2. Die Bezeugung von Ostern

(1) Entscheidendes Heil in Jesus finden
(2) Das Kerygma der judenchristlichen Q-Gemeinden
Tod und Auferstehung Jesu sind kein Heilsereigni
(3) Das Jesus-Kerygma und das Christus-Kerygma
(4) Jesus und der Menschensohn (MS)
(5) Anbetung Christi "zur Ehre Gottes, des Vaters" (Phil 2,11)
(6) Deutungen des Ursprungs (Jungfrauengeburt)

(1) Entscheidendes Heil in Jesus finden

E.Schillebeeckx

Die Parusie- oder Maranatha-Christologie der Q-Tradition ist das älteste Glaubenscredo. Die Auferstehung wird nirgends erwähnt. Für die Q-Gemeinde ist der Gekreuzigte der bald wiederkommende Heilbringer und Weltenrichter, der jetzt schon in der Verkündigung der christlichen Propheten wirksam gegenwärtig ist, d.h. für sie ist Jesus evident 'zu Gott aufgenommen'. Wie? Das wird nirgends reflektiert. Ihre Ostererfahrung ist die begeisterte Erfahrung des in ihrer Gemeinde wirksam gegenwärtigen Herrn, der bald kommt: eine Maranatha-Erfahrung. Ob Jesus durch eine Auferstehung, durch eine 'Entrückung' oder (nach griechischem Modell) von Gott aus der Totenwelt herausgeholt worden ist, darüber wird nicht nachgedacht. In jedem Fall ist er 'bei Gott'. Die Realität, die mit 'Osterfahrung' gemeint ist, ist unabhängig von Traditionen um das Jerusalemer Grab als auch von der Überlieferung der Erscheinungen (350).

Rein historisch ist Jesus in seinem Lebensprojekt und seiner Praxis gescheitert. War sein Leben eine Illusion? Auf diese Frage antwortet das Evangelium mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu (568).

Die Erfahrung der erneuten Gegenwart Jesu in neuer Weise nach seinem Tod hatten seine Jünger als Auferstehung Jesu interpretiert.

Die nachösterliche Bekehrung der Jünger

a. Botschaft und Lebenspraxis Jesu

In der Q-Tradition wird 'sein Kreuz tragen' als Metapher verstanden. Es ist ein Aufruf, bereit zu sein, sein Leben für die Sache Gottes hinzugeben, bereit zum Martyrium. Auch in Verfolgungen muss man rückhaltlos dem Reich Gottes dienen. In Erinnerung an Jesus 'aktualisieren' die Jünger das, was im Leben Jesu vollzogen wurde. 'Jesus nachfolgen' ist vor allem Schicksalsgemeinschaft mit ihm. Vorösterlich zeigt sich, dass Gemeinschaft mit Jesus (in Tischgemeinschaft, indem man sich um Hilfe und Heilung an ihn wendet, vor allem aber, indem man sich im Dienst seiner Botschaft ihm bleibend zugesellt) Angebot von Heil-von-Gott-her ist. Diese Gemeinschaft hat eine fundamental soteriologische Bedeutung, deren christologische Implikationen erst nach Jesu Tod explizit gemacht werden. Das 'Sich-Jesus-Zugesellen' seiner engsten Jünger ist das vorösterliche Modell dafür, was 'christliches Leben' nach Ostern sein muss. Dies ist die Folge der Tatsache, dass historische Erinnerungen an die besondere Lebensgemeinschaft Jesu mit seinen engsten Jüngern (im Unterschied zu den vielen Jesus-Sympathisanten oder den vielen von Jesus geheilten Kranken) mit anklingen. Der Glaube (all derer, die Jesus im Dienst der kommenden Gottesherrschaft nachgefolgt waren) an Jesus als Verkünder der Botschaft vom Reich Gottes stellt die Kontinuität zwischen der vorösterlichen Erfahrung von Heil und der nachösterlichen Bekehrung zu Jesus als dem auferstandenen Gekreuzigten her. Die Erinnerung der Jünger (die 'ihm nachgefolgt waren') an die bleibende Gemeinschaft mit Jesus stellte die Jünger nach Jesu Tod vor die christologische Frage (202f).

Das ganze Auftreten Jesu während seines öffentlichen Lebens war nicht nur die Verheißung von Heil, sondern konkretes, aktuelles Heilsangebot. Er spricht nicht nur von Gott und seiner Herrschaft; wo er auftritt bringt er Heil und wird Gottes Herrschaft realisiert. Bei den Jüngern wird nach dem ersten Schock des Sterbensgeschehens Jesu die Erinnerung an das Leben Jesu eine wesentliche Rolle im Prozess ihrer Bekehrung zum Glauben an Jesus als den Christus, den von Gottes Geist Erfüllten, spielen (276f).

b. Ein jüdisches Bekehrungsmodell?

