint (9,24). Er hat die Himmel durchschritten (4,14), er hat sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt (1,3; 8,1; 10,12f). Erst in den letzten Versen klingt die Auferstehungsvorstellung an: “Der Gott aber des Friedens, der den großen Hirten der Schafe von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, unseren Herrn Jesus, der rüste euch mit allem Guten aus“ (13,20f). Im Hebr haben wir es mit der Vorstellung von der Erhöhung zu tun: Der Gekreuzigte ist erhöht worden. Und weil er erhöht worden ist, geht er die Gemeinde unbedingt an (147).

Ursprünglich kommen die Vorstellung von der Erhöhung und die von der Auferstehung unverbunden nebeneinander vor. Bei der Erhöhungsvorstellung wird das Wie des Lebendig-Werdens des Gekreuzigten zunächst nicht reflektiert. Man weiß nur (weil man das erfahren hat), dass Jesus lebt. Dieses “er lebt“ veranschaulicht man mit Hilfe der Vorstellung: Er ist erhöht, er sitzt zur Rechten Gottes (148).

Die Erhöhungsvorstellung als Interpretament ist alt (Phil 2,6-11). Im Rahmen dieser Erhöhungsvorstellung wird die Auferstehung nicht erwähnt. Auf die Erniedrigung folgt die Erhöhung. Diese ist der Grund dafür, dass Jesus einen Namen über alle Namen hat, dass sich im Namen Jesu alle Knie beugen sollen. Was man im Glauben, in den man sich gerufen weiß, erfahren hat, drückt man mit Hilfe eines Interpretaments als Wunder aus: Jesus ist erhöht worden (148).

Mt 28,18; “Mit ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“. Es ist die Frage, ob hinter diesem Schluss nicht die Auferstehungs- sondern die Erhöhungsvorstellung steht. Wir finden darin nur deswegen die Auferstehungsvorstellung, weil vorher vom leeren Grab die Rede ist. Beides gehört aber ursprünglich nicht zusammen (149).

Die Vorstellung von der Erhöhung Jesu findet sich auch in dem Hymnus 1Tim 3,16: “offenbart im Fleisch – aufgenommen in die Herrlichkeit“. Die Auferstehung wird nicht genannt, nicht einmal das Kreuz (149).

Das JohEv schließt zwar mit der Auferstehungsvorstellung, aber im ganzen ersten Teil des Werkes wird, wenn auf den Ausgang des Lebens Jesu geblickt wird, nicht die Auferstehung genannt, sondern das Hinaufgehen Jesu zum Vater (7,33). Im ersten Teil des Evangeliums wird das Kreuz als Erhöhung verstanden (12,32). Jesu Kreuzigung ist schon seine Erhöhung (149).

Ursprünglich sagen alle diese Vorstellungen dasselbe aus. Das Bekenntnis zur Wirklichkeit des extra nos des erfahrenen Glaubens ist die Konstante. Variabel ist die Vorstellung, derer sich das Bekenntnis bedient (150).

Da es immer um den Glauben geht, den der irdische Jesus brachte, ist allein Jesus hier nicht auswechselbar. Er ist gestorben. Doch damit ist sein Angebot nicht außer Kraft gesetzt. Das hat man damals erfahren, das kann man auch heute erfahren. Jesus ist in seinem Angebot heute gegenwärtig. Mit dem Bekenntnis zum Auferstandenen bekennt man, dass man im eigenen Zum-Glauben-Gekommen-Sein Jesus als Lebendigen, Wirkenden erfahren hat, man bekennt die Gegenwart seiner Vergangenheit (150f).

W. Marxsen (1964):

Die Auferstehung Jesu als historisches und als theologisches Problem :Kein Mensch der frühen Urgemeinde hat behauptet, die Auferstehung Jesu als Ereignis, als Faktum, als Geschehen gesehen oder erlebt zu haben. Behauptet das Kerygma das Geschehen-Sein der Auferstehung als Ereignis, dann spricht es damit lediglich eine Überzeugung aus, ohne dafür Zeugen angeben zu können (14).

Zur Tradition vom leeren Grab: Rede ich im Zusammenhang mit dem leeren Grab von der Auferstehung Jesu, ist 'Auferstehung Jesu' ein Interpretament, das das Zustandekommen des Faktums erklären will (15).

Die Erscheinung: In einer ersten Gruppe wird nur die Tatsache der Erscheinung als solche genannt. Die zweite Gruppe dagegen kennt ausgeführte Erscheinungserzählungen. Da spricht Jesus mit seinen Jüngern, isst mit ihnen, geht durch verschlossene Türen usw. Die erste Gruppe ist traditionsgeschichtlich älter als die zweite. Die von Paulus 1Kor 15,5-7 überlieferten Traditionen gehören zu den ältesten erhaltenen dieser ersten Gruppe. Die zweite Gruppe stellt dagegen eine literarische Weiterbildung aus der ersten Gruppe dar. Am Anfang der Tradition steht die bloße Behauptung eines Sehens des Gekreuzigten (15f).

Der Terminus ophthe kann übersetzt werden: (Christus) wurde gesehen (von Petrus usw.), oder  (Christus) erschien bzw. ließ sich sehen oder zeigte sich, oder „Gott hat … sichtbar werden lassen“. Wenn eine bewusste Verwendung des Terminus ophthe vorliegt, ist damit eine Interpretation des Widerfahrnisses eines Sehens in eine bestimmte Richtung erfolgt. Dass es sich um ein von Gott veranlasstes Widerfahrnis handelte, war am Widerfahrnis selbst nicht abzulesen. Das ist Interpretament (17).

