C. JESU KOMMEN, Tod und Erhöhung sind das eschatologische Ereignis im JohEv

 

Keine endgeschichtliche Parusie: Das Wiederkommen ist durch den Geist ersetzt.

 

Mit dem Ostergeschehen beginnt das Wiederkommen Jesu (Erscheinungen) und das Zusichnehmen der Jünger

 

Die Verheißung vom Eingehen in die himmlische Welt, in das Vaterhaus Jesu

„… ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten…, damit ihr seid, wo ich bin“ (Joh 14,2f)

G. Fischer

1. Die eschatologische Frage
2. Das Wiederkommen Jesu in der Sicht der 1. und der 2. Abschiedsrede
3. Ähnliche Vorstellungen im JohEv
4. Joh 14,2f ein Teilaspekt der john Christologie

 

1. Die eschatologische Frage

 

Gegen ein Parusieverständnis: Der Evangelist spricht vom Kommen Jesu in der Art seiner Eschatologie, die die Gegenwärtigkeit der eschatologischen Erwartungen hervorhebt. Für ihn erfüllte sich im Kommen Jesu als Offenbarer des Vaters bereits die Verheißung vom kommenden Menschensohn.

Es fehlt jeder Hinweis auf apokalyptische Vorstellungen (304).

Es ist zu bezweifeln, ob der Evangelist in 14,3 zum ersten und einzigen Mal und wider seine sonstige Tendenz eine Parusieaussage macht (21,22f ist spätere Ergänzung). Es ist fraglich, ob wir im JohEv überhaupt mit einer futuristischen Eschatologie rechnen können (6,39.40.44.54. vgl. 11,24; 12,48; 5,25.28f sind sekundäre Zusätze). Die zukünftigen Dinge spielen für Joh keine Rolle. Der Evangelist will in seinem Evangelium konsequent die Erfüllung eschatologischer Erwartung im Kommen, im Tod und in der Erhöhung Jesu darstellen und opfert darum alle futurisch-eschatologische Hoffnung diesem Konzept. Bei Joh kommt Jesus, um die Seinen zu sich zu nehmen. Das Vaterhaus Jesu ist dort, wo er hingegangen ist (305f).

Nach Joh werden die Jünger von Jesus selbst in dessen Vaterhaus geholt, auf dass sie mit Jesus beim Vater seien. Das Ziel ist der Vater, Jesus ist nur der Weg. Dieses Ziel ist oben, ist die himmlische Welt (308f).

Das „ich komme“ dient der Absicht des Evangelisten die künftige Vereinigung der Jünger mit ihrem Herrn beim Vater als ein Werk des erhöhten Herrn darzustellen. Zusammen mit „ich gehe“ entfaltet er das Trostmotiv unter christologischem Aspekt (310).

 

2. Das Wiederkommen Jesu in der Sicht der 1. und der 2. Abschiedsrede


Joh 14,2f muss aus der Sicht der Abschiedsreden gedeutet werden. 

 

14,27b: „Nicht erschrecke euer Herz und nicht verzage es“! Wiederholt den Zuspruch von 14,1a: „Nicht erschrecke euer Herz“! und schließt damit die Rede ab. Die Hauptgedanken werden als Begründung des Zuspruchs wiederholt (28a): „Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe: ich gehe hin und komme wieder zu euch“. In beiden Zusprüchen, sich nicht zu beunruhigen (1a und 27b) ist das „ich komme“ Teil der Begründung. Außerdem greift V 28b den für 14,2f so wichtigen Begriff des 'ich gehe hinauf', um die Mahnung, in der Stunde des Abschieds nicht zu verzagen, endgültig zu begründen (311).

Das „ich komme“ in den Abschiedsreden

(1) 14,18-24: Die 1. Abschiedsrede
(2) 16,16-24: Die Parallele in der 2. Abschiedsrede
(3) 14,3 in der Sicht der Abschiedsreden (Zusammenfassung)

 

(1) 14,18-24: Die 1. Abschiedsrede

14,18: „Nicht werde ich euch verwaist zurücklassen, ich komme wieder zu euch“. Das Motiv der Trennung, das in 13,33 die Abschiedsreden einleitet, das in 14,1f wieder erscheint und dann den Abschluss der Rede völlig gestaltet (14,25-31), wird mit V 18 wieder aufgegriffen und wiederum in 14,1ff durch die Verheißung eines Wiederkommens Jesu entschärft (312).