Wer zuerst an Jesus Anstoß genommen hat und ihn nach einer gewissen Zeit als einzigen Bringer des Heils verkündet, hat einen 'Bekehrungsprozess' durchgemacht. 'Bekehrung' schließt wesentlich eine Beziehung ein zu dem, dem gegenüber die Jünger versagt hatten: Jesus von Nazareth, und zu dem, zu dem sie zurückkehren: Jesus als dem Christus (336f).

Die Beziehung der Jünger zu Jesus von Nazareth, den sie verließen, umfasst Erinnerungen an sein ganzes Auftreten, an seine Botschaft von der kommenden Gottesherrschaft, an einen auf Menschlichkeit bedachten Gott, der das Heil des Menschen will. Sie hatten den 'Gott Jesu' als einen Gott des Erbarmens und der Verzeihung ohne jeden Vorbehalt kennengelernt. Jesus hatte vielen Menschen geholfen, weil sie in Not zu ihm kamen. Sie erinnerten sich an Jesu Tischgemeinschaft mit Sündern, d.h. an sein Heilsangebot an Sünder. Schließlich bestand auch die Erinnerung an die besondere Stimmung während des Abschiedsmahls, Erinnerungen an das, was Jesus damals gesagt hatte. Diese Momente der Erinnerung an ihre Lebensgemeinschaft mit Jesus und das ganze Auftreten Jesu sind wesentliche Elemente im Bekehrungsprozess (338).

Die Beziehung zu dem, zu dem sie zurückkehrten, ist völlig neu. Sie verließen einen zum Tode verurteilten Jesus. Sie kehrten zurück zu der aktuellen Gemeinschaft mit demselben Jesus, ihn jetzt als den wiederkehrenden Richter oder auferstandenen Gekreuzigten bekennend. Die Identifizierung Jesu mit dem eschatologischen Gesandten Gottes ist die Brücke zwischen 'Jesus von Nazareth' und dem von der Kirche verkündeten Christus gewesen (338).

In den jüd. Bekehrungsberichten wird die Bekehrung eines Heiden zum jüd. Gesetz oft eine Erleuchtung genannt und nach dem klassisch gewordenen Modell einer 'Bekehrungsvision' dargestellt: Man wird plötzlich von einem grellen Licht überstrahlt und hört eine Stimme (Apg 9). Vor allem im hellenistischen Judentum entstand aufgrund von Jes 42,6f eine allgemeine Topik, die die Bekehrung eines Heiden zum Judentum als ein 'Sehen' oder eine 'Erleuchtung' dessen, der zuerst blind war, darstellt. An vielen Stellen im NT steht die Symbolik des Lichts, und somit des Sehens, im Zusammenhang mit Bekehrung (Röm 13,12; Eph 5,8-14; 1Ptr 2,9-12; Hebr 6,4; 10,32). In Apg 26,17f wird Einfluss von Jes 42,7 spürbar. Der Ausdruck „Licht der Heiden“ oder „Licht der Welt“ kommt im NT wiederholt vor (Apg. 1,8; Lk 2,32; Jh 1,9; 3,19-21; 8,12). Er wird sowohl auf Jesus als auch auf die Apostel Christi angewandt. In Anbetracht dieser schon vorhandenen jüd. Tradition der Bekehrung dank Erleuchtung besteht die Möglichkeit, dass das wunderbare Geschehen einer Bekehrung jetzt zur Gottesoffenbarung in Jesus nach dem Modell einer Bekehrungsvision dargestellt wird. Apg 9, die Bekehrungsgeschichte des Paulus nach Lukas, ist ein Beispiel dafür (338f).

In der christlichen Auferstehungsvision (den österlichen Erscheinungen) vollzieht sich eine Bekehrung zu Jesus als dem Christus, der jetzt als Licht der Welt gekommen ist. In der 'Erscheinung' oder der 'Vision' wird die Gnade der Bekehrung zu Jesus als dem Christus (dank einer erleuchtenden Gottesoffenbarung) vollzogen und zur Sprache gebracht. Jesus selbst ist es, der erleuchtet, sich in und durch die Gnade der Bekehrung als der auferstandene Christus offenbart: Er ist der erleuchtende Christus; er „gibt sich zu sehen“ (339f).

c. Sammlung der Jünger Jesu durch Petrus

Zu Jesus gehören wurde in der jungen Kirche als eine 'Bekehrung' aufgefasst. Alle jüd. Topoi der Bekehrung eines Heiden zum jüd. Gesetz wurden vom Christentum übernommen (340).