Wir können mit großer Sicherheit sagen, dass Zeugen ein Sehen des Gekreuzigten widerfuhr. Zeugen behaupteten nach dem Tode Jesu, ihn gesehen zu haben. Auf Grund dieses Widerfahrnisses des Sehens, das Zeugen behaupteten, kamen sie dann durch reflektierende Interpretation zu der Aussage: Jesus ist von Gott auferweckt worden bzw. er ist auferstanden. Es handelt sich um ein Interpretament, dessen sich diejenigen bedient haben, die ihr Widerfahrnis (damals) reflektierten (19).

Historisch lässt sich nur feststellen, dass die Menschen nach dem Tod Jesu ein ihnen geschehenes Widerfahrnis behaupteten, das sie als Sehen Jesu bezeichneten. Die Reflexion dieses Widerfahrnisses führte diese Leute zur Interpretation: Jesus ist auferweckt worden. Die Zeugen, die die Erfahrung dieses Widerfahrnisses gemacht hatten, mussten dieses Geschehen  mit den Mitteln der Tradition zur Sprache bringen. Andere Sprachmittel als die, die ihnen ihre Tradition zur Verfügung stellte, hatten diese Zeugen nicht (20).

 W. Marxsen (1968)

(3) Die 'Erscheinungen' Jesu :1Kor 15,3-8: Wenn Paulus mit Hilfe dieser Zeugenkette darauf hinweisen will, dass sie alle die Auferstehung Jesu verkündigen (V 11: “Seien es nun ich oder jene – so verkündigen wir, und so seid ihr zum Glauben gekommen“), dann sind die Genannten (wie auch er) nicht Zeugen für die geschehene Auferstehung selbst. Die 'Auferstehungs-Zeugen' haben die Auferstehung Jesu nicht erlebt. Ihr Erlebnis wird als ein Sehen Jesu angegeben (84f).

Die Ersterscheinung war die vor Petrus. Die Erscheinung vor den Zwölfen ist danach einzuordnen. Bei Lukas soll die Priorität der Erscheinung vor Petrus gewahrt werden. Das geschieht dadurch, dass die Jünger in Jerusalem den Emmaus-Jüngern ins Wort fallen. Die Erscheinung vor Petrus wird in einer Formulierung genannt, die an 1Kor 15,5 anklingt (85f).

In Lk 24,34 heißt es, dass die Jünger (in Jerusalem) zum Glauben gekommen sind, obwohl Jesus doch bisher nur dem Petrus erschienen ist. Den zurückkehrenden Emmaus-Jüngern rufen sie entgegen: “Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen“! Sie sagen das (und glauben an den Auferstandenen), bevor sie selbst eine Erscheinung erfahren haben. Von der wird erst nachher erzählt (92).

Die Reihenfolge der Erscheinungen in den Evangelien geht auf das Konto der Evangelisten. Nach Lk 24,34 glaubten die Jünger, bevor sie selbst eine Erscheinung erfuhren. Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass Petrus wirklich der erste war, der nach Karfreitag zum Glauben an Jesus kam. Dieses Zum-Glauben-Kommen des Petrus wird begründet mit einem Sehen Jesu. Petrus kam nicht nur als erster zum Glauben, sondern er hat auch zu anderen davon gesprochen. Lukas stellt es so dar, dass die anderen durch die Verkündigung des Petrus zum Glauben kamen. Wer behauptet, dass es noch einer Erscheinung Jesu vor den anderen bedurfte, damit sie zum Glauben kommen konnten, müsste zugeben, dass man überhaupt (bis heute) nur dann zum Glauben kommen kann, wenn man eine Erscheinung Jesu erlebt hat (92f).

Warum wird die zweite Erscheinung noch erzählt, nachdem die Elf (Zehn) schon zum Glauben gekommen sind? Nicht ihr Gesehen-Haben ist ein Problem, sondern ein Problem ist, warum man ihr Gesehen-Haben, das nicht begründend war für den Glauben noch besonders erwähnt. Warum erzählte man von Erscheinungen vor über 500 Brüdern, vor Jakobus und vor allen Aposteln? Für das Zum-Glauben-Kommen der Zehn war die Erscheinung nicht nötig. Geglaubt haben sie schon vorher. D.h. dass auch ihr Glaube an der Erscheinung vor Petrus hing. Da die Erscheinung vor Petrus andere in den Glauben führte, war mit dieser Ersterscheinung von Anfang an das funktionale Moment verbunden (93f).

Es ist von den Zwölfen die Rede, nicht aber von Elf. Unklar ist das Verhältnis der Zwölf zu allen Aposteln. Auf jeden Fall überschneiden sich beide Kreise zum Teil. Warum wird erzählt, dass die mehr als 500 Brüder eine Erscheinung hatten? Warum wird das von Jakobus erzählt? Warum von allen Aposteln (94f)?

Der Kreis der Zwölf war der Träger der Jesus-Tradition. Die Funktion der Apostel war in erster Linie die Mission. Jakobus stand nach Petrus der Jerusalemer Gemeinde vor. Seine Funktion war die Leitung. Bei der Gruppe der mehr als 500 Brüder handelte es sich vielleicht um die Gesamtgemeinde. Diese (bestehenden) Gruppen überschnitten sich sicherlich mannigfach. Manche Christen gehörten zwei, manche vielleicht auch drei Gruppen an (95).

Was will man damit sagen, dass die einzelnen Gruppen eine Erscheinung Jesu erlebt haben? Ihr Glaube, die mannigfachen Funktionen, die sie ausübten, gründen alle in der Ersterscheinung vor Petrus. Sie alle werden in diese Ersterscheinung mit hineingenommen. Der Ausgangspunkt für die Formulierung der Formel liegt nicht beim Geschehen, sondern bei den Gruppen, die in der Gemeinde (später) da sind (95).