Jesus kommt wieder und hebt dieses Verwaistsein auf. 14,15-17 verspricht die Sendung des Parakleten. Es handelt sich um zwei Trostmotive verschiedener Tradition, die zusammengestellt werden, weil sie das gleiche Ereignis meinen, es aber unter verschiedenen Gesichtspunkten sehen. Es geht um das gleiche Ziel: die Jünger werden nicht allein sein (313f).

14,19: „Noch eine kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr, ihr aber seht mich, weil ich lebe und (auch) ihr werdet leben“ Die Zeit drängt. Der entscheidende Moment ist der Tod Jesu als das eschatologische Ereignis. Tod und Erhöhung stehen unmittelbar bevor. Während sich Jesus der Welt entzieht, werden ihn die Jünger sehen, denn er lebt und auch sie werden leben (314).

Es ist der Wille des Vaters, dass alle die an Jesus glauben, in ihm 'Leben haben' (3,16; 10,10; 17,2; 20,31). 'Durch Jesus leben' und 'in Jesus bleiben' sind ein und dasselbe. Das 'Leben haben' heißt mit Jesus verbunden sein. Das 'ihr lebt' bezeichnet das durch den Glauben bedingte neue Verhältnis der Jünger zu Jesus. Das 'Sehen' ist eine Gabe, die wie das Leben nur denen geschenkt wird, die glauben (316).

Ostern ist das erwartete eschatologische Ereignis. Nur Joh deutet das Geschehen als ein 'ich fahre auf zum Vater“ (20,17), indem er die Deuteworte der Auferstehungsengel bei den Synoptikern (Mk 16,6f parr) durch ein Jesuswort ersetzt, dass das Ostergeschehen als eine Heimkehr in die Herrlichkeit beim Vater bestimmt. Nur Joh spricht vom Kommen des Auferstandenen (20,19.24.26) und erwähnt öfters den Friedensgruß (20,19.21.26). Er betont, dass die Jünger zum Glauben kamen (20,29) und preist die selig, die nicht sehen und doch glauben (20,29). Nur nach diesem Evangelisten empfangen die Jünger vom auferstandenen Jesus den heiligen Geist (20,22) (318).

14,20: „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater (bin) und ihr in mir und ich in euch“. Die Zeit nach dem Tod Jesu hat endzeitlichen Charakter. Die Erkenntnis in V 20 bestimmt das neue Verhältnis der Jünger zu Jesus, denn sie erkennen, dass er in ihnen ist und sie in ihm. In der Weise des 'Erkennens' erfahren sie auch den Parakleten (14,17). 'Erkennen' ist ein Vorgang, der zu einer Art Gottes-bzw. Christusgemeinschaft führt (319f).

Im Gebet Jesu (17,21.23: „damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst“) ist die Verbundenheit der Jünger mit Jesus und durch ihn mit dem Vater eine Gabe für die Gemeinde in der Welt, die in der Einheit untereinander gelebt werden muss, damit die Welt glaube. Nach 14,20 beginnt für die Jünger die Erkenntnis ihrer Existenz in Jesus mit den Osterereignissen (321).

 

14,18-20: Zusammenfassung

(1) Jesus kommt zu den Jüngern (V18)

(2) um in ihnen zu bleiben und mit ihnen aufs engste verbunden zu sein (V 20), so dass sie nich tmehr verlassen und verwaist in dieser Welt sind (V 18).

(3) Dieses Kommen vollzieht sich auf eine dem 'Kosmos' nicht fassbare Weise. Er, der das Leben in sich hat, schenkt den Jüngern dieses Leben (V 19), indem er ihnen in einer bisher nicht möglichen Weise gegenwärtig wird.

(4) Das Kommen Jesu, das den Jüngern das Leben schenkt und die Einheit wirkt, erfahren die Jünger nur im Glauben. Sie kommen zur Erkenntnis ihrer Existenz in Jesus (V 20). Auch den Parakleten können sie nur empfangen, weil sie ihn erkennen und sie erkennen ihn, weil er in ihnen ist (V 17).

(5) Die neue Jesuserfahrung beginnt mit den Osterereignissen. Die Erscheinungen des Auferstandenen (20,19-29) deuten die neue Gegenwart zeichenhaft an,

(6) insofern 'sehen' ihn (nur) die Seinen. Als geistige Erfahrung des Glaubens ist dieses Sehen kein einmaliges Geschehen.

(7) Es handelt sich in den Verheißungen um die neue beginnende eschatologische Zeit (V 20a), die für immer andauert. Sachlich meint das Wirken des Parakleten nichts anderes.