Historisch ist es wahrscheinlich, dass Simon Petrus die erste Jesuserscheinung (Protophanie) gehabt hat (1Kor 15,5; Lk 24,34), d.h. dass ihn zuerst überkam, was im NT das 'Sehen Jesu' nach seinem Tod genannt wird. Es gibt starke Hinweise darauf, dass der Name 'Kefas', Petrus oder Fels, den Simon erhält, im Zusammenhang mit seinem Primat in der Christuserscheinung steht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Mt 16,17-19 aus einer verlorengegangenen Tradition stammt, die von der ersten Jesuserscheinung vor Petrus berichtete. Bedeutsam ist, dass das Jesus-Logion bei Matthäus: „Du bist Petrus (Fels)“ die ursprüngliche Einführung des Namens Petrus für Simon war und dass dieser Name Simon sicher nicht vom irdischen Jesus gegeben worden ist. Der Zusammenhang zwischen der Benennung Fels und der Protophanie des Petrus wird daher als die beste Hypothese angesehen (342f).

Nach dem Tod Jesu ist Petrus als erster Jünger 'zur Bekehrung' gekommen und hat die 'Nachfolge Jesu' von neuem aufgenommen, danach auch andere Jünger auf die Initiative des Petrus hin. Petrus ist daher der erste christliche Bekenner, der zu einem christologischen Bekenntnis kam. Aufgrund seiner Bekehrung ergreift er die Initiative, um den „Kreis der Zwölf“ zu versammeln. So wird er zum Fels des Urkerns der christlichen Gemeinde, „der Zwölf“, die sich zu Jesus als dem kommenden oder auferstandenen Gekreuzigten bekannten, d.h. der Gemeinde der Endzeit des neuen Zwölf-Stämme-Reichs, der versammelten „Gemeinde Christi“ (Röm 16,16) oder der „Gemeinde Gottes“ (1Kor 1,2; 10,32). Höchstwahrscheinlich ist die Gruppe der Zwölf schon eine vorösterliche Gegebenheit (wie hätte man sonst Judas Iskariot „einen der Zwölf“ nennen können und wie könnte man den technischen Begriff „die Elf“ erklären)? Die vorösterliche Aussendung der Jünger durch Jesus scheint die Konstituierung der Gruppe der Zwölf zu sein. Die Protophanie Jesu hat dann zur Folge, dass Petrus nach Ostern das Verdienst zukam, diese Zwölf wieder zu sammeln. Eine Erinnerung an dieses geschichtliche Geschehen findet sich in Lk 22,32: „Simon, Simon...; Wenn du einmal umgekehrt (bekehrt) sein wirst, dann stärke du deine Brüder“. Hier ist ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Verleugnung des Petrus, seiner Bekehrung und der Initiative, die Jünger wieder zu sammeln: sie zu Christusjüngern zu festigen (344). Die Erscheinungsberichte in den Evangelien geben bereits das kirchliche Selbstverständnis wieder. Die Gemeinden Christi sehen sich in ihrem Glauben auf den auferstandenen lebendigen Jesus gegründet und kraft dieses Glaubens in die Welt gesandt (340f).

d. Die Ostererfahrung des Paulus

H. Verweyen: Dadurch, dass Paulus die frühen Erscheinungen mit der von ihm selbst erfahrenen in eine Reihe bringt (1Kor 15,3-11), bezieht ein Zeitzeuge zu diesem Phänomen Position. Die Zusammenfassung von offenbar recht verschiedenartigen Phänomenen (Einzelbegegnung, Massenmanifestation) unter der einen Klammer des 'ophte' läßt vermuten, dass Paulus dies für einen ziemlich dehnbaren Begriff hält. Das Moment, dass Augenzeugen im erhöhten Herrn den irdischen Jesus wiedererkannten, kann für Paulus, der dem irdischen Jesus nie begegnet ist, nicht zentral sein. In Hinsicht auf den irdischen Jesus ist dieser Apostel, der solchen Wert darauf legt, in die Reihe der ursprünglichen Zeugen des Auferstandenen zu gehören, 'Schüler zweiter Hand'. Die Erscheinung des Auferstandenen erschließt dem Apostel den Sinn einer ihm schon vorher zuteil gewordenen Erfahrung, gegen deren Wahrheit er sich bislang gewehrt hat. Das „Saul, Saul, warum verfolgst du mich“ (Apg 9,4; 22,6; 26,14)? läßt seine Erfahrungen mit den verfolgten Zeugen Jesu zum Durchbruch kommen, an denen Jesu Sieg über den Tod transparent wird (77f).

e. Heil in Jesus oder im auferstandenen Gekreuzigten?
E. Schillebeeckx

Christologie ist eine gläubige Aussage über die Gesamtheit des Lebens Jesu. Die christliche Offenbarungs-Erfahrung setzt das Lebensganze Jesu voraus (568).