Der Glaube der Zwölf (!) hatte nicht in der Erscheinung Jesu vor ihnen seinen Grund, sondern er hatte ihn ausschließlich in der Erscheinung vor Petrus. Das zeigt uns, dass die Formel, wenn sie von den Zwölfen redet, von Glaubenden d.h. von der bestehenden Gemeinde aus konzipiert ist. Sie kann nicht begründen wollen, dass das Sehen den Kreis der Zwölf konstituierte. Es ist nun nicht mehr nötig, für Petrus das Erlebnis mehrerer Erscheinungen anzunehmen (zuerst allein, dann im Kreis der Zwölf, dann im Kreis aller Apostel, dazwischen auch noch im Kreis der mehr als 500 Brüder) (97).

Die Zwölf waren Träger der Jesus-Tradition. Es bildete sich eine Gruppe heraus, die Mission betrieb: Petrus, einige der Zwölf und andere, das waren die Apostel. Mit welcher Begründung betreiben sie Mission? Sie haben Jesus gesehen. Es gab diese Gruppen in der Urgemeinde und es gab Funktionen. Die Aufzählung in der Formel hat nicht den Sinn, ein mehrfach wiederholtes Sehen vor immer verschiedenen Personen und Gruppen darzustellen, sondern es sollen die verschiedenen Personen und Gruppen zusammengefasst werden, indem von allen das Gemeinsame gesagt wird: Sie haben gesehen (97f).

Paulus will sich mit diesem Kreis zusammenschließen. Er will sagen, dass auch er in diesen Kreis mit hineingehört: (“Sei es nun ich, seien es jene – so haben wir verkündigt und so seid ihr zum Glauben gekommen“ 1Kor 15,11). Die Formel will nicht die Zahl der Erscheinungen referieren, sondern sie will spätere Funktionen, den späteren Glauben der Gemeinde und auch die spätere Leitung durch Jakobus als aus einer Wurzel kommend begründen: aus der Erscheinung (98).

Die erste Erscheinung löste bei Simon den Glauben aus. Dadurch wurde Simon Fels, wurde er Petrus. Sein Glaube führte auch die anderen zum Glauben. Deshalb hat man in der frühen Urgemeinde formuliert: “Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen“ (Lk 24,34). Nach Karfreitag war Simon der erste, der zum Glauben an Jesus kam. Die Begründung für dieses Zum-Glauben-Gekommen-Sein wird angegeben, indem man sagt, Simon habe Jesus gesehen. Der Glaube des Simon wird verstanden in seiner gemeindegründenden Funktion. Feststellbar ist: der gemeindebildende Glaube des Simon und die Behauptung der Urgemeinde, dass dieser Glaube seine Wurzel in einem Sehen Jesu hatte (99).

Das 'Sehen' des Paulus

Paulus bringt die Auferstehung Jesu nicht in Beziehung zu seinem Damaskus-Erlebnis. Er weiß sich durch das Erlebnis vor Damaskus als zur Heidenmission ausgesandt (Gal 1,15-17) (103f).

Paulus spricht von seinem Erlebnis nicht mit Hilfe der Vokabel 'sehen' sondern 'offenbaren', als Enthüllen von etwas bisher Verborgenem: “Gott offenbarte seinen Sohn (in) mir“. Paulus begründet seine Unmittelbarkeit, indem er nachweist, dass er seine Mission unabhängig von Jerusalem begonnen hat (105).

1Kor 9,1-2: “Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn gesehen? Und seid ihr nicht mein Werk in dem Herrn? Wenn ich auch für andere nicht Apostel bin, für euch bin ich es, denn das Siegel meines Apostolats seid ihr in dem Herrn“. Die Korinther sind durch die Arbeit des Paulus zum Glauben gekommen. Durch die Predigt des Paulus in Korinth ist der Beweis des Geistes und der Kraft erbracht. Weil die Korinther das erfahren haben, darum müssen sie zugeben, dass Paulus ihr Apostel ist, darum kann der Apostolat des Paulus nicht fraglich sein (105f).

Historisch begründet Paulus seinen Apostolat mit dem Damaskus-Erlebnis, theologisch begründet er ihn mit der Existenz der Gemeinde (107).

Was immer Paulus erlebt hat, er sagt: Gott hat an mir gehandelt (1Kor 15,8). Dass sein Evangelium von Gott kommt, das kann die Gemeinde nur erfahren, wenn sie auf Grund des Evangeliums selbst zum Glauben kommt (109).

Das Widerfahrnis vor Damaskus hat Paulus nicht zu der Überzeugung gebracht, Jesus sei auferstanden. Das 'Ostern des Paulus' bedeutet sein Zum-Glauben-an-Jesus-Kommen. Dieses Zum-Glauben-Kommen kann ganz verschieden geschehen (109f).

In 1Kor 15,15-17 (“Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig“) führt Paulus nicht einen Tatsachenbeweis für die geschehene Auferstehung Jesu (den könnte er überhaupt nicht erbringen), sondern er führt einen 'Beweis' innerhalb einer bestimmten theologischen Logik: Weil ihr wisst, dass ihr zum Glauben gekommen seid, müsst ihr zugeben, dass euer Glaube eine Voraussetzung hat. Paulus argumentiert von den Folgen aus. Da diese (wie die Korinther wissen) unbestritten sind, müssen auch die Voraussetzungen stimmen (111).

Vom Glauben aus kann man nicht die geschehene Auferstehung Jesu erschließen. Darüber kann man nur informiert werden. Die Predigt von der Auferstehung Jesu kann zum Inhalt haben: Jesus lebt, darum geht er mich unbedingt an. Als Lebendigen kann man Jesus im durch die Predigt ausgelösten Glauben erfahren. Wie er lebendig wurde, kann der Glaube nicht ermitteln. Paulus war vom Geschehen-Sein der Auferstehung Jesu überzeugt. Aber er führt weder in 1Kor 15 noch sonstwo einen 'Tatsachenbeweis' dafür (113).