(8) Um die neue Zeit, die mit den Osterereignissen beginnt, als eschatologische Zeit zu charakterisieren, verwendet das Evangelium eschatologische Ausdrücke der jüdisch-urkirchlichen Sprache: 'kurze Zeit' (16,16.17.18.19), das die unmittelbare Nähe andeutet und 'an jenem Tag', das das Motiv vom 'Tag Jahwes' aufnimmt. Durch die Kombination mit dem an Ostern erinnernden 'ihr seht mich' wendet er den Sinn von der Zukunft in die Gegenwart, in die des auferstandenen, bei Gott weilenden Herrn (321f).

 

(2) 16,16-24: Die Parallele in der 2. Abschiedsrede

(1) Vom Kommen Jesu ist nicht mehr die Rede. Wenn Jesus zum Vater heimgekehrt ist, kommt der Paraklet (15,26; 16,7f.13).

(2) Der eigentliche Gegensatz ist nicht mehr die Welt – Jünger, sondern die Erfahrung der Verlassenheit und die des Wiedersehens und der Freude.

(3) Der Wechsel von Trauer zur Freude, der Vergleich mit den Geburtswehen, zeigt, dass der Wendepunkt betont wird (322f).

(4) Dieser Wendepunkt ist Ostern: 'mikron', d.h. etwa die gleiche kurze Zeitspanne vor dem Tod Jesu wird auch nach seinem Tod erwartet, bis der Wendepunkt eintritt. Auch das 'Sehen' ist ein Erscheinungsterminus und verweist deswegen auf Ostern. Die Freude ist infolgedessen die Freude der Jünger in dieser Welt.

5) Das „ihr werdet mich sehen“ bzw. „ich werde euch wieder sehen“ (16,19.22) ist das Wiedersehen in den Erscheinungen. (In 14,19 dagegen meint das „ihr werdet mich sehen“ eine geistige, gnadenhafte Erfahrung).

(6) Das Wiedersehen eröffnet die neue Zeit der Freude. Von nun an werden die Bitten der Jünger erhört und wird ihre Freude vollkommen sein.

(7) In der Verheißung, dass aller Unruhe und allem Fragen durch das Wiedersehen ein Ende gesetzt wird, wird indirekt ein 'Erkennen' ausgesagt (323f).

 

14,21-24 Das Leitmotiv ist die Christusliebe, die den ganzen Abschnitt (14,15.21.23f) einrahmt und prägt. Zwei Momente der Verheißung von 14,18-20 werden unterstrichen: a) Das verheißene Geschehen ist ein innerer Vorgang, der sich nicht auf eine bestimmte Zeit begrenzen lässt. b) Das Geschehen selbst hat eschatologischen Charakter.

14,21: Das „Ich komme zu euch“ (V 18) wird durch das „ich werde mich ihm offenbaren“ aufgegriffen und als ein Sich-Offenbaren des Herrn gedeutet. Dass es sich auch in 14,21 um ein äußerlich nicht erfahrbares Geschehen handelt, wird dadurch deutlich, dass wie in Weish 1,1f die Liebe als Bedingung genannt wird. Die Verheißung gilt dem einzelnen Jünger, der die Gebote hält. Die Liebe des Jüngers wird durch die Liebe des Vaters und Jesu beantwortet. Wenn der Evangelist in diese Wechselbeziehung von Liebe und Gegenliebe auch die Selbstoffenbarung Jesu als Folge des Jüngerverhaltens einführt, zeigt er, dass er das „ich werde mich ihm offenbaren“ nicht zeitlich begrenzt wissen möchte und darum an ein innerliches, im Glauben sich ereignendes Geschehen denkt (324f).

14,22 Die Offenbarung Jesu geschieht immer und jedem, der ihn liebt. Zu ihm werden der Vater und Jesus kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Die Frage des Judas verrät, dass der Evangelist Ostern als eschatologisches Ereignis versteht und zugleich um die Verborgenheit dieser Erfahrungen, die nur dem Glaubenden zugänglich sind, weiß. Jesus offenbart sich nur den Jüngern, weil diese Erfahrung nur im Glauben und in der Liebe möglich ist (326).

14,23: Wer das Wort Jesu hält und im Glauben verharrt, erfährt die dauernde Verbundenheit mit dem Herrn. Wer Jesus sieht, hat den Vater gesehen (14,9), wer Jesus hört, hat den Vater gehört (14,24). Die enge Verbundenheit mit Jesus ist zugleich die mit dem Vater (17,21b: „damit auch sie in uns seien“). Das Objekt der Gottesliebe ist in der Abschiedsrede auch der Jünger (14,21.23; 17,23). Offensichtlich werden nun auch die Jünger Jesu jener engen Beziehung zum Vater teilhaftig, die bisher nur dem Sohn zu eigen war (17,26). Von Gott geliebt werden und ihm in sich Wohnung geben, sind sachlich dasselbe. Das AT sieht im Kommen und Wohnungnehmen Gottes inmitten seines Volkes ein wichtiges Moment seiner endzeitlichen Hoffnung. Diese Erwartung ist hier spiritualisiert und individualisiert. Sie erfüllt sich im Glauben und im Leben aus dem Glauben des Jüngers. Der Evangelist will das Einwohnen Gottes als eschatologisches Ereignis verstanden wissen.