In den sog. Missionspredigten erhellt Lukas für Griechen die Bedeutung des 'Christus', des Gesalbten, des mit Gottes Geist Erfüllten: „Gott war mit ihm“ (Apg 2,22; 3,14; 10,38). Jesus ist Besitz Gottes „dein Heiliger“, „dein Diener“, „sein Messias“, „mein Sohn“. Die Verwerfung Jesu durch Menschen erhält ihr Gegengewicht durch die Zugehörigkeit Jesu zu Gott. An den irdischen Jesus glauben bedeutet, ihn als Gottes eschatologischen Propheten Israels und für Israel anzuerkennen, als den letzten Boten „von Gott“, erfüllt mit Gottes Geist, verkündend die nahe Gottesherrschaft und sie in Wort und Tat überbringend. An den auferstandenen Jesus glauben heißt; ihn in seiner universalen Heilsbedeutung für alle Menschen anerkennen (568).

Die Zugehörigkeit Jesu zu Gott und die Treue Gottes zu diesem Jesus (die Auferstehung als Handeln Gottes in und mit Jesus) bekräftigt nicht nur Jesu Botschaft und Lebenspraxis, sie enthüllt auch seine Person als unlöslich verbunden mit Gott und mit dieser Botschaft. In Jesu Tod und Auferstehung begegnen sich des Menschen äußerste Verwerfung von Gottes Heilsangebot und die bleibende Darreichung dieses Heils im auferstandenen Jesus. In seiner höchsten Not, in Leiden und Kreuzigung treu seiner prophetischen Sendung und Botschaft, gibt Jesus sein persönliches Geheimnis preis: seine unantastbare Bindung an Gott (568f).

Weil Jesu Zugehörigkeit zu Gott in der Auferstehung bestätigt wird, ist die Auferstehung zugleich Gottes Bestätigung der Botschaft und Lebenspraxis Jesu. Ein 'auferstandener Gekreuzigter' ohne den konkreten Jesus von Nazareth ist ein Mythos. Es gibt keinen Bruch zwischen 'Jesus von Nazareth' und dem 'auferstandenen Gekreuzigten'. Die Eigenart Gottes erscheint erst im Leben und Tod dieses Jesus. Der Bruch liegt in der Verwerfung der Botschaft und Praxis Jesu, die auf die Verwerfung seiner Person hinauslief. Deshalb trifft Gottes Bestätigung in der Auferstehung die Person Jesu, die seiner Botschaft und Lebenspraxis inhärent ist. Sowohl die Verwerfung als auch Gottes 'Amen' zur Person Jesu bestätigen das Spezifische des Jesusgeschehens, in dem Person und Lebensprojekt – also Person, Botschaft und Praxis – eine unverbrüchliche Einheit bilden. Deshalb konnte Gottes Herrschaft für das christliche Bekenntnis das Antlitz Jesu Christi erhalten und konnte man vom 'Herrn Jesus Christus' als konkret synonym mit der von Jesus verkündeten Gottesherrschaft sprechen. Die Auferstehung bestätigt, dass Gott immerfort mit Jesus war, sein Leben lang, bis in die menschliche Verlassenheit seines Kreuzestodes hinein (569f).

f. Die Ostererfahrung – ein Bekehrungsprozess

Dass Jesus auferstanden ist, er selbst, bedeutet nicht nur, dass er vom Vater von den Toten auferweckt worden ist, es bedeutet zugleich, dass der zum Vater erhöhte Jesus bei uns ist, in einer völlig neuen Weise. Aus dieser unlöslichen Verbindung zwischen der persönlichen Auferstehung Jesu und der christlichen Glaubenserfahrung der österlichen Gegenwart Jesu in ihrer Mitte, wird für die Jünger die innere Heilsbedeutung der Auferstehung Jesu unmittelbar deutlich – die Bedeutung der Auferstehung Jesu für uns! Die Jünger sind in und durch die Erfahrung der erneuten Gegenwart Jesu und des (nach seinem Tod) erneuten Angebots von Heil zu der glaubensgewissen Überzeugung gekommen, dass Jesus auferstanden ist. Deshalb ist Jesu Auferstehung innerlich zugleich Geistsendung: Gemeinschaft des Auferstandenen mit den Seinen auf Erden. Die Ostererfahrung liegt im Erfahrungsgeschehen der erneuten Sammlung der Jünger kraft des auferstandenen Christus: „Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, ist Jesus in ihrer Mitte“. Über die persönliche Auferstehung Jesu kann man nicht sprechen, ohne zugleich von seiner Heilsgegenwart in unserer Mitte zu sprechen als hier und jetzt erfahren und zur Sprache gebracht im Auferstehungsglauben: Ostererfahrung, Lebenserneuerung und die erneute Sammlung (Kirche-Sein). Gerade in und durch die gläubige Ostererfahrung und die erfahrene Lebenserneuerung (im NT im Modell von 'Erscheinungen') wird zur Sprache gebracht: Jesus lebt! (573f).