 J. Jeremias


(4) Die Drei-Tage-Worte Jesu – Sekundäre Umdeutung der ursprünglich eschatologischen Bilder : Tempelneubau Mk 14,58: „Wir haben ihn sagen gehört: Ich werde diesen mit Händen gemachten Tempel niederreißen und in drei Tagen einen anderen, nicht mit Händen gemachten erbauen“. Jh 2,19: „Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen werde ich ihn wieder errichten“. Die Zerstörung des alten Heiligtums bezeichnet die eschatologische Katastrophe (Mk 13,2); mit dem neuen Tempel ist das Heiligtum der Endzeit als Symbol der Heilsgemeinde gemeint; sein wunderbares In-Erscheinung-Treten bedeutet den Anbruch der Heilszeit. Der antithetische Parallelismus, der zwei Ereignisse gegenüberstellt, und der apokalyptische Stil, demzufolge die Errichtung des neuen Tempels das Wunder der Weltenwende beschreibt, fordert die Bedeutung: nach Ablauf von drei Tagen. Das Jesuswort gibt einen knappen Aufriß der Endereignisse: das Hereinbrechen der Katastrophe – die Notzeit von drei Tagen – der Neubau des Heiligtums. Auf die 'drei Tage' folgt die Äonenwende (221f).

Vollendung Lk 13,32:Siehe ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen und am dritten Tag werde ich vollendet“. Hier umfassen die zwei ersten Tage die das Ende durch Exorzismen und Heilungen vorbereitende Wirksamkeit Jesu. Auch hier folgt am dritten Tag die Wende, denn 'ich bin am Ziel' hat, wie Hebr 7,28;  10,14;  Jh 19,30 eschatologischen Klang. Lk 13,33:Doch muss ich heute und morgen und am folgenden Tag wandern, denn es geht nicht an, dass ein Prophet umkomme außerhalb von Jerusalem“. Der dritte Tag bezeichnet hier nicht die Wende, sondern gehört noch zum Auftakt vor der Wende. Anders als in den ersten zwei Beispielen ist es in V.33 der Tod, der nach den drei Tagen des Wanderns die Peripetie darstellt. Der Vergleich mit den anderen Drei-Tage-Worten zeigt, dass der Tod die auf ihn folgende Verherrlichung einschließen wird. Es ist nicht vom Tod schlechthin die Rede, sondern vom prophetischen Martyrium. Dass Lk 13,33 nur den Tod erwähnt, wird sich daraus erklären, dass das Logion von Ironie getragen ist: hierzulande ist es ja Brauch, dass Gottesmänner in der Gottesstadt umgebracht werden (222f).

Wiedersehen Jh 16,16Nur noch kurze Zeit – dann werdet ihr mich nicht (mehr) sehen und nochmals kurze Zeit – dann werdet ihr mich sehen“. Es werden zwei Zeitspannen unterschieden, auf die die Wende folgt. Die erste bezeichnet die von Ungewissheit und dem Ahnen schrecklicher Dinge erfüllte nächste Zukunft, die die Katastrophe einleitet, die zweite eine Zeit des Unheils, in der die Jünger ihren Herrn nicht sehen werden – aber diese beiden Zeitspannen sind nur der Auftakt zu einem 'dritten Tag', der mit dem 'Sehen' die Wende bringt. Johannes verwendet im Kontext eine Fülle von Parusietermini: die Wehen (16,21) und die Trübsal der Verfolgung (16,20-22), auf die 'jener Tag' (16,23) folgt, das Aufhören der Fragen (16,23) und der Rätselrede (16,25), die vollkommene Freude (16,24 = die Heilszeit). Zu diesen Parusietermini gehört auch das 'sehen werden' unseres Logions, das durch Mk 14,62 par; Mk 16,7 par als altes Kennwort für die Parusie bekannt ist. Wenn Jh 16,16 vorjohanneische Überlieferung ist (s. die Diskussion 16,17ff), dann bezog sich 'sehen werden' ursprünglich auf die Parusie. Wieder haben wir die eschatologische Anwendung des Drei-Tage-Schemas vor uns: eine kurze Zeit, nochmals eine kurze Spanne, dann die Parusie (224f).

Alle besprochenen Worte haben gemeinsam, dass sie frei von jeder Spur von Gemeindetheologie sind: Jesus wird in die Reihe der Propheten gestellt, seine Wirksamkeit wird mit dem farblosen „wandern“ bezeichnet, ebenso farblos sind die Zeitangaben 'nur noch kurze Zeit'. Mit 'vollendet werden' und 'ihr werdet mich sehen' wird die Wende des dritten Tages vage umschrieben. Von der Auferstehung ist in den besprochenen Logien nicht die Rede. Keines von ihnen lässt sich zudem aus der Passionsgeschichte ableiten. Sie mussten im Gegenteil, wenn man die drei Tage buchstäblich nahm, als mit dem Verlauf der Passion in Spannung stehend empfunden werden. Am leichtesten ließ sich Jh 16,16 mit den Ereignissen der Passion in Einklang bringen, indem man das 'sehen werden' nicht auf die Parusie, sondern auf Ostern bezog. Beim Wort vom Tempel bestand die Schwierigkeit darin, dass Ostern nicht den Tempelneubau, sondern die Auferstehung gebracht hatte. Die sekundäre Umdeutung auf den 'Tempel' des Leibes Jesu, die das Wort im Johannesevangelium (2,21f) erfuhr, zeigt, wie man versuchte, dieser Schwierigkeit Herr zu werden. Bei den Logien Lk 13,32 (zwei Tage Heilungen, am dritten Tag Vollendung) und 13,33 (drei Tage Wandern, dann der Tod) schloss die inhaltliche Füllung der drei Tage jede Möglichkeit, sie buchstäblich zu fassen und analog zu Jh 2,21f auf die Zwischenzeit zwischen Karfreitag und Ostern zu beziehen, von vornherein aus. In den Drei-Tage-Worten haben wir vorösterliche Überlieferung vor uns. Die Konsequenz aus diesem Tatbestand lautet: Jesus hatte in verschiedenen, von der Kirche später im Licht ihrer Erfahrung umgedeuteten Wendungen den endgültigen Triumpf der Sache Gottes angekündigt. Zu diesen sekundär umgedeuteten Wendungen gehören auch die Bilder der Drei-Tage-Worte: Tempelneubau, Vollendung, Wiedersehen. Sie waren ursprünglich eschatologisch gemeint (225f).