14,24 zeigt, dass sich Jesus der Welt nicht offenbaren kann, weil sie seine Wort nicht bewahrt, d.h. ihm nicht glaubt. Sie verschließt sich seinem Liebesgeschenk. Das Blindsein des Kosmos ist sein Gerichtetsein (9,39) (327f).

 

(3) 14,3 in der Sicht der Abschiedsreden (Zusammenfassung)

Joh 14,3: "...ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin".

Die Untersuchung zu Joh 14,18-24 hat gezeigt, dass das „ich komme wieder“ in der ersten Abschiedsrede ein gnadenhaftes Kommen Jesu zu den Seinen meint, das nur im Glauben an ihn erfahren werden kann. Der Evangelist deutet Ostern als ein eschatologisches Ereignis und als eine permanente Erfahrung der Jünger. Durch sein Kommen stellt Jesus über seinen Tod hinaus die Verbindung mit den Seinen wieder her. Die Sendung des Parakleten und das Kommen Jesu sind zwei verschiedene Verheißungen, die sachlich dasselbe meinen. In der zweiten Abschiedsrede ist die kommende Zeit die des Parakleten. Jesus erfahren die Jünger nur zu Ostern. Mit der Ostererfahrung beginnt die neue Zeit der Glaubensgewissheit und der Gebetserhörung (16,23-27) (328).

Die Verheißungen sollen den Jüngern und somit der Gemeinde die kommende Situation erklären: Sie werden vor den Augen der Welt verlassen sein, in ihrer Glaubenserfahrung aber Jesus auf ganz neue Weise nahe sein. Diese neue Erfahrung ist die Tat des erhöhten, zum Vater heimgekehrten Herrn. Er kommt vom Vater (14,18), offenbart sich als der Erhöhte (14,21) und lässt seine Jünger ihre Verbundenheit mit ihm erkennen (14,20). In der Zusammenfassung der Rede (14,17b-28) wird das Wort vom Gehen und vom Kommen erneut zum Anlass genommen, das entscheidend Tröstende im Hingehen zum Vater darzustellen. Wenn sie an ihn glaubten und aus diesem Glauben lebten, freuten sie sich, dass er zum Vater geht, denn der Vater ist größer als er. Das Gehen Jesu zum Vater bedeutet für Jesus die Vollendung seines Weges. Da dies für die Jünger von größter Heilsbedeutung ist, ist die Freude zugleich die Erfahrung des eschatologischen Heils. In der zweiten Rede ist dieser Gedanke ganz deutlich: „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Wenn ich nicht wegginge, würde der Helfer nicht zu euch kommen; wenn ich aber gehe, werde ich ihn euch senden“ (16,7) (328f).

Auch in 14,3 wir das Gehen zum Vater zum Leitmotiv der Aussage. Weil Jesus zum Vater geht, können auch die Jünger hoffen, dass sie einmal beim Vater sein werden: „ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin“ (14,3). Die Erhöhung des Menschensohnes ist die Voraussetzung dafür, dass, wer an ihn glaubt, das ewige Leben hat (3,14f) und dass Jesus als der Offenbarer des Vaters erkannt wird (8,28) und alle an sich ziehen kann (12,32). Das Wiederkommen und Zusichnehmen der Jünger ist die Tat des erhöhten Herrn, die mit dem Ostergeschehen beginnt (329f).

Für den Glaubenden ist der Tod nicht mehr Vernichtung und Gericht, sondern Leben, selbst wenn er gestorben ist. Was dieses Leben bedeutet, das beantwortet der Evangelist mit der Verheißung von 14,2f: Jesus nimmt die Jünger zu sich in das Haus seines Vaters, in die Herrlichkeit, die ihm von Anfang an zu eigen ist, und die er nun beim Vater wieder erhält. Jesus verheißt ihnen, dass sie kraft seines österlichen Wirkens sein Schicksal teilen werden (330f).

