6. Paulus und die Versöhnung aller nach dem Römerbrief
Der Heilsuniversalismus im Römerbrief: „Damit Gott sich aller erbarme“ (11,32)
(1) Zur paulinischen (pln) Christo-Logik
(2) Paulinische Gerichts- und Verwerfungsaussagen
(3) Die Bedingung des Heils - das paulinische Verständnis von Glaube und glauben
(4) Röm 1,16f: Das Evangelium als Kraft Gottes
(5) Röm 3,21-26: Die Rechtfertigung allein durch Glauben
(6) Röm 4,1-25: Verheißungsvoller Glaube
Abraham der Vater des Glaubens
(7) Abschied von der Vorstellung, der Tod sei "der Sünde Sold" (Röm 6,23) anstatt Röm 5,12-21
(8) Röm 8,28-30: Der göttliche Ratschluss
(9) Röm 11,25-32: „Damit Gott sich aller erbarme“
Israels endliche Errettung
(10) Zusammenfassung und Ergebnis
J.Adam
(1) Zur paulinischen (pln) Christo-Logik
Hinsichtlich der Frage nach dem Heilsuniversalismus erlaubt Paulus keine Trennung zwischen christologischen und soteriologischen Aussagen zu machen, genauso wenig wie sich eine sachliche Trennung (wenn auch Unterscheidung) des Handelns von Gott (Vater) (Theologie) und Jesus Christus (Christologie) in soteriologischer Hinsicht begründen ließe. Die Kardinalaussage 2Kor 5,19 lautet: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung“. So formuliert Paulus das Ineinander der Aspekte von Theologie, Christologie, Soteriologie, Anthropologie und Eschatologie. Das bereits innerweltlich im Modus des Glaubens wirkmächtig, darüber hinaus aber auch eschatologisch versöhnende Heilshandeln Gottes gegenüber der gottfeindlichen Welt zeigt sich nirgends anders als in Person und Werk Jesu Christi (130).
A 138f: Das Offenbar-Werden aller vor dem Richterstuhl Gottes schließt beides ein: Die durch Gott erwirkte Selbst-Erkenntnis des sündigen Menschen und das angesichts des Gnadenhandelns Gottes bewirkte Gottes-Bekenntnis eben des von Sünde gezeichneten, aber nicht mit der Sünde identischen Menschen. Wenn der Christushymnus des Philipperbriefs für die Stunde der Endverherrlichung Jesu die universale Huldigung aller Geschöpfe erwartet und also offensichtlich in der Nachfolge Deuterojesajas auch die durch den königlichen Machterweis Gottes überwundenen und gewonnenen Feinde in den Kreis der Huldigenden miteinbezogen sieht, dürfte das seinen letzten Grund darin haben, dass hier der in der Erhöhung des Gekreuzigten errungene Sieg über die Welt in ganzer Konsequenz als ein Sieg des heilschaffenden Gottes begriffen ist. Das pln Denken ist durchgehend soteriologisch geprägt, insofern es Gottes rettendes Handeln in Jesus Christus zum Gegenstand hat.
Der Begriff der pln Christo-Logik trägt der Beobachtung Rechnung, dass Theologie bei Paulus stets entfaltete Christologie ist, die wiederum eo ipso Soteriologie ist. Eine von soteriologischen Implikationen losgelöste Christologie findet sich in den pln Texten nicht, weil und insofern Christus als 'unser Herr' stets der Herr 'für uns' ist (132f).
(2) Paulinische Gerichts- und Verwerfungsaussagen
Paulus weiß um die Ernsthaftigkeit des den Menschen zu Recht verurteilenden Gerichts. Er lässt keinen Zweifel daran, dass jeder Mensch angesichts des heiligen Zorns Gottes erkennen wird, wes Geistes Kind er ist. Als ein von der Sünde unentrinnbar beherrschter ist ein jeder Mensch ein Verlorener. Diese Erkenntnis bleibt dem in Gottesfeindschaft begriffenen Geschöpf extram Christum verschlossen (235).
Das eschatologische Versöhnungshandeln Gottes steht dem geschöpflichen Todesverhängnis fundamental gegenüber. Gott der Ankläger fällt sich als Verteidiger selbst ins vernichtende Gerichtswort und spricht den Schuldigen frei. Der pln Heilsuniversalismus hat seinen unhintergehbaren Fixpunkt in Gottes nie endender Liebe und Gnade. Wie er sich in Jesus Christus der Welt gezeigt hat, so wird er sich am Gerichtstag als ebenderselbe offenbaren, der den Unglauben des Geschöpfs zum Glauben wendet, die Sünde verdammt, aber den Sünder errettet, dem Verblendeten die Augen öffnet, das Nichtige vernichtet und das Nichtseiende ins Dasein ruft. Gottes heiliger und gerechter Zorn über das Unversöhntsein der Welt hat die Versöhnung zur Folge. Die menschliche Logik wird durch die göttliche Christo-Logik zu ihrem eschatologischen Besten widerlegt. Die durch Gott geschenkte Befreiung aus der Verstrickung der Sünde führt in eine der Liebe Gottes gegenüber antwortende christliche Freiheit (236).
Dieser Perspektive ist Paulus in allen seinen Schreiben verpflichtet, weil sie auf seiner Christo-Logik basiert. Das Heilshandeln Gottes in Christus hat Paulus „durch eine Offenbarung Jesu Christi“ empfangen (Gal 1,11f). Es ist Fix- und Ausgangspunkt aller weiteren pln Aussagen, so auch derer über das Gericht und die Verwerfung. Der Apostel gewinnt diese Erkenntnis nicht erst im Römerbrief, aber er entfaltet sie dort am umfassendsten, veranlasst durch die besondere Situation, in der er sich befindet. Wie das Gerichtshandeln Gottes nur im Licht Jesu Christi recht verstanden werden kann, so bleibt auch das universale Versöhungshandeln an Jesus Christus gebunden (236f).
(3) Die Bedingung des Heils – das paulinische Verständnis von Glaube und glauben
a) Das Widerfahrnis des Glaubens
Der stets christologisch bestimmte Glaube und die Befähigung zum Glauben sind ausschließlich dem Handeln Gottes zu verdanken. Eine 'Wahlmöglichkeit', das 'Glaubensangebot' Gottes zu ergreifen, ist aus der Sicht des von der Sünde zutiefst verdorbenen Menschen nicht gegeben und pln nicht denkbar. Das auf die Predigt des Evangeliums respondierende 'Annehmen' beruht – wie auch das gegenwärtige Wirken in der Gemeinde – auf dem erwählenden und geistgewirkten Handeln Gottes: Als Gemeinde können sich die Thessalonicher (1Thess 1,4f) als von Gott erwählt begreifen, weil die Verkündigung des Apostels nicht als Menschenwort, sondern als wahrhaftiges Gotteswort in wirkmächtiger, wie geisterfüllender Kraft auf den Plan trat und eben als solches den Glauben an es selbst schafft. Dieser Gedanke von der glaubenschaffenden Verkündigung des Evangeliums als Handeln Gottes am von sich aus dem Glauben verschlossenen Menschen, begegnet bei Paulus als stets wiederkehrendes Motiv im Kontext seiner Rede des Zum-Glauben-Kommens (247f).