Die Bedeutung der Zeitbestimmung 'drei Tage': Für unser 'mehrere', 'einige', 'ein paar' fehlt im Hebräischen und Aramäischen ein Äquivalent. Die Zeitangabe „am dritten Tag“ hat überwiegend die vage Bedeutung „nach ein paar Tagen“, “in Kürze“, in Bälde“. Der Kontext muss jeweils zeigen, ob eine kurze oder eine längere Zeitspanne gemeint ist. In den Worten Jesu, die die Wende Gottes „nach drei Tagen“ ankündigen, liegt die Bedeutung: „in Bälde“ vor. In Lk 13,32f ist die Kürze nicht betont; hier bezeichnen die drei Tage eine geraume, befristete Zeit. Die Wendung „nach drei Tagen“ ist im AT gebräuchliche Alltagssprache. In der Symbolsprache bezeichnet sie den Anbruch der Segenszeit (Ex 19,11; Hos 6,2). In diesem Sinn hat Jesus sie verwendet (die nachösterliche Zeit musste diese Wendung ex eventu verstehen). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die dem dritten Tag vorangehenden Tage als Notzeit oder als Gnadenzeit gemeint sind. Als Notzeit ist die Zeit des Auftaktes in den Evangelien Mk 14,58 und Jh 16,16 gekennzeichnet. Unentrinnbar kommt (Jh 16,16) die eschatologische Bedrängnis, aber in Bälde wird Gottes Sieg sie beenden. Umgekehrt bezeichnen die zwei Tage des Heute und Morgen Lk 13,32 die Gnadenzeit des Heilsangebotes. Die Drei-Tage-Worte müssen weder notwendig die Kürze der Frist betonen, noch muss die Frist selbst unbedingt als Notzeit gedacht sein, immer aber ruht der Akzent darauf, dass Gott den Zeitpunkt der Wende bestimmt. Das Logion Lk 13,33 ("es geht nicht an, dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkomme") bezeichnet den Prophetenmord als das 'Privileg' Jerusalems: Niemand kann mir etwas anhaben, denn nicht in Galiläa, sondern in Jerusalem wird sich mein Geschick erfüllen, bis dahin bin ich unantastbar. So ist es Gottes Wille. Jh 16,20: Gott ist der, der die kurze Frist des Kummers in Freude verwandeln wird (226f).

Mk 9,31b: „… nach drei Tagen wird er auferstehen“:  Die Problematik der Leidensweissagungen: Markus hat die älteste Fassung der Leidensweissagungen (8,31par; 9,31par;10,33fpar). Wenn Matthäus und Lukas das markinische „nach drei Tagen“ in „am dritten Tag“ verwandeln, so ist das eine Präzisierung ex eventu. Das aktivische „auferstehen“ des Markus ist älter als das passivische „auferweckt werden“ der beiden Seitenreferenten, da sowohl das Hebräische wie das Aramäische von der Totenauferweckung stets aktivisch redet. - Die sog. drei Leidensweissagungen sind in Wahrheit Variationen. Die dreifache Wiederholung könnte sich daraus erklären, dass unter den Überlieferungszusammenhängen, drei waren, die die Leidensankündigung enthielten (ebenso wie zwei von ihnen die Speisungsgeschichte boten).

- Von den Varianten der Leidensankündigung hat Mk 9,31 als die ursprünglichste zu gelten: sie ist nicht nur am unbestimmtesten formuliert, sondern bietet auch bei der Rückübersetzung ins Aramäische ein Wortspiel: Gott wird den Menschen (Jesus) den Menschen preisgeben.

- Der auffällige Tempuswechsel in Mk 9,31 vom Präsens zum Futur, der schon

Matthäus und Lukas zur Korrektur veranlasste, macht es wahrscheinlich, dass hier zwei ursprünglich isolierte Jesusworte verschmolzen sind „Gott gibt den Menschen (Jesus) den Menschen preis“ und „Gott wird ihn in Bälde auferwecken“. Das Mk 9,31b zugrunde liegende Kurzlogion „nach drei Tagen wird er auferstehen“ ist ein freies Zitat von Hos 6,2: „Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tag auferwecken, dass wir vor ihm leben werden“ = Am Tag der Totenbelebung wird er uns auferwecken. Anhand der rabbinischen Exegese von Hos 6,2 hat bereits C.H. Dodd eine Beobachtung gewonnen, dass die Ansage der Auferstehung nach drei Tagen in den Leidensweissagungen ursprünglich eschatologisch gemeint war. Diese These erhält weitere Stütze, wenn man Mk 9,31b mit den Drei-Tage-Worten zusammenstellt, die durchweg von der definitiven Wende handeln. War die Ansage der Auferstehung „nach drei Tagen“ ursprünglich eschatologisch gemeint, dann kann sie keinesfalls im Rückblick auf Ostern formuliert sein, sondern  muss wie die übrigen Drei-Tage-Worte (mit Ausnahme des sekundären Schriftbeweises Mt 12,40) vorösterlich sein. Dafür spricht ihr Maschal-Charakter. Jesus hat in einem viel breiteren Umfang in Wendungen gesprochen, die seinen Hörern rätselhaft klingen mussten, als uns im Allgemeinen bewusst ist, weil seine Worte uns geläufig sind. Dieses Reden in Rätselworten ist ein so auffälliges Phänomen, dass man es zusammen mit den Gleichnissen den Kennzeichen der Redeweise Jesu zuzusprechen hat. Die Drei-Tage-Worte der Evangelien (außer Mt 12,40) gehören zu dieser Kategorie der Logien Jesu. Sie reden ursprünglich nicht von drei Kalendertagen, sondern von der begrenzten, von Gott bestimmten Frist bis zur Weltvollendung. Das gilt auch für die Ankündigung der Auferstehung „nach drei Tagen“ (228f).