Wie die Verheißungen von 14,18-24 sich nicht in diesem irdischen Leben erschöpfen und eine Verbundenheit mit Jesus auch jenseits des Todes verheißen, so beginnt das Zusichnehmen bereits im Wiederkommen und Sich-Offenbaren Jesu. Es setzt mit Ostern ein und findet in der Doxa beim Vater seine Vollendung (14,6). Der Akzent von 14,2f liegt in der Vollendung der Jünger beim Vater jenseits des Todes, insofern hat auch der Jünger sein reales Ziel vor sich und eine wirkliche Zukunft, auf die er hoffen kann. Was sie jetzt erfahren, ist nur im Glauben gegeben und der Welt unzugänglich. Was einmal vor aller Welt offenkundig sein wird (1Joh 3,2), darf der Jünger im Tod schauen: die unverhüllte Doxa des Offenbarers (331f).

Das Heil ist in Christus gegenwärtig. Sein Tod und seine Erhöhung sind das eschatologische Ereignis. In der Lebensgemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn wird das Heil schon erfahren. Die Vollendung des Heils liegt für den Evangelisten in der himmlischen Welt. An die Stelle der Parusie rückt die Verheißung vom Eingehen in die himmlische Welt, in das Vaterhaus Jesu. Die Jünger teilen Jesu Schicksal, dort, wo er ist, werden auch sie sein. Das ist möglich, weil Jesus den Weg zum Vater, in Tod und Erhöhung, gegangen ist. Der „Tag Jahwes“ ist schon da. Um jedes Missverständnis abzubauen, wird das „ich komme wieder“ (14,3) in V 18 nochmals aufgegriffen und als ein Geschehen dargestellt, das zu Ostern beginnt und sich in der himmlischen Welt vollendet (334).


3. Ähnliche Vorstellungen im JohEv

 

Die Spannweite: gegenwärtige Begegnung und Vereinigung mit dem Herrn und volle Vereinigung in der Doxa beim Vater, als künftige Gabe, die sich gerade durch diese gegenwärtige Verbundenheit der Jünger mit ihrem Herrn anbahnt, findet sich noch öfters im JohEv. Ein typischer Begriff der neuen Existenz in Christus ist die ‚Zoe‘, die gegenwärtige Gabe des Erhöhten für den Glaubenden. Der Evangelist versteht die ‚Zoe‘ auch als den Lebensbereich, der seine volle Entfaltung erst jenseits des Todes findet. Bei den Synoptikern ist die ‚Zoe‘ die eschatologische Gabe der Endzeit. Auch für Johannes ist die ‚Zoe‘ endzeitliche Heilsgabe. Sie wird aber dem Glaubenden schon jetzt zuteil. Sie ist unzerstörbar und wirkt über den Tod des Glaubenden hinaus. In dem Begriff ‚Zoe‘ ist die Spannweite von gegewärtigem Leben und nicht aufhebbarer Zukunft enthalten (334f).

12,25: Wer sein Leben liebhat, der wird‘s verlieren; und wer sein Leben in dieser Welt ‚hasst‘, der wird‘s erhalten zum ewigen Leben“. 

(1) Während die synoptische Form durch das „um meinetwillen“ als Nachfolgebedingung formuliert ist, scheint Joh zunächst ein allgemeines Gesetz zu formulieren, das zum Weizenkornspruch parallel steht, und für alle Glaubenden gilt, nicht nur für die Märtyrer (336f).

(2) Die john Formel: „es für das ewige Leben bewahren“ meint die künftige, unzerstörbare, unaufhebbare Existenz des Heils.

(3) Durch die Einfügung „in dieser Welt“ zeigt sich, dass der Evangelist bewusst Akzente setzt und das „ewige Leben“ klar von diesem Kosmos abhebt, in das hinein das individuelle Leben gerettet werden kann. Da es im JohEv für „diesen Kosmos“ kein Äquivalent gibt und nie von einem kommenden Kosmos oder Äon gesprochen wird, das ‚touto‘ diese gegenwärtige Welt als den Ort der Heilsgeschichte nur hervorhebt, die Jesus wieder verlässt (13,1; 16,28), kann mit der ‚Zoe‘ auch nur jener Lebensbereich gemeint sein, der jenseits des Todes beginnt, auch wenn dieses Leben schon jetzt dem Glaubenden zuteil wird. Die ‚Zoe‘ ist bereits gegenwärtige Gabe, die die Kraft hat, den physischen Tod zu überdauern, sie ist aber zugleich das Leben, das erst beim Vater („im Haus meines Vaters“ 14,2) endgültig und vollendet zur Entfaltung kommt. Es gibt für den einzelnen ein Heil, das in dieser Welt so noch nicht möglich ist (337f).