Der Geist des Glaubens (2Kor 4,13), der den Glaubenden nicht ruhen lässt, davon zu reden, wovon er ergriffen ist (Apg 4,20), ist nichts anderes als das Schöpferwort, das die Erkenntnis Jesu Christi als des Kyrios (2Kor 4,13) bewirkt. Entsprechend kann Paulus den nach wie vor bestehenden Unglauben gegenüber der Verkündigung ebenfalls allein darauf zurückführen, dass es Gottes Ratschluss anheim gestellt ist, Glauben zu eröffnen oder Verblendung zu belassen. Hält man sich das Licht der Erkenntnis, das im dunklen Herzen des Menschen aufscheint, weil der Schöpfer sein „es werde Licht“ (2Kor 4,6) spricht und sich darin als der erweist, der die Toten zum Leben erweckt und das, was nicht ist, ins Dasein ruft (Röm 4,17), dann rückt auch der schöpferische Imperativ: „Laßt euch versöhnen mit Gott“ (2Kor 5,20b) in sein rechtes Licht: Dem Aufleuchten des Lichts im Kosmos auf Gottes wirksamen Befehl hin entspricht der Vorgang des Gläubigwerdens (249f).
Der Glaube kommt aus dem Hören (10,17), setzt das Hören zunächst voraus (10,14), doch der 'Gehorsam' (bzw. 'Ungehorsam') gegenüber dem Gehörten, mithin: das Glauben-Können beruht auf dem erwählenden Handeln Gottes. Glaube als Glaube an Jesu Christi Person und Werk verdankt sich dem schöpferischen Anruf eben des Gottes, der den adamitischen Menschen zu einer 'neuen Kreatur' (2Kor 5,17) macht und damit das Nichtseiende ins Dasein ruft (Röm 4,17). Die Glaubenden erkennen sich als aus dem Unglauben Herausgerufene zugleich als heilvoll Erwählte (252f).
b) Die Bewahrung im Glauben
Röm 5,1 konstatiert die friedvolle Beziehung der Glaubenden mit Gott durch Jesus Christus, die den Zugang zur Gnade bleibend im Hier und Jetzt wie auch zukünftig garantiert. Wie für Röm 4,16 der Gnadencharakter des Glaubens als Gottesgabe gilt, so setzt Röm 4,18f diesen Gedanken auch hinsichtlich der Bewahrung im Glauben fort: Der Glaube Abrahams erhält seine Kraft als Kraft Gottes, die gegen alle menschlichen Möglichkeiten und Zweifel im Glaubenden wirkt und ihn mit der Gewissheit erfüllt, dass Gott seine Verheißungen wahr macht. Ein (unangemessenes) Selbstvertrauen ist damit einem dem Glauben entsprechenden Gottvertrauen entgegengesetzt. Die einzige tragfähige Grundlage in Anfechtungen kann allein der auf Gott beruhende und sich von ihm stets getragene Glaube sein (Röm 11,20) (256f).
Paulus kann durchgehend die Zuversicht ausdrücken, dass der 'Verursacher' des Glaubens zugleich der Bewahrer und Erhalter des Glaubens ist: Nach 1Kor 1,6.8 wurde das Zeugnis von Jesus Christus „festgemacht“ und Gott wird die Gemeinde bis zum Ende der Tage er- und festhalten. So ist es auch Gott, der die Gemeinde nach 2Kor 1,21f in Christus „festmacht“ und ihr das „Unterpfand des Geistes“ gegeben hat. Nach 1Thess 3,12f liegt das Wachsen in der dem Glauben entsprechenden Liebe bei Gott, der auch die Bewahrung seiner Glaubenden selbst trägt. 1Thess 1,9f; Phil 1,6 formuliert die pln Zuversicht, dass der 'Anfänger' des Glaubens auch der (eschatologische) Vollender sein wird (A69: das neue Leben im Einklang mit dem Willen Gottes ist allein als Wirkung und Entfaltung des Geistes Gottes bzw. Christi im Menschen zu erklären). Röm 8,30.38: „Denn Gott ist's, der in euch wirkt, sowohl das Wollen als auch das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ (257f).
A 98: Röm 8,1: „So ist nun nichts an Verdammung an denen, die in Christus Jesus sind“, auch wenn in ihnen Sünde ist, weil sie ihnen nicht schadet.
Röm 8,38f: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, wirkmächtig ist“. Für den Glaubenden ist die Versöhnung der Welt durch Gott in Christus als eine durch Gott in Christus vollbrachte Wirklichkeit zu begreifen und das Daran-Glauben-Können ist keine Annahme eines Heilsangebotes Gottes in Christus seitens des Menschen, sondern ein schöpferisches Handeln Gottes am Menschen, der als Glaubender in Christus eine neue Kreatur ist und das Geschehen der Versöhnung als für und an sich geschehen und verwirklicht erkennt. Die hoffnungsgefüllte Antwort des Glaubens mündet daher in das geistgewirkte Bekenntnis: ‚Herr ist Jesus Christus‘ und in das Lob Gottes: Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen (Röm 11,36) (263).
Ausgangs- wie Zielpunkt aller Aussagen des Apostels zu des Menschen eschatologischem Wohl und Wehe ist in der Christo-Logik der pln Briefe zu sehen. Paulus lässt keinen Zweifel daran, dass der unausweichlich wie unentschuldbar von der Sünde geknechtete und also von Gottesferne und Gottesfeindschaft gezeichnete Mensch allein aufgrund des erwählenden und sich darin erbarmenden Handelns Gottes in den Stand versetzt werden kann, den Paulus mit Gerechtigkeit bezeichnet. Dieser basiert auf der Versöhnung der Welt als der den ganzen Kosmos mit sich selbst versöhnenden Heilstat Gottes in Jesus Christus. Der Zorn Gottes wird in aller Macht über alle Sünde, Ungerechtigkeit und Gottfeindlichkeit des Menschen hereinberechen und diese vermittels des den Menschen schon immer anklagenden guten, heiligen und gerechten Gesetzes verurteilen – aber nicht verdammen (268f)
Paulus markiert eine einzige, zwingend erforderliche Bedingung der präsentisch- wie futurisch-eschatologischen Heilsteilhabe des von sich aus auf immer und ewig verlorenen Menschen: Der Glaube an Jesus Christus. Außerhalb des Heilsraumes Christi existiert kein Heilsraum. So umfassend-universal das ein für allemal verwirklichte Heilswerk Gottes in Jesu Christi Person und Werk zu verstehen ist, so umfassend-universal ist nicht nur die Verurteilung, sondern auch die eschatologische Verdammung des Menschen extram Christum bei Paulus verstanden (269).