Die nachösterliche Zeit musste die Wendung (die theologische Zeitansage: „nach drei Tagen“) ex eventu verstehen (nach drei Kalendertagen) z.B. 1Kor 15,4 (Anm.18).

 

(5) Der Bericht des Paulus (1Kor 15,3-11) und die Bedeutung der Verklärungsgeschichte Jesu für die Entstehung der zweiten Vision des Petrus :

 A. von Harnack: 

(a) Der Bericht des Paulus (1Kor 15,3-11)
 (b) Die Bedeutung der Verklärungsgeschichte Jesu für die Entstehung der zweiten Vision des Petrus

 (a) Der Bericht des Paulus (1Kor 15,3-11) :Ich habe euch übergeben, was auch ich empfangen habe:

(1) “dass Christus gestorben ist für unsere Sünden gemäß den Schriften und
 dass er begraben worden ist und dass er auferweckt worden ist am dritten Tag gemäß den Schriften und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen
(Vv 3-5).

(2) Danach ist er gesehen worden von mehr als 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch leben bis jetzt, einige aber sind entschlafen (V 6).

(3) Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln (V 7).

(4) Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer Fehlgeburt gesehen worden... Ob also ich, ob jene, so verkündigen wir und so seid ihr gläubig geworden“ (Vv 8-11).

 

(1) Die älteste Tradition (Vv 3-5): Die zwei Hauptsätze sind durch 'gemäß den Schriften' hervorgehoben (63).

(2) Mit V 6 beginnt die Aufzählung einer Reihe von Visionen, die nicht zur überlieferten Formel gehörten. Die Visionen des Kephas und der Zwölfe gehören nach Galiläa. Die Vision “der mehr als 500 Brüder auf einmal“ (V 6) muss mit der Pfingstgeschichte identisch sein.* Lukas leitet von diesem Ereignis die Stiftung der Kirche ab (die bisher im Jüngerkreis nur präformiert war). Paulus setzt die Bedeutung des Vorgangs den apostolischen Erlebnissen gleich. Es ist schwer ersichtlich, wie Paulus sagen konnte, dass die Mehrzahl derer, die die Vision erlebt haben, noch am Leben sei, wenn sie nicht einer Gemeinde angehört haben. Wie war sonst eine Kontrolle über Lebende und Verstorbene möglich? Man hat sie gezählt, man behielt sie im Auge und man 'buchte' es, wenn sie starben (65).

“erschienen dem Kephas, dann den Zwölfen“ (V 5)
“erschienen dem Jakobus, dann allen Aposteln“ (V 7)

Die beiden Sätze erscheinen in formelhafter Parallele und jede trotz der Zweigliedrigkeit als eine Einheit. Das muss seinen Grund in dem Verhältnis haben, in dem jedesmal die Vision der ganzen Gruppe zu der des einzelnen gestanden hat (66).

Die beiden Formeln müssen schon z.Zt. des Paulus Rivalen gewesen sein. Keine der beiden Parteien, die sie verkündigten, brauchte dabei der anderen abzusprechen, dass auch Jakobus bzw. Petrus eine eigene Christusvision gehabt haben. Aber welche Vision die sachlich grundlegende und der Apostelvision vorangegangene gewesen sei, darauf kam es jeder Partei an. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Transposition von Petrus auf Jakobus schon bei den Jakobusleuten vollzogen war, als Paulus seinen Brief schrieb. Zu Paulus sind beide Formeln gekommen. Paulus hat die Petrusvision, wie sich's gebührt, vorangestellt und ihr die Jakobusvision folgen lassen. Indem er aber die rivalisierenden Formeln der Petrusleute und der Jakobusleute einsetzte, um die Zeugnisse in ihrer kürzesten und bekanntesten Gestalt wiederzugeben, ergab sich die Verdoppelung der Apostelvision (67f).


 

Exkurs: Die Verdrängung des Petrus als des ersten Zeugen der Auferstehung: Im Joh Ev wird den Lesern gesagt, die Erscheinung Jesu vor Petrus sei die dritte gewesen (Joh 21,14). Das Joh Ev hat sowohl die Petrus- als auch die Jakobusvision gestrichen und dafür eine Vision der Frauen eingeführt, auf die dann die Apostelvision folgt. Nach Johannes ist Maria Magdalena die erste Zeugin der Auferstehung gewesen (Petrus und Johannes haben nur das leere Grab konstatiert). Dann erfolgt die Erscheinung vor den Aposteln. Auch hier ist Jakobus ganz unterdrückt. Petrus kommt nur für das leere Grab in Betracht. Dann wird seine Vision an die 3./4. Stelle gerückt. Das Hebr Ev hat die Jakobusvision an die erste Stelle gerückt und ihr die Visionen der Apostel folgen lassen. Eine Vorstellung von dem Verhältnis 'der um Jakobus' und 'der um Kephas' ergibt sich aus Gal 2,12 (69f).