16,33: in der Welt habt ihr Drangsal – aber seid getrost: ich habe die Welt überwunden“. Auch wenn die Jünger die Welt im Glauben an Jesus Christus überwinden (1Joh 5,4f), so haben sie doch in ihr Drangsal, so ist das Heil, das Leben, die Verbundenheit mit dem Herrn, noch vorläufig und kann noch verloren gehen (darum die stete Mahnung: „bleibt in meiner Liebe“ : 15,9f.13). Auch in der zweiten Abschiedsrede ist im Hintergrund das Wissen um eine künftige, letzte Vollendung des Gläubigen vorhanden, die nach dem Hass und der Verfolgung durch die ‚Welt‘ (15,18 - 16,4) beginnt (338).

Der Gottgezeugte besitzt nicht nur die beständige Kraft zur Überwindung der Welt in sich, sondern er hat den Sieg bereits durch den Glauben erfochten. In allen Stellen, die durch jene Spannweite von gegenwärtiger Gabe und künftiger, realer Vollendung bestimmt sind, ist eine lokale Vorstellung vorhanden, sei es dadurch, dass sie durch die Angabe „in dieser Welt“ oder durch die Präposition „zum Leben“ hervorgerufen wird. Bestimmend ist diese lokale Vorstellung vor allem in den christologischen Aussagen: Jesus ist in diese Welt gekommen und verlässt sie wieder und geht zum Vater; obwohl er immer schon mit dem Vater verbunden ist, ist er doch auf dem Weg zu ihm. Mit dem „Gehen zum Vater“ ist sowohl sein Weg in den Tod wie in die Herrlichkeit, die er vom Anfang der Welt an hatte, gemeint (17,24) (339).

Es gibt eine Reihe von Aussagen, die betonen, dass dort, wo Jesus hingeht, die Juden (7,34; 8,21) wie auch die Jünger (13,33) nicht kommen können. Zwischen Jesus und ihnen gibt es eine deutliche Distanz; denn er ist nicht von dieser Welt (8,23). Dennoch scheint es für die Jünger, die er aus der Welt auserwählt hat (15,19) und die darum nicht mehr von der Welt sind (15,19; 17,14.16), so etwas wie eine Teilnahme auch auf seinem Weg zum Vater zu geben. Der Evangelist verwendet dafür den Begriff der Nachfolge (12,26) (340).

Die Jünger folgten Jesus (1,38.40; 18,15) und Jesus fordert sie dazu auf (1,43). Wenn Jesus sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern kommt zum Licht des Lebens“ (8,12), dann hat ‚nachfolgen‘ den Sinn von ‚glauben‘, wie in der Hirtenrede (10,4f.27), wo unter dem Bild der dem Hirten folgenden Herde die Glaubenshaltung der Seinen dargestellt wird. Die syn Aufforderung zur Nachfolge ist in diesen Stellen bei Joh weiter gefasst und bezeichnet die geistige Haltung des Glaubenden seinem Herrn gegenüber (340).

13,36: Auch hier denkt der Evangelist an eine Nachfolge auf dem Weg zum Vater. Mit dem „Wohin ich gehe, kannst du mir jetzt nicht folgen, aber du wirst mir später folgen“ greift er zwar 13,33 und die damit zusammenhängende Aussagenreihe (7,34; 8,21) auf, die die Sonderstellung Jesu hervorhebt, und das „wohin ich gehe, könnt ihr nicht hinkommen, sage ich jetzt auch euch“, klingt zwar hart, aber der Satz hat zunächst die Aufgabe, die eigentliche Situation bewusst zu machen. Auch sie werden von ihm getrennt sein und ihm nicht einfach folgen können. Wenn sie trotzdem später mit ihm vereinigt werden, so ist es das Werk Jesu (14,2f.6) (340f).

13,33:Kinder, ich bin noch eine kleine Weil bei euch. Ihr werdet mich suchen. Und wie ich zu den Juden sagte, sage ich jetzt auch zu euch: Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen“. Durch das ‚Kinder‘ hebt sich diese Aussage von der in 7,33-36 und 8,21 ab. Wenn 13,36 gesagt wird, Petrus werde Jesus nicht jetzt, aber später folgen, dann ist zwar zunächst das Martyrium gemeint, wie es die Antwort des Petrus in 13,37 nahelegt. Petrus wird Jesus zwar einmal in den Tod des Martyriums folgen und wie Jesus durch seinen Tod zugleich in die Doxa des Vaters geht, so wird auch er dadurch in die Doxa kommen (341).

12,26: Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren“. Nachfolgen ist ein Teilnehmen am Schicksal Jesu, an Tod und Herrlichkeit. Was 13,36 dem Petrus gesagt wird, gilt allen. Die john Fassung hat bis auf das verpflichtende „er folge mir nach“ mit den syn Fassungen nichts gemeinsam. Das john Logion ist durch den Satz „wo ich bin, da soll mein Dieser auch sein“ erweitert und durch den Parallelsatz: „wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren“ entfaltet (341f).