Am 'Dass' des universalen Heils aller scheint nach Jesu Leben, Sterben und Auferstehung kein Zweifel zu bestehen. Wird die (bereits gegenwärtig auf immer und ewig mit Gott versöhnte) Gemeinde Jesu Christi, die sich durch Gottes Gnadenhandeln erwählt, berufen und beim Glauben erhalten weiß, unter bestimmten Bedingungen oder an einem bestimmten Zeitpunkt universale Geltung und Ausbreitung haben, so dass dann Gott „alles in allem“ sein wird (269f)?
(4) Röm 1,16f: Das Evangelium als Kraft Gottes
„Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. (17) Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Hab 2,4). Das Evangelium Gottes ist das Evangelium von dem Sohn Gottes (1,3f): Es beinhaltet das (von Gott gegeben) Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Kyrios und impliziert die (auf Gottes Kraft selbst zurückgehende) Verkündigung von Jesus Christus als dem Kyrios und Sohn Gottes. Das Evangelium ist Kraftwirkung. Gottes eigene Kraft ist am Werk zur Erlösung der Menschen, zu ihrer Befreiung von den Mächten der Verderbnis und zu ihrem Eintritt in das neue Zeitalter des Lebens. Die Kraft Gottes ist bei Paulus christologisch bestimmt, insofern Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit (1Kor 1,24) Inhalt der apostolischen Predigt ist (273f).
Es ist nicht der Glaube des Menschen, der dem Evangelium seine Kraft gibt, sondern es ist die Kraft des Evangeliums, die dem Menschen das Glauben ermöglicht. Es obliegt der Macht Gottes, dass der Mensch dem Verkündigten Glauben schenkt. Gott selbst schafft nicht nur die Voraussetzung des Heils, sondern auch die dafür unerlässliche Bedingung. Die heilvolle Zuwendung Gottes zu den Menschen basiert auf der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und die heilvolle Zuwendung Gottes zu Israel beruht auf der Treue Gottes, der der Erwählung Israels treu bleibt, auch wenn Israel selbst seiner Berufung untreu werden sollte (276f).
Die Gerechtigkeit Gottes ist als Aussage über die Rechtfertigung des Menschen zugleich eine Aussage über die Gerechtigkeit Gottes, die er selbst schafft und insofern 'verursacht': Gott als wirkendes Subjekt der Rechtfertigung erweist sicht als gerecht, indem er den Menschen seine Gerechtigkeit zukommen lässt und ihn so gerecht macht. Nach Röm 3,21f ist die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus Christus gekennzeichnet, somit als ein Rechtfertigungsgeschehen (3,24) zu begreifen, das allein aufgrund der gnädigen Zuwendung Gottes den sündigen Menschen 'umsonst' in den Status der vor Gott anrechenbaren Gerechtigkeit versetzt. Der Gabe des Glaubens entspricht das 'Angeld des Geistes', mithin der unerschütterlichen Selbstverpflichtung Gottes zum eschatologischen Wohl des Menschen (278f).
Das umfassend-universal zu verstehende Erlösungshandeln Gottes ist an die Bedingung des Glaubens geknüpft. Die Erfüllung dieser Bedingung liegt in der Hand Gottes, insofern es des Menschen Möglichkeit entnommen ist, dem Evangelium Glauben zu schenken (281f).
(5) Röm 3,21-26: Die Rechtfertigung allein durch Glauben
„Nun ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart durch das Gesetz und die Propheten. (22) Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: (23) sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhms, den sie bei Gott haben sollten, (24) und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist“.
Paulus formuliert in dieser Perikope, auf welche Weise das Evangelium Gottes trotz der universalen Sündenverfallenheit des Menschen als Kraft Gottes zum eschatologischen Heil des Menschen unter der Bedingung des Glaubens, die vom Menschen seinerseits nicht erbracht werden kann, zu bestimmen ist (283).
Die Wirkmacht Gottes, die sich im Glauben an Jesus Christus zeigt, rechtfertigt bereits gegenwärtig den Gottlosen, macht den zu Recht vom Gesetz Verfluchten bleibend zu einem Gerechten und erweckt den Todverfallenen zu neuem, unvergänglichem Leben (296).
A 83: Jeder Mensch, der die Gabe des Glaubens geschenkweise empfangen hat, hat darin bereits die Rechtfertigung vollgültig erfahren und ist dadurch bereits zu einer „neuen Kreatur“ geworden, so dass gilt: Der so durch Gott aus Glauben Gerechtfertigte wird leben.
Trotz und gerade wegen der universalen Sündenverfallenheit aller Menschen wird diesen die heilvolle Rechtfertigung Gottes geschenkweise und allein aus Gnaden zuteil (297).
(6) Röm 4,1-25: Verheißungsvoller Glaube
Abraham der Vater des Glaubens
a) 4,1-12: An der für Juden wie Judenchristen und für Heidenchristen höchst relevanten Person Abraham lässt sich nicht nur die Rechtfertigung des Gottlosen allein aufgrund der gnädigen Zuwendung Gottes im Geschenk des Glaubens, sondern auch die Einbeziehung der Heidenvölker in das Rechtfertigungsgeschehen von den Vätergeschichten an illustrieren. Das hat Abraham (haben auch wir 4,24) erfahren und erlangt: Die durch den Glauben nicht nur mögliche, sondern Wirklichkeit gewordene Rechtfertigung des Gottlosen entsprechend des göttlichen Heilswillens („Abraham aber glaubte Gott, das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet“ Gen 15,6). Dabei wird in 4,1-8 zunächst auf den Gnadencharakter des Rechtfertigungsgeschehens hingewiesen. Zur Bestätigung dieser Interpretation versichert sich der Apostel eines zweiten Schriftzeugen, indem er mit Ps 32,1f die Stimme Davids zitiert (304).
4,9-12: Der nach dem Verständnis des Apostels tiefere Sinn jener zeitlichen Vorordnung des Rechtfertigungsgeschehens vor der zeichenhaften 'Äußerung' des Bundesschlusses (Beschneidung) besteht in dem sich darin ausdrückenden universalen Heilswillen Gottes. Zum Glauben muss keineswegs die Beschneidung kommen, aber zur Beschneidung muss unabdingbar der Glaube hinzukommen, soll es wirklich um die Gerechtigkeit Gottes gehen (305f).
b) 4,13-25: Als Kernaussage lässt sich für 4,13-16a festhalten: Die Verheißung an Abraham und seine Nachkommenschaft, eine gewisse Zukunft bei und mit Gott zu haben, wurde ihm durch den Glauben zuteil, der sich der gnädigen Zuwendung Gottes selbst verdankt. Die Verheißung hat ihre Zuverlässigkeit darin, dass sie in ihrer Herkunft und Erfüllung wesenhaft durch ihren Ursprung bei und von Gott her qualifiziert ist (307).