 

Die Art der Christuserlebnisse: (1) Paulus braucht durchweg für sie den Ausdruck 'ophthe'. Dieses 'ophthe' entspricht der atl Verheißung, wie man Gott erleben wird, und der Verheißung Christi in Bezug auf das Erlebnis der Erscheinung des Menschensohnes in Herrlichkeit (Mt 24,30; 26,64; Mk 13,26; 14,62; Lk 21,27; Joh 16,16f; Offb 1,7 usw.). Es handelt sich um eine Vision, ein reines Schauen. Es überschreitet die Grenze des Sehens nicht. Paulus kennt nach unserem Bericht die Christuserlebnisse nur als Schauungen (ebenso Lk 24,34). Erst auf der nächsten Traditionsstufe verwandelt sich 'ophthe' in 'phainomai' oder 'phaneroo', welche alle möglichen Arten des Christuserlebnisses offenlässt, die nun auch gezählt werden (Mk 16,9.12.14; Joh 21,1.14) (70).

(2) Die Begleiter des Paulus auf dem Weg nach Damaskus haben nichts gesehen und nichts gehört. Nur ihr zusammengebrochener und umgewandelter Führer stand vor ihnen. Das Christuserlebnis des Paulus war objektiv ein rein innerliches, eine Schauung, wie er sie selbst bezeichnet. Ist der Charakter des Christuserlebnisses des Paulus klar, so folgt für Paulus, dass auch die Christuserlebnisse des Petrus, Jakobus usw. diesen Charakter gehabt haben. Sie waren Visionen nicht des Menschen Jesus oder des Gekreuzigten, sondern Vision Jesu als des Menschensohnes in Herrlichkeit, denn so lautete die Verheißung und darauf richteten sich die Erwartungen (71).

(3) Das Erlebnis der 500 Brüder und die Pfingstgeschichte sind identisch.* Der Vorgang ist allgemein als Christusmanifestation empfunden und bezeichnet worden, bei der alle Teilnehmer die Glorie des Herrn gesehen oder gespürt zu haben sich bewusst waren, denn immer handelte es sich bei allen Schauungen um den Kyrios in Herrlichkeit (71).

(4) Paulus bezeichnet seine Schauung des Auferstandenen als die letzte. Er schließt seinen Bericht V 11ab: “Ob also ich, ob jene, so verkündigen wir, und so seid ihr gläubig geworden“. Paulus hat hier nicht nur das Evangelium im Auge, sondern auch seine Kraft, die es zur Gründung der Kirche gebracht hat. Hierfür kommen nach seinem Urteil nur Petrus, die Zwölfe, Jakobus und er selbst in Betracht, dazu jene große Versammlung, in der sich der Jüngerkreis zur Kirche Gottes umgestaltet hat, die Gemeinde der 'Erstlinge'. Sie alle (und nur sie) haben die Glorie des Auferstandenen in einer Schauung erlebt, die sie zu Grundsteinen der Kirche Gottes machen sollte. Die ihnen geschenkte Schauung galt nicht nur ihrer Person, sondern dem Bau des Reiches Gottes. Dann aber ist Paulus der letzte, denn mit seiner Berufung als Heidenapostel ist alles, was zur Grundlegung nötig ist, erfüllt (71f).

 

(b) Die Bedeutung der Verklärungsgeschichte Jesu für die Entstehung der zweiten Vision des Petrus: Die Verklärungsgeschichte Jesu (Mk 9,2ff) wird als wirkliche Vision des Petrus verteidigt und ihre Bedeutung für die Entstehung der zweiten Vision des Petrus (1Kor 15,5; Lk 24,34) unter Berücksichtigung von 2Ptr 1,16-18 nachgewiesen.

Petrus hat als erster nach der Kreuzigung Jesu eine Christusvision erlebt. Von dieser Schauung her hat der Glaube an Jesus als den Auferstandenen seinen Anfang genommen, ihr sind die Visionen der anderen gefolgt (die erste Vision hat kausierend gewirkt). Dieser Schauung verdankt es Petrus, dass er auch nach seiner Verleugnung das Haupt der Christenheit geblieben bzw. wieder geworden ist (72).

E. Meyer: Aus der Verklärung sind die Auferstehung und die Erscheinungen des Auferstandenen erwachsen. Sie ist die Wurzel des Christentums. Um ihretwillen sind die Drei (Petrus, Jakobus, Johannes) die Säulen und die ersten Oberhäupter der sich bildenden Kirche“. Statt Auferstehung ist präziser Auferstehungsglaube zu sagen. “Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29) (73).

Die Verklärungsgeschichte gehört aufs engste zum Bericht über das Petrusbekenntnis (Mk 8,27 – 9,8). Petrus hat sein Bekenntnis auf dem Weg nach Cäsarea Philippi abgelegt. Sechs Tage später (Mk 9,2) hat die Verklärungsvision stattgefunden. Dem Petrusbekenntnis folgt nicht eine hohe Belobigung (wie Mt 16,17), vielmehr verbietet Jesus die Weitererzählung. Dann aber wird berichtet, dass er bald darauf Petrus aufs härteste angefahren habe: “Weg von mir, Satan“ (Mk 8,33), als dieser ihn vom Leidensweg abführen wollte (wer kann diese für Petrus so beschämende Geschichte berichtet haben, wenn nicht er selbst?). Die Verklärungsgeschichte erlebt trotz der sachlich engen Beziehung zu seinem Bekenntnis nicht Petrus allein, sondern auch Jakobus und Johannes, obwohl sie in der Erzählung nur Statisten sind (hätte ein Erfinder nicht diese beiden fortgelassen oder sie irgendwie beteiligt?). Dem Petrus wird in der Erzählung ein Wort in den Mund gelegt, das der Erzähler mit dem härtesten Urteil abtut: “Er wusste nicht, was er sagte, denn sie waren völlig bestürzt“ (Mk 9,6) (wer kann der Urheber dieser schonungslosen Kritik sein als Petrus selbst?). Worte, die Jesus mit Elias und Moses gesprochen hat, werden nicht berichtet. Der Erzähler sah sie nur zusammen sprechend. Die Stimme Gottes (aus der Wolke), die bei der Vision gehört wurde, enthielt nichts anderes, als was Petrus schon wusste, weil er es selbst sechs Tage vorher bezeugt hatte, nämlich dass Jesus der Messias sei (74f).