Gefragt wird nach dem Schicksal des Jüngers. Schon der Kontext (12,24f) zeigt, dass das Ziel, ein Ziel jenseits des Todes („für das Leben“), im Blick ist. Zwar wird der Jünger auch hier aufgefordert, Jesus zu folgen, zugleich aber knüpfen sich Verheißungen an, die die Schicksalsverbundenheit des Jüngers mit seinem Herrn zur Grundlage haben. Dort, wo Jesus ist, wird auch sein Jünger sein und damit es nicht übersehen wird, dass diese Verheißung auch für die Doxa beim Vater gilt, fügt Jesus den Satz hinzu: „wenn jemand mir dient, wird ihn der Vater ehren“, wobei ‚ehren‘ wie in 4Makk 17,20 und Hebr 2,9; 1Ptr 1,7; Röm 2,7.10 die himmlische, eschatologische Herrlichkeit meint (342).

Das Nachfolgen bedeutet, wie der Kontext zeigt, zunächst die Nachfolge in den Tod (V 24). Die Verben ‚hassen‘ und ‚lieben‘ in V 25 zeigen, dass die Nachfolge ins Martyrium auch übertragen verstanden werden kann, als Bereitschaft zur Selbstaufgabe im Dienst Christi (vgl. 1Joh 3,15ff). Unter diesem Gesichtspunkt bietet sich das Herr-Knecht-Motiv (13,16; 15,20) als Parallele an, denn dieses scheint hier das Verhältnis Jesus-Jünger zu bestimmen und letztlich für das ‚Dienen‘ verantwortlich zu sein. Ähnlich wie im Liebesgebot (13,34) und in der Paränese der Fußwaschung (13,15) steht das Beispiel Jesu im Hintergrund, das hier die Funktion hat, die Schicksalsgemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern zu beschreiben. So bezeichnet das ‚Nachfolgen‘ nicht nur die Nachfolge in den Tod und die dadurch bedingte Lebenshaltung der Jünger, sondern auch das Eingehen in die Doxa des Vaters, wo sie vom Vater geehrt werden. Damit verheißt Jesus seinen Jüngern auch jenseits des Todes sein Schicksal und eröffnet ihnen trotz aller Gegenwärtigkeit des Heils eine reale Zukunft (342f).

17,24:Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die bei mir sind, die du mir gegeben hat, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war“. Hier begegnen wir dem gleichen Gedankengang, wenn auch nicht mehr im Bild des Weges. Nachdem Jesus in seinem Abschiedsgebet für die Bewahrung (17,11-15), die Heilung (17,16-19) und die Einheit (17,20-23) der Jünger in dieser Welt gebeten hatte, erbittet er nun vom Vater, dass die Jünger, die ja schon die Doxa erfahren haben (17,22), dort seien, wo er ist und die Doxa schauen, die ihm der Vater gegeben hat. Die Doxa, die die Jünger dort schauen sollen, wo er ist, ist die Herrlichkeit, die er beim Vater hatte, ehe die Welt war (17,5). Da er nun zum Vater geht und insofern nicht mehr in dieser Welt ist (17,11.13), wird ihm diese Herrlichkeit beim Vater zuteil. Der Vater wird sie ihm geben, da er bereit ist, ihn durch seinen Tod, durch den er sein Werk vollendet (17,4), hier auf Erden zu verherrlichen (343f).

Die dringende Bitte Jesu, die wie eine Forderung ausgesprochen wird, dass die Seinen mit ihm dort seien, wo er ist, zielt auf eine gleiche Vollendung der Jünger beim Vater hin, wie er sie in diesem Gebet für sich selbst erbittet. Sie werden schon jetzt in dieser Welt Gottes Herrlichkeit erfahren (17,22) und Jesus ist schon in ihnen verherrlicht (17,10), aber das hindert Jesus nicht, ihnen auch eine Teilnahme mit ihm an seiner Doxa beim Vater zu verheißen (17,24). Wiederum zeigt sich diese Spannweite von gegenwärtigem, bereits in dieser Welt erfahrbarem Heil und einer realen Zukunft, in der die Seinen endgültig die von ‚der Hülle der Sarx befreite Doxa‘ schauen werden. Es ist die Schau gemeint, von der 1Joh 3,2 sagt: „Wir werden ihn sehen, wie er ist“. Der Hintergrund dieser Verheißung Jesu, dass er die Seinen in die Wohnungen beim Vater nehmen werde, d.h. in den der Welt transzendenten Bereich des Vaters, damit sie seien, wo er ist, obwohl er mit ihnen in dieser Welt verbunden bleibt, ist die Christozentrik des Evangeliums. Im Glauben an ihn, den Offenbarer des Vaters, werden die Jünger in sein Schicksal hinein genommen und er ist es, der ihnen dies erst ermöglicht (344f).