4,16b-22: Unter der 'Überschrift' „Dieser ist unser aller Vater“ wird Abraham in Aufnahme von Gen 15 und 17 als Typos des sola gratia et per fidem gerechtfertigten Gottlosen nachgezeichnet, in dessen Geschichte und Geschick die Geschichte und das Geschick aller Glaubenden enthalten ist, wie die Wendung in 4,24: „auch unseretwegen“ verdeutlicht. Indem der Apostel der für seine Theologie grundlegenden Formulierung (der den Gottlosen rechtfertigt) die beiden Bestimmungen: der „Tote wieder lebendig macht“ und der „das Nichtseiende ins Dasein ruft“ parallelisiert, macht er deutlich, dass die Rechtfertigung des Gottlosen nur als das Wunder göttlicher Neuschöpfung und Lebensgewährung verstanden werden kann. Subjekt und Geber der vertrauenden Gewissheit ist Gott, der den Glauben an die Erfüllung des Verheißenen selbst wirkt. Die Nacherzählung von der Verheißung eines Nachkommens für Abraham durch Gott (Gen 17) dient als Illustration dieses Wunders der Neuschöpfung, das selbst die Zuversicht an die Ermöglichung wie Verwirklichung der Verheißung weckt, stärkt und erhält (308f).
Der schöpferische Anruf im und durch den Glauben ist „Hoffnung wider alle Hoffnung“ (4,18), der den Zweifel überwindet (4,20) und aus dem Gottlosen einen Gerechten macht, aus dem An-Sich-Toten einen in Zeit und Ewigkeit Für-Gott-Lebenden. Im glaubenden Abraham ist der ins Recht gesetzte und zu Recht gebrachte Mensch, sei er Jude oder Heide (vgl. 3,29f), (vor-)abgebildet (309).
In 4,23-25 nimmt Paulus das Verheißungswort an Abraham auf und benennt die Glaubenden als verheißene Nachkommen Abrahams, denen als Glaubende die gleiche Verheißung wie Erfüllung der Rechtfertigung sola gratia zuteil wird (4,24). Der Glaube Abrahams erweist sich aufgrund seines göttlichen Ursprungs als verheißungsvoll. Er ist einerseits als von Gott selbst erfüllte 'Bedingung' der Rechtfertigung verstanden; er hat andererseits weitreichende Bedeutung für das Verständnis von Abraham als dem „Stammvater aller Glaubenden“, verbürgt sich Gott selbst doch für die Erfüllung der mit der Person Abrahams verknüpften umfassenden Verheißung seiner Rechtfertigungstat gegenüber dem Sünder (310).
Subjekt und Wirkursache des Glaubens wie auch Garant dessen, dass der Verheißung die gewisse Erfüllung folgt, ist Gott, der die Rechtfertigung des Gottlosen aus Gnade (4,16) verwirklicht, so dass für Abraham gilt, was allen seinen Nachkommen verheißen ist: der Glaube „wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet“ (312).
c) Ergebnis: Im Weg Gottes mit Abraham bildete sich das Grenzen überwindende Rechtfertigungsgeschehen Gottes gegenüber dem Gottlosen ab und wird durch Paulus als schriftgemäß erwiesen. Abraham wird durch den Glauben als Gerechter von Gott anerkannt und also gerechtfertigt. Der Glaube selbst wird dabei von Gott geschenkweise empfangen und ist insofern die gottgewirkte Erfüllung der Bedingung, somit die Art und Weise der Rechtfertigung. Im Glauben wird die Rechtfertigung des Gottlosen nicht nur ermöglicht, sondern bleibend verwirklicht. Im Zum-Glauben-Kommen des Abraham erweist sich Gott als der Schöpfer, der das Nichtseiende ins Dasein ruft. An der besonders prominenten Person Abrahams kann der Apostel darüber hinaus die universale Weite dieses Rechtfertigungsgeschehens erweisen: Die Verheißung der heilvollen Zuwendung Gottes zu Abraham als dem „Erben der Welt“ impliziert die Verheißung von Gottes heilvoller Zuwendung zur Welt (312f).
(7) Abschied von der Vorstellung, der Tod sei "der Sünde Sold" (Röm 6,23) anstatt Röm 5,12-21
K.-P. Jörns: Die Sterblichkeit hängt mit dem 'Material' zusammen, aus dem der Mensch gemacht ist: er ist von Erde genommen und muss wieder zu Erde werden.
K.-P. Jörns (2006³)
Der Tod ist nach Paulus als Strafe für den Ungehorsam der ersten Menschen in die Welt gekommen (Röm 5,12.18). Adam ist nach seiner Vorstellung nicht als sterbliches Wesen geschaffen worden. Dieses Verständnis der Sterblichkeit hat weder in den beiden Schöpfungsgeschichten noch in 1Mose 3 einen wirklichen Rückhalt. Denn die Sterblichkeit hängt mit dem ‚Material‘ zusammen, aus dem der Mensch gemacht ist: er ist von Erde genommen und muss wieder zu Erde werden. Die Annahme, dass es erst durch die Sünde Tod und Sterben in der Welt gäbe, ist nicht zu halten. Die Schöpfung hat in allen ihren Elementen die Signatur der Endlichkeit und des Vergehens. D.h. Sterblichkeit und Tod gehören zum irdischen, geschöpflichen Dasein des Menschen (wie der anderen Lebewesen) (275f).
Trotzdem hat sich das Dogma von der Erbsünde, zu der die Sterblichkeit als Straffolge gehört, gehalten. Dafür sind letztlich Paulus und der Kirchenvater Augustin verantwortlich. Das religiöse System, innerhalb dessen Paulus seine Anschauung vom Zusammenhang von Sünde und Tod entwickelt hat, ist im wesentlichen durch das Verständnis von Sünde bestimmt. Der Zusammenhang von Ungehorsam gegen Gottes Gebot und unserer Sterblichkeit als kollektiver wie individueller Folge ist eine theologische Konstruktion. Sie kommt aus der Hochschätzung der Tora, die den Gehorsam gegenüber „Gottes Gebot“ absolut (d.h. als „Weg des Lebens“) versteht. Alles wird vom Tod her bzw. auf ihn hin gedacht (276f).
In der Vorstellung vom Tod als der „Sünde Sold“ wird dem Ungehorsam der Menschen die Macht zugesprochen, Gottes Schöpfung verändert zu haben! Der Ungehorsam wäre letztlich derjenige, der aus (angeblich) unsterblich geschaffenen Menschen sterbliche Wesen gemacht und damit die vom Schöpfer selbst gut, ja, sehr gut genannte Schöpfung deformiert hätte! Der Grundgedanke dabei ist, dass Gott Ungehorsam gegen das als Heilsweg verstandene Gesetz mit Tod bestraft. Für diesen Gedanken stellt die biblische Sintflutgeschichte die Modellerzählung dar. Sie hätte die Aufgabe gehabt, verständlich zu machen, dass und warum die (angeblich) unsterblich geschaffenen Menschen im ersten Schritt sterblich und im zweiten durch die Sintflut vernichtet wurden: wegen des Ungehorsams. Also beginnend stellten die biblischen Erzählungen die Mahnung an die Hörer der jüdischen Bibel dar, der Tora als dem Weg zu Heil und Leben in unbedingtem Gehorsam zu folgen (277f).
Paulus kontrastiert zwar die Tora als Heilsweg mit der durch Christus erworbenen Gnade, die die Herrschaft des Gesetzes abgelöst habe. Dennoch hat Paulus das System des Gehorsamsglaubens nicht aufgegeben.