Die Auferstehung Jesu als eine erhöhte, neue Lebensexistenz zeigt an, dass Jesu Tod ihn nicht von seiner Lebensgemeinschaft mit Gott hat scheiden können. In seinem Tod hält Gott Jesus fest und ist der Tod überwunden. So wird auch für uns, über den Tod hinaus, ein neuer Lebensraum erschlossen: Lebensverbundenheit mit Gott kann durch kein Leiden und keinen Tod angetastet werden für den, der wie Jesus auf Gott vertraut (575f).

Jesu Auferstehung, durch die apostolische Bekehrungs- oder Ostererfahrung bezeugt, ist:
a) Gottes Bestätigung von Jesu Person, Botschaft und Lebenspraxis einer Dienstbarkeit bis zum Tod.
b) Sie ist zugleich Erhöhung und neue Schöpfung, d.h. Gottes korrigierender Sieg über die Negativität des Todes und der menschlichen Leidensgeschichte, an der Jesus partizipierte. Es gibt ein Leben nach dem Tod.
c) Die Auferstehung ist zugleich Geistsendung und darin erneute Lebensgemeinschaft des persönlich lebendigen Jesus Christus mit den Seinen auf Erden, Kirchengründung (576).

Jesus verkündet Gottes nahendes endgültiges Heil für den Menschen mit einer Entschiedenheit, die beim verhängnisvollen Tod nicht nachlässt. Entweder ist dies eine Illusion oder, „wenn dies von Gott kommt“ (Apg 5,39), ist Jesu Botschaft vom nahenden Heil wahr, d.h. eine Wirklichkeit, die dann nirgends wo sonst zu finden ist als im auferstandenen Jesus selbst (585).

                   

(2) Das Kerygma der judenchristlichen Q-Gemeinden

Tod und Auferstehung Jesu sind kein Heilsereignis

Die Q-Hyopthese folgt aus der 'Zweiquellen-Theorie'. Matthäus und Lukas haben neben einer ersten Quelle, dem Markusevangelium, eine zweite 'Quelle' (Q) gebraucht. Die oft wörtlichen Übereinstimmungen in dem nicht-mkn Material des Lukas und Matthäus sind so augenfällig, dass die Form, in der sie diese Q-Tradition kennen, eine Schrift sein muss, d.h. die Q-Quelle: Markus und Q als Quellen für Mt und Lk.

S. Schulz

a. Das Kerygma der älteren Q-Gemeinde

Am Anfang des Urchristentums steht der prophetisch-apokalyptische Enthusiasmus, nicht die Verkündigung des historischen Jesus. Für die ältesten palästinensischen Judenchristen war der für die Endzeit verheißene und vom erhöht-gegenwärtigen Menschensohn Jesus ausgegossene Geist gegenwärtig. Dieser Geist war in der eingetretenen Endzeit die allein treibende Kraft, die die apokalyptische Naherwartung, die Toraverschärfung und die Botschaft vom nahen Schöpfergott bedingte (165).

Neben der älteren Q-Gemeinde gab es die aramäisch sprechende Urgemeinde in Jerusalem. Aus Apg 6-8, Gal 1,15 – 2,14 geht hervor, dass diese 'Hebräer' die apokalyptische Naherwartung und die Treue zum Mose-Gesetz und damit zum Jerusalemer Tempel teilten. Auch wenn in den entscheidenden Punkten von Kerygma und Toralogie Übereinstimmungen zwischen den 'Hebräern' und der Q-Gemeinde bestand, so gab es doch eine gewichtige Differenz in der je verschiedenen Gemeindeordnung. Hinter den älteren Q-Stoffen stehen von Propheten geleitete Gemeinden, während die aramäisch sprechende Urgemeinde sich als himmlischer Gottestempel versteht, der auf den Säulen des Jakobus, Kephas und Johannes ruht (Gal 2,8), eine Ordnung, die später (Apg 21,15ff) von der Presbyterialverfassung abgelöst wird (166).

Das enthusiastisch-apokalyptische Kerygma der älteren Q-Gemeinde steht in diametralem Gegensatz zur pln Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen allein aus Glauben. Von der pln Dialektik der Glaubens- und Werkgerechtigkeit aus geurteilt, ist die Verkündigung dieses älteren palästinensischen Judenchristentums Gesetz und nicht Evangelium. Abgesehen davon, kennt diese ältere Q-Gemeinde das vorpln Passionskerygma und die für Paulus zentrale theologia crucis nicht (167).