Petrus lebte seit dem Tag von Cäsarea Philippi in dem Gedanken, der Rabbi Jesus ist der Messias. Die zwei anderen, sich ganz passiv verhaltenden Jünger (Johannes und Jakobus) haben wahrscheinlich nichts gesehen (wie die Begleiter des Paulus bei dessen Vision) (75).

Indem Petrus Elias und Moses neben dem Messias sieht und jedem der drei eine Hütte bauen will, beweist er, dass er noch auf jenem Standpunkt messianischer Hoffnung stand, der später in der Urgemeinde nicht mehr galt und auch in keiner Auferstehungsvision mehr zum Ausdruck kommt. Der leidende und sterbende Messias hat nichts mehr mit Elias und Moses zu tun. Er hebt diese Vorstufen nicht auf, sondern schließt sich ihnen an. Man hat allen Grund zum Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Berichterstattung auch an diesem Punkt, da von Leiden und Sterben nicht die Rede ist. Weil Jesus das Bekenntnis zu seiner Messianität bestätigt hatte, musste Petrus bei seiner noch beschränkten Auffassung annehmen, die sichtbare Aufrichtung des irdischen Reiches werde nun sofort stattfinden. Die Verklärungsvision ist die visionäre Antizipation der Ouverture dieser Judenhoffnung. Petrus 'sah' Elias und mit ihm auch Moses, weil er glaubte, sie würden zusammen mit Christus das Reich sofort aufrichten (75f).

Die Verklärungsgeschichte ist in ihrer Paradoxie und spröden Einzigartigkeit, in ihrer Verknüpfung mit dem Petrusbekenntnis und als schwer erfindbare Erzählung als Erlebnis des Petrus anzuerkennen (77).

Dann aber gewinnt der Vorgang eine außerordentliche Bedeutung. Als die Katastrophe der Kreuzigung hereingebrochen war und Petrus sich nicht nur an Worte Jesu und den tiefen Eindruck seines irdischen Lebens zu klammern brauchte – das schien alles Lügen gestraft zu sein - , stand ihm eine über den Kreuzestod schon im voraus triumphierende Erinnerung zu Gebote. Er hatte Jesus als Messias in himmlischer Glorie einst auf dem Berg gesehen. Dies war ihm eine Tatsache. Aus dieser Tatsache heraus überwand sein neu aufkeimender Glaube alle Zweifel und ließ ihn eine zweite Vision des Herrn in der Glorie erleben. Die erste Christusvision hatte sein Bekenntnis und die Bejahung durch den Meister zur Voraussetzung. Jetzt kam sie seinem verlöschenden Glauben zu Hilfe. Der, der da gekreuzigt war, stand allein in seiner Herrlichkeit vor ihm. Es war derselbe, den er einst auf dem Berg geschaut hatte (77f).

2Ptr 1,16-18: “Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus, sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren“.

'Petrus' erinnert seine Leser daran, dass er ihnen die Macht und Parusie Christi auf Grund bester Versicherung kundgetan habe, nämlich auf Grund eigener persönlicher Erlebnisse. Zu diesem Zweck beginnt er mit der Verklärungsgeschichte, verweilt aber bei dieser solange und ist von ihrer Bedeutung für seine Zwecke so überzeugt, dass er auf die Fortsetzung, auf die es eigentlich ankam, nämlich auf die Auferstehungsschauung, verzichtet. Schon das Gesagte scheint ihm genug, um damit den Satz zu begründen, dass das prophetische Wort (der heiligen Schriften von der Auferstehung und der göttlichen Erscheinung Christi) durch die erlebte Wirklichkeit gesichert und der Glaube an den herrschenden Christus fundamentiert sei (78f).

'Petrus' beruft sich zur Begründung der Herrlichkeit des erhöhten Christus auf die Verklärungsgeschichte (er begnügt sich sogar mit ihr). Vermutlich hat Petrus sich bei seinen Predigten auf sein Verklärungserlebnis gleichwertig neben sein Erlebnis der Vision des Auferstandenen berufen, für ihn gehörten sie zusammen (79).

Petrus hat zwei Visionen erlebt, eine vor und eine nach der Kreuzigung. Die zweite stand mit der ersten in engstem Zusammenhang und ist durch sie mit ermöglicht worden. So wunderbar es ist, einen noch lebenden Menschen in himmlischer Glorie zu schauen, so ist es noch viel wunderbarer, einen am Kreuz Gestorbenen in dieser Herrlichkeit zu sehen. Die erste Vision hat eine der wichtigsten Voraussetzungen für die zweite geschaffen. Beide haben sich später in der Seele des Petrus gleichsam verschmolzen. Von ihnen sind dann die Erlebnisse der anderen in Bezug auf den auferstandenen Christus ausgegangen. Die Anerkennung Jesu als des Messias ist eine Folge des Eindrucks der Person und des Wirkens Jesu gewesen. Sie ist die tiefste Wurzel des Christentums (80).

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