Röm 5,19: „Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten“.
Sterblichkeit ist geschöpflich und insofern unser und aller anderen Kreaturen Schicksal. Paulus war davon überzeugt, dass wer Christ sein will, nicht vorher Jude geworden sein müsse (Gal 1,11 – 3,9). Ebenso geht Jörns davon aus, dass wir, um Gottes Liebe glauben zu können, nicht vorher in den jüdischen Gehorsamsglauben eingetaucht sein müssen. Die Erkenntnis, dass unsere Sterblichkeit von Gott geschaffen ist, führt uns zur Solidarität mit allen sterblichen Wesen (280).
Der Tod als Tor zu einem anderen Leben: Durch die Geist-Einhauchung sind sterbliche und gestorbene Menschen des lebendigen Gottes Zeitgenossen, mit ihm gleichzeitig. Das gilt von ihm aus, weil er zu allen Geschöpfen eine Lebensbeziehung durch den Geist hat. Und das gilt von uns aus als geglaubte Wirklichkeit, sofern wir uns dessen im Geist bewusst werden. Der Gedanke einer leibhaftigen Auferstehung ist für diesen Glauben hinderlich, weil er das zukünftige Leben an die „von Erde genommene“ Gestalt des jetzigen Lebens binden, mithin dieses Leben nicht wirklich loslassen, nicht aus ihm heraus, will. Angemessen ist eher die Vorstellung von einer Verwandlung. Diese Verwandlung schließt den Tod und die Verwesung des Leibes ein. Das Sterben ist der notwendige Abschied hinein in unsere Zukunft (285).
(8) Röm 8,28-30: Der göttliche Ratschluss
„Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (29) Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. (30) Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht“.
a) 'Überschrift' 8,1: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“
8,2-11: Das Leben durch Gott in Christus: Fleisch und Geist
8,2-4: Ermöglichung und Verwirklichung des Gott gemäßen (= geistlichen) Lebens durch Jesus Christus
8,5-8: Fleischliche und geistliche Gesinnung und ihr Bezug zu Leben und Tod
8,9-11: Das gegenwärtige und zukünftige (!) Leben der Glaubenden in dem und durch den Geist Christi
8,12-17: Kindschaft durch Christus
8,18-30: Hoffnung durch Christus für die Kinder Gottes
8,18-22
8,23-25: Das Seufzen und die Hoffnung der Kinder Gottes
8,26-30: Gottes Geist als Stellvertreter für die Kinder Gottes vor Gott, als Angeld der Vorherbestimmung, Erwählung, Berufung und Vollendung – (Röm 8,28-30)
8,31-37: Heilsgewißheit durch Christus
8,31-36: Alle wider die Christen streitende Macht ist ohnmächtig
8,37: Das Übermaß der Liebe Jesu Christi überwältigt alles gegen die Kinder Gottes Streitende
'Unterschrift' 8,38f: „Denn ich bin gewiß, dass … (nichts) uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (340).
b) Der göttliche Ratschluss als Garant der göttlichen Perseveranz
Paulus liegt alles daran, in Röm 8,28-30 den göttlichen Ratschluss als Garant der göttlichen Perseveranz in den Anfechtungen der Gegenwart wie auch der Zukunft bis hin zur eschatologischen Verherrlichung herauszustellen: Denen, die Gott selbst nach seinem Ratschluss berufen hat, verhilft alles zum Guten, trotz und angesichts der Leiden, die die christliche Existenz prägen, obgleich die Kinder Gottes bereits präsentisch „befreit sind von dem Gesetz der Sünde“ (8,2). Wenn nach Ansicht des Apostels selbst die Leiden den Berufenen „zum Guten“ dienen, so drückt sich darin die feste Zuversicht darauf aus, dass Gott selbst das Negative zum Guten wenden wird (343f).
Aus der Parallelität der Aussagen von 8,28 geht hervor, dass die 'Gott Liebenden' gleichzusetzen sind mit den „nach dem Vorsatz Berufenen“. Dem göttlichen (Be-)Rufen eignet die göttliche Kraft, die vollmächtig eine neue Wirklichkeit setzt und diese wirkmächtig bewahrt (345).
Die vorgängige Gnadenwahl Gottes zielt auf die Gleichgestaltung der Glaubenden entsprechend „dem Bild seines Sohnes“. Die Aussage zielt darauf, das eschatologische Geschick der Glaubenden die als 'in Christus' zu bestimmen sind, als unlöslich mit dem Geschick Jesu Christi herauszustellen. Die bereits vollständig realisierte Verherrlichung des Sohnes Gottes ist das Angeld der zukünftigen Verherrlichung der zu ihm Gehörenden (346f).
Wiewohl die endgültige Verherrlichung der Glaubenden noch aussteht, ist diese so gewiss, wie wenn sie schon erfolgt wäre. Dies liegt zum einen im Charakter des göttlichen Ratschlusses, zum anderen aber im Ziel der Verherrlichung selbst begründet. Letzteres ist explizit christologisch bestimmt und blickt auf ein realisiertes Ereignis zurück: auf Jesus Christus, „dem Erstgeborenen unter vielen Brüdern“. Insofern erweist sich der göttliche Ratschluss als Garant der göttlichen Beharrlichkeit (348).
c) Der göttliche Ratschluss als Garant der universalen Heilsverwirklichung
Die Rettung der von sich aus hoffnungslos dem Verdammungsurteil unterworfenen Menschen ist allein unter der Bedingung des Glaubens an Jesus Christus zu denken (348).
Röm 8,28-30 ist christozentrisch formuliert (8,29). Der göttliche Ratschluss zielt auf die endgültige wie vollständige Verherrlichung der Glaubenden „in gleicher Gestalt wie das Bild seines Sohnes“. Dieser wird als „der Erstgeborene unter vielen Brüdern“ bezeichnet. Im Licht von Röm 5,12-21 kann die Umfassendheit des göttlichen Ratschlusses nur dahingehend bestimmt werden, dass „durch das gerechte Tun des Einen (Christus) alle Menschen in die Rechtfertigung des (ewigen) Lebens geführt werden“ (Röm 5,18b). Die Gleichgestaltung mit dem Sohn Gottes impliziert in eschatologischer Hinsicht Teilhabe an seiner Auferstehung. Eine über die Bedingung des Glaubens an Jesus Christus hinausgehende Einschränkung ist nicht zu erkennen (350f).
Die Gabe des Geistes Gottes stellt eine unübersehbare Differenz zwischen der Schöpfung und den „Kindern Gottes“ dar. Mit der Gabe des Geistes Gottes, die in eins fällt mit der Gabe des Glaubens an Jesus Christus ist die Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde verwirklicht. Außerdem unterstreicht sie angesichts der in der Gegenwart trotz der prinzipiellen Erlösung noch faktisch erlittenen Leiden die Stellvertreterfunktion des Gottesgeistes bei Gott selbst, der den Glaubenden in ihrer Schwachheit und Anfechtung beisteht und somit Auswirkung auf deren Gewissheit hat (352).