Für den prophetischen Enthusiasmus des palästinensischen Judenchristentums ist der Nomos die Heilsgabe an Israel und hat ewige Gültigkeit. Das Gesetz war nicht nur Heilsweg, es war auch die Gabe Gottes, die dem auserwählten Volk seinen Rang und seine Würde gab. Eine etwaige Reduktion und Kritik im Sinne der Toraverschärfung steht im Dienst der radikal verstandenen Nächstenliebe. Die älteren Q-Stoffe repräsentieren eine selbstständige Traditionsschicht mit einem eigenständigen Kerygma (167f).

Die ältere Q-Gemeinde weiß sich als Gemeinde der Endzeit. Ausgelöst wurde dieser apokalyptische Enthusiasmus durch Ostern, durch die Glaubensgewissheit dieser Propheten, dass der Nazarener nicht im Tod geblieben, sondern zu Gott erhöht sei und jetzt den endzeitlichen Geist gesandt habe. Das Warten auf das ganz nahe bevorstehende dramatische Endereignis, auf das machtvolle Offenbarwerden der Basileia und auf die Parusie Jesu als des Menschensohnes beherrschte ausschließlich das Selbstverständnis dieser Gemeinde. Sämtliche Forderungen und Zusagen der Verkündigung waren getragen von der unbeirrbaren Hoffnung auf die ganz nahe Ankunft der Gottesherrschaft, darauf, dass in allernächster Zeit der Kosmos in die Brüche geht und der Menschensohn vor Gottes Thron erscheint und dass sich dann die Erlösung der Gläubigen und das Gericht über die Ungläubigen ereignen (168f).

Nicht Menschen werden diese Welt verändern, sondern das Gottesreich wird vom Himmel kommen und allein Gott wird das gesamte Universum vernichten, damit der neue Mensch auf einer neuen Erde mit eben diesem Gott ewig lebe. Die Verkündigung der älteren Q-Gemeinde kann nicht revolutionär sein, weil sie apokalyptisch ist (169).

Das Gesetz des Mose einschließlich der  Kultgebote (Mt 5,18 par) bleibt in Kraft, ebenso wird der Väterüberlieferung nichts abgemarktet. Die ältere Q-Gemeinde hält an der Beschneidung, am Tempel von Jerusalem und seinem Kult fest und grenzt sich nicht als neue Religion gegen das Judentum ab. Hier feierte man mit den Vätern das Passahmahl und kannte keine Sakramente. Die Loslösung vom spätjüdischen Gottesdienst war noch nicht vollzogen. Hier kannte man keine kerygmatische Bedeutung der Passion Jesu, auch nicht die explizite Ostertheologie. Hyper-Bedeutung hatte allein die Israel übereignete Tora. In ihr war das Heil für ganz Israel ein für allemal beschlossen in der Interpretation, die ihr der erhöht-gegenwärtige Menschensohn durch die Verkündigung seiner Pneumatiker gegeben hatte (169f).

In diesen Rahmen des judenchristlichen Enthusiasmus Palästinas, der sich aufgrund von Ostern im Besitz des eschatologischen Geistes wusste und in allernächster Nähe die Ankunft der Basileia erwartete, gehört die Forderung des radikalen Besitz- und Kapitalverzichts (Mt 6,19-21 par). Gewarnt wird vor dem Sorgen, denn das ist Sache der Heiden, nicht aber dieser prophetisch geleiteten Gemeinde, die überzeugt ist, das wahre Israel der Endzeit zu sein. Die Tora wird verschärft (radikales Verbot der Ehescheidung, Gebot der Feindesliebe und Verzicht auf das eigene Recht Mt 5,44ff par) als Rückgang vom Wortlaut auf die Intention des atl Gesetzes, nämlich für den Nächsten in Liebe da zu sein. Deshalb wird die Mose-Tora radikalisiert, nicht aber bewusst gesprengt. Gefordert wird der ganze Gehorsam gegenüber dem ursprünglichen Gotteswillen. Überall dort, wo das zentrale Gebot der Mitmenschlichkeit, des Liebeübens missachtet wird, tritt urchristliche Prophetie auf den Plan und protestiert im Namen ihres Herrn gegen die Herrschaft des Menschen über den Menschen (170).

Indem die ältere Q-Gemeinde sich als vom erhöht-gegenwärtigen Jesus berufene Endzeitgemeinde weiß, hat sie den Rahmen einer eschatologischen Sekte innerhalb des Spätjudentums verlassen. Die Existenz dieser anonymen Enthusiasten ist eschatologisch bestimmt, denn sie haben ihr Leben von dem Zu-Kommen Gottes und seines Menschensohnes her gelebt. (171).