 

4. Joh 14,2f – ein Teilaspekt der john Christologie

 

Die Reden Jesu sind in diesem Evangelium aus der Sicht des Erhöhten gesprochen. Sie sollen der joh Gemeinde ihre neue Existenz im erhöhten Jesus bewusst machen. Da für den Evangelisten das erste Kommen Jesu und infolge davon sein Tod und seine Auferstehung das eschatologische Ereignis ist, bildet auch die Gemeinde in dieser Welt bereits die eschatologische Heilsgemeinde, die der eschatologischen Heilsgaben schon teilhaftig ist. Weil die Jünger an Jesus glauben, sind sie bereits aus dem Tod ins Leben geschritten. Der Evangelist weiß aber, dass es sich hier um ein Glaubensgeschenk handelt, dass die Jünger in dieser Welt noch bedrängt sind, dass für ihre Bewährung noch gebetet werden muss und dass sie selbst alles daran zu setzen haben, in der Liebe Jesu zu bleiben. Die in Jesus Christus erfüllte Zeit, die Christusgemeinschaft ist die Heilszeit in der Vorläufigkeit des Irdischen. Darum steht dem Einzelnen noch eine reale Hoffnung offen (345f).

So wie Jesus, der immer schon mit seinem Vater verbunden war, in Tod und Auferstehung zum Vater geht, so ist auch für die Jünger der Vater jenseits des Todes das Ziel. Dieses Ziel können die Jünger nicht aus sich erreichen. Jesus selbst erwirkt es ihnen durch sein Wiederkommen als Auferstandener, das sie in ganz neue Beziehung zu ihm setzt. Schon durch dieses im Kreuzestod erwirkte Kommen Jesu und sein Weiterwirken durch den Parakleten bezieht er die Jünger in die Gemeinschaft mit sich und durch ihn mit dem Vater ein. Er zieht sie an sich (12,32). Diese Verbundenheit mit ihm vollendet sich dann über den Tod hinaus in der Doxa beim Vater. Jesus nimmt die Seinen zu sich. Dort, wo er ist, in der Doxa beim Vater, die ihm schon von Anfang an zu eigen war, werden sie auch durch ihn eine Bleibe finden. So wie für Jesus der Tod die Wende und die eschatologische Stunde bedeutet, die ihm die Doxa des Vaters wiederschenkt, so vollendet sich das Schicksal des Jüngers im Tod. Er darf nun auch die Doxa sehen (17,24). So hat der Jünger eine wirkliche Zukunft vor sich und ist durch Jesus doch bereits in diese hineingenommen. Jesus ist der Garant aller Hoffnung. Der Evangelist gibt nur das Ziel an, das Vaterhaus Jesu und den Weg, den Glauben an ihn, der dem Jünger jetzt schon das Leben schenkt und es beim Vater vollendet. Die Verheißung gilt allen und sein Kommen beginnt mit Ostern. Die Bedingung ist die Nachfolge als die Schicksalsgemeinschaft des Jüngers mit seinem Herrn (346f).

Im JohEv ist die geschichtliche Einmaligkeit vom Kommen und Wirken Jesu und der Tod am Kreuz die Voraussetzung der Verheißung und der Gehorsamsakt des Glaubens die Bedingung der Nachfolge. Das Thema von der Nachfolge als Schicksalsgemeinschaft ist die Konsequenz der john Christologie. In seinem christologischen Konzept gibt es keinen Platz für eine zukünftige allgemeine Heilserwartung. Das Entscheidende ist schon geschehen. Jesus ist nicht nur der Offenbarer, sondern auch der Vermittler des Heils. Jesus lässt die Seinen an seinem Schicksal teilnehmen, er erwirkt ihnen beim Vater, dort, wo er ist, eine Bleibe und nimmt sie zu sich (347f).

Literatur

Dibelius, Martin
1953, Jungfrauengeburt und Krippenkind, in: Botschaft und Geschichte

Fischer, Günter
1975, Die himmlischen Wohnungen, Untersuchungen zu Joh 14,2f

Frankemölle, Hubert
1974 und 1984, Jahwe-Bund und Kirche Christi

Luz, Ulrich
2002, Das Evangelium nach Matthäus