In Röm 8,28-30 bringt Paulus den göttlichen Ratschluss als göttlichen Heilsratschluss zu Gehör. Der Apostel thematisiert bereits hier die Gewissheit der Beharrlichkeit Gottes, der in der Gabe des Glaubens zugleich die Gabe der Bewahrung des Glaubens und also des Glaubenden selbst gewährt. Zum anderen klingt die Universalität des Geschehens an: Der göttliche Ratschluss enthüllt sich nach der Überzeugung des Apostels in der göttlichen Offenbarung seines Wesens und Wollens, wie es Person und Werk Jesu Christi zu entnehmen ist. Mithin kann auch der göttliche Ratschluss allein und ausschließlich vermittels der pln Christo-Logik erschlossen werden. Wenn das Gnadenhandeln Gottes umfassend-universal zu verstehen ist, dann blickt Röm 8,28-30 mit Zuversicht darauf, dass das futurisch-eschatologische Ziel der Durchsetzung des Heilswerks Jesu Christi mit göttlicher Sicherheit erreicht werden wird (353).
(9) Röm 11, 25-32: „Damit Gott sich aller erbarme“
Israels endliche Errettung
(25) „Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist;
(26) und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jes 59,20): Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosikgeit von Jakob. (27) Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde. (28) Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. (29) Denn Gottes Gaben und Berufungen können ihn nicht gereuen. (30) Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, (31) so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen.
(32) Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme“.
Röm 11,25-32 stellt nicht nur den (Ab-)Schluss von Röm 9 – 11 sondern auch des gesamten pln Gedankengangs von Röm 1,16f an dar. In Röm 9 – 11 wendet Paulus sich der Frage zu, wie es um das eschatologische Heil des Volkes Israel bestellt ist, das doch als das von Gott bleibend (aus-)erwählte Volk zu begreifen ist, jedoch – in weiten Teilen durch Unglauben gegenüber dem Kyrios Jesus Christus gezeichnet – dem eschatologischen Verdammungsurteil verfallen wäre, sofern es in diesem Zustand der Gottesferne und –feindschaft bliebe. Die auch hier strickt christologisch motivierte Fragestellung verweist darauf, dass der Apostel anhand der Frage nach dem eschatologischen Wohl oder Wehe des Volkes Israel eine prinzipiell- umfassende Aussage hinsichtlich der Soteriologie und Eschatologie vornimmt, die er aufgrund seiner Christo-Logik gewonnen hat. Demzufolge sind die Aussage Röm 9 – 11 in jedem Fall implizit, zumeist sogar explizit als theologische Aussagen über das eschatologische Wohl und Wehe auch der 'Heidenvölker' zu begreifen (355).
a) In Röm 9,6-13 ringt Paulus zu Beginn seiner Argumentation um das rechte Verständnis dessen, wer oder was 'Israel' ist und führt die Unterscheidung zwischen der generischen Größe Israel und der 'Heilsgemeinde' Israel ein, wobei sich letztere aus Juden und Heiden zusammensetzt.
b) In Röm 9,30-33; 10,1ff setzt Paulus die Gerechtigkeit aus Glauben, die den Heidenvölkern eignet, der Gerechtigkeit aus Werken Israels entgegen; dies mündet in das Bekenntnis von Röm 10,12f, das die Unterschiedslosigkeit von Juden und Heiden hinsichtlich der Bedingung und der Weise des Heilsempfangs hervorhebt.
c) Röm 11,11ff verknüpft die Frage nach der eschatologischen Rettung und Bewahrung des verstockten Israel mit dem Faktum des Heilsempfangs der Heidenvölker; dem folgt in Röm 11,16ff die Mahnung gegenüber Letzteren sich nicht gegenüber dem gegenwärtig (noch) im Unglauben befindlichen Israel zu erheben, bleibt doch das prinzipielle 'zuerst' Israels den Heidenvölkern gegenüber gewahrt.
d) In Röm 11,25-32 ist danach auf die Spitze getrieben die Universalität des Gedankengangs hinsichtlich des eschatologischen Heils von allen, Juden und Heiden, der sich aus den (Schluss-)Folgerungen auch des Abschnitts Röm 9 – 11 ergibt (A4).
In Röm 9 – 11 ist ein Spannungsgefälle zu konstatieren, wobei alles auf Röm 11,25-32 als der Spitzenaussage zuläuft. Röm 11,25-32 greift inhaltlich die zentralen Themen der vorherigen Abschnitte auf: Zunächst wird erneut die Verstockung Israels thematisiert; damit wird Röm 9,18; 11,7 aufgenommen und expliziert. Sodann wird die soteriologische Zukunft von Juden und Heiden innerhalb der eschatologischen Heilsgemeinde Israel enthüllt (9,6ff; 9,14-16; 10,12; 11,11ff). Schließlich wird das freie Gnadenhandeln Gottes hinsichtlich der eschatologischen Errettung und Bewahrung aller betont, wobei Paulus auf Röm 9,16; 9,19ff oder 10,17 rekurriert. Eine Exegese der Perikope 11,25-32 kann vom zuvor dargelegten Erweis des Ratschlusses (9,6-29), der Gerechtigkeit (9,30 – 10,12) und des Erbarmens (11,1-32) Gottes nicht absehen (356).
In 11,25b bietet Paulus eine letztgültige Klärung der Frage nach dem aufgrund der Vergangenheit besonders qualifizierten gegenwärtigen und zukünftigen Verhältnis von Gott und Israel angesichts der Auferstehung Jesu Christi. Diese Antwort verdankt sich der Offenbarung Gottes selbst und verweist damit auf deren volle Autorität (363f).
Die Offenbarung des Gottesgeheimnisses nach Röm 11,25b-27: Verstockung beschreibt den Zustand des in uneinsichtiger Haltung verhafteten, zu gottgemäßem Handeln unfähigen Menschen. Verstockung ist bei Paulus stets als von Gott herrührend gedacht. Israel, das die Verstockung Gottes trifft, ist nicht 'schuldlos', denn es sucht seine eigene Gerechtigkeit gemäß dem Gesetz aufzurichten. Die Anklage Gottes geht über jeden Menschen (Röm 3,22f). Verstockung wird bei Paulus innerhalb des Heilshandelns Gottes im Licht der Rechtfertigung des Gottlosen gesehen. Verstockung ist nicht Gottes letztes Wort über Israel. Der Verstockung wohnt ein bestimmter Zweck inne. In der Verstockung Israels zeigt sich das zielgerichtete Handeln Gottes gegenüber seinem Geschöpf, das auf die Rechtfertigung des Gottlosen ausgerichtet ist. Die Verstockung Israels durch Gott ist als vorläufig bestimmt und impliziert ihre (dann als endgültigen Zustand zu beschreibende) Aufhebung (369f).