Gott ist da, wo der Mensch menschlich handelt, wo er sich von diesem Evangelium der Mitmenschlichkeit tragen und zum Anwalt der Armen, Rechtlosen und Beherrschten machen lässt. Abgelehnt wird jegliches Klan-Denken: Freundschaft und gutes Einvernehmen in der eigenen Sozietät, Rivalität und Feindschaft gegenüber den Außenstehenden. Dieser Freund-Feind-Kodex mit seinem verhängnisvollen Gesetz der Wiedervergeltung, des Widerstandes gegen das Böse wird zunichte gemacht (172f).

Die Parusie trat nicht ein. Neue Situationen forderten neue Glaubensantworten heraus (175).

b. Das Kerygma der jüngeren Q-Gemeinde

Neben den älteren Q-Überlieferungen ist eine jüngere Traditionsschicht erkennbar, die hellenistisch-judenchristliches Material enthält. Die älteren Q-Stoffe bestanden ausschließlich aus prophetisch-enthusiastischem Spruchgut, während die jüngeren Q-Traditionen Geschichtserzählungen, Apophtegmata, Gleichnisse, Parabeln und Ich-Worte aufweisen, die auf die abgeschlossene Wirksamkeit des irdischen Jesus zurückblicken (481).

Man rechnet mit einem längeren Überlieferungsprozess aller Q-Traditionen. Als Überlieferungsträger gilt ein und dieselbe Gemeinde. Neu ist der kerygmatische Rückgriff auf Worte und Taten des irdischen Jesus. In der älteren Phase des palästinensischen Judenchristentums wurde das Erdenwirken Jesu noch nicht kerygmatisiert. Das geschah erst in den jüngeren Q-Stoffen, wobei wahrscheinlich die älteren Markus-Traditionen das Verkündigungsbild abgaben. Die Gemeinde hat den endzeitlich als Menschensohn erwarteten Jesus gleichzeitig als den der Parusie unmittelbar vorangehenden eschatologischen Propheten, Menschensohn und Gottessohn gedeutet (481f).

Die Anfänge urchristlicher Theologie bestimmte der prophetische Enthusiasmus, d.h. die autoritative Verkündigung des erhöhten-gegenwärtigen Menschsohnes Jesus. Auf den irdischen Jesus, seine Worte und Taten wurde nur in den Markus- und in den jüngeren Q-Stoffen zurückgegriffen (482).

Der Rückgriff auf Worte und Taten des irdischen Jesus erfolgte zum ersten Mal innerhalb der Markus-Stoffe. Im Unterschied zur vormkn Gemeindetradition findet der Rückgriff auf den irdischen Jesus innerhalb der jüngeren Q-Stoffe im Zeichen der göttlichen Sophia statt bei gleichzeitiger Ablehnung der vormkn Wundermann –  und Gott-Christologie. Die präexistente, himmlische Sophia übernimmt die Heilsfunktion in der Geschichte Israels einschließlich der apokalyptischen Endereignisse, die mit ihren letzten beiden Gesandten, Johannes dem Täufer und dem Nazarener, anbrechen (483).

Der irdische Jesus ist der Gesandte der himmlischen Sophia. Er ist der Endzeitprophet, irdischer Menschensohn, Sohn Gottes und Sohn, dem der Vater alle Gewalt übertragen hat. Er ist alleiniger Heilsmittler für die Seinen. In seinen Worten und Taten ist die Basileia bereits Gegenwart geworden. Die Entscheidung für oder gegen ihn hat deshalb eschatologische Relevanz. Die einmalige Stellung Jesu beruht darauf, dass er nicht im Tod geblieben ist, sondern zu Gott als der verborgene Menschensohn erhöht wurde, der in nächster Nähe zusammen mit der Sophia erscheinen wird, um das Regiment des apokalyptischen Menschensohnes für den gesamten Kosmos sichtbar zu übernehmen. Von einer Passion ist keine Rede, das vorpln Sühnetodkerygma wir nicht übernommen. Der Tod Jesu ist nicht Heilsereignis, sondern Frevel der Juden gewesen. Die kerygmatische Qualifizierung des irdischen Jesus steht unter apokalyptischen Vorzeichen (483).

Die Geschichte Israels als Zeit des alten Äons ist mit dem Täufer abgeschlossen. Mit Jesus beginnt die heilvolle Gegenwart der Basileia und der Israelmission vor dem nahen Ende. Die als  Heilszeit herausgestellte Zeit des irdischen Jesus ist der nachösterlichen Zeit des offenbaren Geistwirkens untergeordnet. In den älteren Q-Stoffen gehört der prophetische Enthusiasmus mit seinen Auswirkungen der Naherwartung, der Toraverschärfung und der Ansage des nahen Schöpfergottes zu den Endzeitereignissen selbst. In ihnen vollzog sich die für die Welt noch verborgene Nähe der Basileia, der auf seiten der Jünger das unbedingte Vertrauen zur Bundestreue Gottes und der radikale Gehorsam korrespondierte. In den jüngeren Q-Stoffen wird das Auftreten und die Wirksamkeit des irdischen Jesus als des Endzeitpropheten selbst zum Heilsgeschehen, das dem sich verzögernden Ende vorangeht. Als der Enthusiasmus nachließ, begleitete das Problem der Parusieverzögerung die verschiedenen kerygmatischen Entwürfe des Urchristentums (484f).