Im Kontext von Röm 9 – 11 hat Paulus die sich auf Gottes Erbarmen gründende (endzeitliche) Heilsgemeinde vor Augen, in die die Vollzahl der Heiden eingehen wird. So definiert Röm 9,6b-13 neu, was unter der Heilsgemeinde Israel zu verstehen ist. Die Zugehörigkeit dazu verdankt sich einem freien Gnadenakt Gottes, der den eo ipso verlorenen Menschen in diese Ekklesia hineinruft. Das so verstandene Israel ist damit eine Gruppe von Menschen, die Paulus auch als 'in Christus' bezeichnet. Damit ist die Vorstellung eines Heilsraumes verbunden, in den der Mensch von Gott hineingenommen ist. Das Personenzentrum des Christen ist nunmehr durch die Gegenwart und Herrschaft Christi qualifiziert. Die von Gott über das Volk Israel partiell verhängte Verstockung findet ihr (zeitliches) Ende und (theologisches) Ziel im von Gott verfügten Zum-Heil-Kommen der Vollzahl aus den Heidenvölkern. Wenn der Fülle der Heiden das Versöhnungshandeln Gottes umfassend zuteil geworden sein wird, dann wird auch 'ganz Israel' das Versöhnungshandeln Gottes an sich selbst umfassend erfahren, so dass schließlich die Versöhnung der Welt umfassend Wirklichkeit geworden sein wird (373f).
A 93: Es ist die feste Zuversicht des Apostels, dass 'am Ende der Zeiten' die Verstockung Israels, insoweit sie (dann) noch bestehen wird (wovon Paulus ausgeht), von Gott selbst beendet wird, so dass alle (die Fülle der Heiden wie auch ganz Israel) das Erbarmen Gottes erfahren haben werden (Röm 11,32).
Der gesamte Gedankengang des Apostels im Römerbrief weist auf ein uneingeschränktes heiluniversalistisches Verständnis von „ganz Israel“ hin. Die Verstockung des von Gott erwählten, berufenen und eschatologisch bewahrten Volkes Israel wird mit göttlicher Sicherheit von Gott selbst beendet werden, der sich damit als der zu seinen Verheißungen treu und unerschütterlich stehende Gott erweist (377).
Von einem Sonderweg der eschatologischen Rettung ganz Israels kann nicht die Rede sein, wiewohl es einen bleibenden Sonderstatus Israels gibt, der sich in der zeitlich vorgeordneten Erwählung des Volkes Israel durch Gott ausdrückt (377f).
Röm 11,26b: „und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob“ (Jes 59,20). Röm 11,27a: „Und dies ist mein Bund mit ihnen“ (Jes 59,21a), 11,27b: „wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde“ (Jes 27,9a). Der Schwerpunkt der Aussage liegt auf dem „Erlöser aus Zion“, dessen Kommen in Zukunft erwartet wird. Damit verweist der Apostel auf die noch ausstehende Parusie Christi. Der atl Erlöser ist Jesus Christus selbst (1Thess 1,10): „und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel..., der uns von dem zukünftigen Zorn errettet“ (s. auch Tit 2,13f). Paulus interpretiert die Aussage von Jes 59,21: „dies ist mein Bund mit Ihnen durch die Hinzufügung von Jes 27,9a: „wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde“ (379f).
Die Verstockung Israels dient allein dazu, die Fülle der Heiden in die Heilsgemeinde Israel, die sich über das 'in Christus-Sein' definiert aufzunehmen. Um und wegen der Erwählung der Väter willen bleibt Israel das geliebte Kind Gottes; um und wegen der Erwähnung der Väter willen wird Gott ganz Israel zu den gesegneten Söhnen Abrahams (Gal 3,7) machen. Gottes Gaben und seine Berufungen sind unumstößlich. Gemeint sind die Zuwendungen der göttlichen Gnade, die sich in der Erwählung des Volkes Israel wie auch der Heidenvölker manifestieren (383f).
Auch die Berufung impliziert ein göttliches Gnadenhandeln am Menschen und drückt Gottes vollmächtiges 'Ersehen' und damit In-die-Nachfolge-Rufen des Menschen aus. Sie entspricht dem schöpferischen Wort Gottes, das schafft, was es spricht (384f).
Angesprochen ist zunächst die römische Gemeinde, die stellvertretend für die Heidenvölker steht. Der hinsichtlich der Heiden angesprochene Ungehorsam gegenüber Gott ist derselbe Ungehorsam, den Paulus schon von Israel ausgesagt hat. Hierin gibt es keinen Unterschied, denn alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit, die ihnen von Gott zugedacht war. Der Ungehorsam gegenüber Gott hat sich im Fall der Heiden allein durch Gottes Gnade gewandelt (385).
Das Ende und Ziel nach Röm 11,32: Alle, Juden wie Heiden sind 'ohne Christus' in Ungehorsam und Gottesfeindschaft verfangen, auf dass sich Gott in Christus aller erbarme und sie dadurch und deswegen mit Gott versöhnt würden (389).
Gott selbst hat alle, Juden wie Heiden, dem Zustand des Ungehorsams preisgegeben, der sich in Unglauben und Gottlosigkeit äußert, dem kein Mensch entnommen ist, dem kein Mensch aus freien Stücken entrinnen kann. Das Geheimnis: Die Preisgabe aller an den Ungehorsam ist innerhalb des göttlichen Heilsplans zu verorten und stellt keineswegs das letzte (Gerichts-)Wort Gottes über seine Schöpfung dar. Das im tiefsten Sinn letzte, also eschatologische Handeln Gottes besteht in seinem umfassenden Erbarmen allen Menschen gegenüber, Juden wie Heiden. Das umfassende eschatologische Erbarmen Gottes gegenüber der Welt ist unabdingbar mit dem einen und einmaligen Geschehen der Versöhnung der Welt verknüpft, mit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Der pln Heilsuniversalismus stellt sich als ein christologischer Heilsuniversalismus dar: Es ist Christus als Erlöser, der die Gottlosigkeit der Menschen hinwegnehmen und die Fülle der Heiden wie ganz Israel am Tag seiner Parusie umfassend der Rettung teilhaftig werden lässt. Der Glaube an Jesus Christus ist die Bedingung sowie die Art und Weise des Heilsempfangs (390f).
(10) Zusammenfassung und Ergebnis
In Röm 1,16f definiert Paulus das Evangelium als Geschehen, in dem sich Gott wirkmächtig und vollmächtig zur Sprache bringt. In der Verkündigung von Jesu Christi Person und Werk offenbart sich die Gerechtigkeit Gottes, die der eschatologischen Rettung aller Glaubenden dient. Das umfassend-universal zu verstehende Elösungshandeln Gottes ist an die Bedingung des Glaubens geknüpft (402).
Röm 3,21-26 greift das Thema von 1,16f auf und führt es argumentativ weiter. Angesichts der universalen Sündenverfallenheit aller Menschen (Röm 1,18-3,20; 3,22b.23) wird diesen die heilvolle Rechtfertigung Gottes geschenkweise und allein aus Gnaden zuteil (403).
In Röm 4,1-25 entfaltet der Apostel an Abraham zwei weitergehende Gedanken: Zum einen verdeutlicht er darin nicht nur die Rechtfertigung des Gottlosen, sondern dass bereits die Gabe des Glaubens selbst als reines Gnadengeschenk Gottes zu begreifen ist. Der Glaube ist die gottgewollte Erfüllung der Bedingung, somit die Art und Weise der Rechtfertigung. Im Zum-Glauben-Kommen des Abraham erweist sich Gott als der Schöpfer, der das Nichtseiende ins Dasein ruft. Zum anderen erweist Paulus in Röm 4,1-25 die universale Weite dieses Rechtfertigungsgeschehens. Die Verheißung der heilvollen Zuwendung Gottes zu Abraham als dem 'Erben der Welt' impliziert die Verheißung von Gottes heilvoller Zuwendung zur Welt. Die an Abraham selbst Wirklichkeit gewordene Verheißung zeigt den verheißenen Weg Gottes mit seiner Schöpfung auf: Es liegt im Wesen der göttlichen Verheißung beschlossen, dass ihr eine Zuversicht auf Erfüllung ihrer göttlichen Qualität eignet (403).
Röm 5,12-21 kündigt als futurisch-eschatologisches Ziel die Gnadenherrschaft Gottes über alle Menschen zum ewigen Leben an, die je und je bereits präsentisch-eschatologisch dort verwirklicht ist, wo die Dynamis Gottes in der Gegenwart vollmächtig und heilsam auf den Plan tritt (403f).
Röm 8,28-30 formuliert die Gewissheit der Glaubenden. Paulus beschreibt den göttlichen Ratschluss als göttlichen Heilsratschluss. Gott gewährt mit der Gabe des Glaubens zugleich die Gabe der Bewahrung des Glaubens und also des Glaubenden selbst. Die Frage, ob ein 'Herausfallen aus der Gnade' denkbar ist, beantwortet Paulus nach Röm 8,28-30 mit einem „das sei ferne“! Darüber hinaus verweist Paulus auf den göttlichen Ratschluß, der allein vermittels der pln Christo-Logik erschlossen werden kann. Im Anschluss an Röm 5,12-21 erhalten die prädestinatianischen Aussagen von Röm 8,28-30 einen heilsuniversalistischen Ton. Röm 8,28-30 stellt eine konsequente Weiterführung des Gedankengangs dar. Der pln Heilsuniversalismus ist in bestimmter Weise 'konditioniert' – es ist Gottes Ratschluß anheimgestellt, wen er erwählt, zum Glauben beruft, beim Glauben hält und in Ewigkeit bewahrt. Röm 5,12-21 hat dem bereits vorangestellt: Der göttliche Ratschluß ist von universaler Weite bestimmt. Wenn im Anschluss an Röm 5,12-21 das Gnadenhandeln Gottes umfassend-universal zu verstehen ist, dann blickt Röm 8,28-30 mit Zuversicht darauf, dass das futurisch-eschatologische Ziel der Durchsetzung des Heilswerks Jesu Christi mit göttlicher Sichheit erreicht wird (404f).
Röm 11,25-32 benennt sowohl die Art und Weise als auch Zeit und Ort der eschatologischen Durchsetzung des Heilswerks Gottes in Jesus Christus. Israel ist die soteriologische Nagelprobe hinsichtlich des Heilsuniversalismus. Paulus hatte die Sündenverfallenheit aller Menschen erwiesen und die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden aufgezeigt. Er hatte die Gabe des Glaubens als Gottesgeschenk herausgestellt, die wiederum als Gabe die eschatologische Bewährung bis ans Ende aller Zeiten in sich trägt. Es stellt sich die Frage nach der universalen Durchsetzung des göttliche Heilswillens hinsichtlich des zum Großteil nicht an Christus glaubenden Volkes Israel. Röm 11,25-32 gibt darauf eine deutliche Antwort. Den (noch) nicht an Christus glaubenden Juden wie Heiden wird sich bei der Parusie Christus selbst als der Kyrios erweisen, der die Gottlosigkeit und den Unglauben wegnehmen und alle („ganz Israel und die Vollzahl der Heiden“) zum Bekenntnis von Röm 10,9f führen wird. Röm 11,25-32 formuliert präzise, wie nach der als Geheimnis gekennzeichneten Erkenntnis des Paulus sich die umfassende Realisierung des in Christus bereits beschlossenen göttlichen Heils die Bahn bricht: Der göttliche Ratschluß, der ausnahmslos alle unter den Ungehorsam des Unglaubens stellt, verbürgt die universale Gabe des göttlichen Erbarmens (405).
11,32: „Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme“. Diese Aussage ist als Zeugnis der pln Christo-Logik ein Beleg für den pln Heilsuniversalismus. Das Heil des einzelnen Menschen wie das der gesamten Welt liegt ausschließlich in Jesus Christus beschlossen. Der pln Heilsuniversalismus geht mit dem Signum des Glaubens an Jesus Christus einher und ohne Christus hat der Mensch die gerechte Verurteilung vor dem Richterstuhl Gottes resp. Christi zu gewärtigen (406).
Als Vater Jesu Christi bleibt Gott zugleich der Schöpfer, dessen Heilswille in Jesus Christus von Ewigkeit her Bestand hat. Dem pln Heilsuniversalismus nach spricht Gott selbst das verurteilende Richterwort, begnadigt den zu Recht Verurteilten aufgrund seines umfassenden Erbarmens und spricht ihn frei. Der pln Heilsuniversalismus zeigt sich nicht geschichtsnihilistisch, weil in ihm das erschreckende Geschehen des göttlichen Gerichts gewahrt ist: Das Unrecht wird beim Namen genannt, die Sünde des Sünders wird unbarmherzig aufgedeckt. Gilt dies für den bereits schon jetzt gerechtfertigten Glaubenden, der, obgleich von der Macht der Sünde befreit, nie schuldlos vor Gottes Angesichts zu stehen kommt, so gilt es nach der Überzeugung des Paulus in ungleich größerem Maße für den Nichtglaubenden. Für beide jedoch gilt: Die Sünde wird verurteilt, verdammt und gerichtet – und damit nicht verewigt -, der Sünder wird begnadigt und befreit zur ungeteilten Gottesgemeinschaft (406).
Der pln Heilsuniversalismus erweist sich als Nach-Denken dessen wie Gott sich in Jesus Christus als Richter und Retter offenbart hat. Die Christo-Logik ist dem Apostel zum Schlüssel des göttlichen Ratschlusses geworden. Paulus formuliert im Römerbrief einen Heilsuniversalismus, wie er sich ihm von Jesus Christus her und von Gott selbst her erschlossen hat. Der pln Heilsuniversalismus ist ein Bekenntnis zu dem Gott, der sich selbst in aller Freiheit offenbart und sich dem eschatologischen Wohl des Menschen verpflichtet hat „bis zum Tod, zum Tode am Kreuz“ (Phil 2,8) (407).
Literatur
Adam, Jens
2009, Paulus und die Versöhnung aller, Eine Studie zum paulinischen Heilsuniversalismus
Jörns, Klaus-Peter
2006³, Notwendige Abschiede