Die Toraauslegung der älteren Q-Stoffe ist unverändert übernommen und weiter tradiert worden. D.h. auch die jüngere, hellenistisch-judenchristliche Q-Gemeinde steht zu der Toraauslegung ihrer Väter. Der Sabbat wird von der jüngeren Q-Gemeinde nicht problematisiert. Einzelne Gebote werden aufgehoben, größtenteils aber wird das Mose-Gesetz charismatisch verschärft. Die teilweise Entwertung des Ritualgesetzes, die in der Heimholung von Zöllnern und Sündern in Israel liegt, war die theologische Konsequenz der Unterordnung der Zeremonialgebote unter die radikalisierte Forderung der Nächstenliebe. Sie allein hatte Vorrang. Man ging zu den Zöllnern und Sündern, um sie in den Gottesbund heimzuholen (die Parabel vom Gastmahl). Schließlich sprach man über die Pharisäer nicht nur den apokalyptischen Fluch aus, sondern 'diese böse Generation' wurde eschatologisch verurteilt. Die jüngere Q-Gemeinde befindet sich deshalb auch nicht mehr im Synagogenverband. Sie wird von der Synagoge verfolgt. Deshalb ruft sie zur Leidens- und Martyriumsbereitschaft auf (485f).

In der Q-Gemeinde wird das Kerygma ausgerichtet, ohne dass Tod und Auferstehung Christi oder das 'hyper' der Heilszusage kerygmatisch qualifiziert werden. Nicht in allen seinen Teilen war das Urchristentum vom Passionskerygma als dem Evangelium bestimmt.

Mit den Q-Stoffen stoßen wir auf das älteste Judenchristentum Palästinas, das in allen späteren Phasen seiner theologiegeschichtlichen Entwicklung dem Vätererbe treu geblieben ist: dem Eifer für die Mose-Tora und der sehnsüchtigen Erwartung des nahen Endes!

Nur die Einarbeitung der Q-Quelle in den kerygmatischen Aufriss der Großevangelien hat ihre Theologie vor dem völligen Untergang bewahrt. (486f).

                   

(3) Das Jesus-Kerygma und das Christus-Kerygma

W. Marxsen (1966)

Die Bezeugung von Ostern liegt in zwei Formen vor, einer direkten und einer indirekten. Die indirekte liegt vor in der frühen synoptischen Tradition selbst. Denn allein schon in der Faktizität der Weiterverkündigung der Jesustradition nach Karfreitag, kündigt sich eine Wirklichkeit an, die wir mit dem Begriff Ostern zu bezeichnen pflegen. Die direkte Bezeugung von Ostern begegnet in dreifacher Gestalt: (1) in Traditionen, die ausgeführte Berichte von Erscheinungen des Auferstandenen enthalten; (2) in Traditionen vom leeren Grab und (3) wird Ostern bezeugt in knappen Formulierungen, die nur von einem Dass des Sehens reden, ohne nähere Umstände, Begleiterscheinungen oder sonstige Begebenheiten (1Kor 15,3ff) (99f).

Ostern bedeutet: Jesus ist nicht im Tod geblieben. Darum ist das, was er gebracht hat, nicht zu Ende. In dieser Gewissheit konnte man 'weitermachen'. Dieses 'Weitermachen' sah zuerst so aus, dass man die Jesustradition als Kerygma (nicht als historische Erinnerung) aussagte. Ostern wurde erfahren als der Initiationsakt der Weiterverkündigung nach Karfreitag. Und so ist die Tatsache, dass die 'Jesustradition' als Kerygma weitergesagt wurde, die erste – indirekte – Osterbezeugung (103).

Wäre die Jesustradition historischer Bericht, dann hätten wir es mit Aussprüchen und Taten eines Vergangenen zu tun. Trifft mich aber das Kerygma, dann trifft mich ein Lebendiger, der mich jetzt fordert. Jesus hatte das In-den-Glauben-Stellen, die Ereignung Gottes, gebracht. Ostern ist das Neu-in-Gang-Setzen der Ereignung Gottes nach Karfreitag (104).

Wenn ich mich auf das Kerygma einlasse, mich ihm ausliefere, erst dann werde ich gewiss, dass Jesus lebt. Die Auferstehung Jesu glaubt nur der, der sich heute auf das Kerygma einlässt. Das Entscheidende beim Osterzeugnis ist die Identität des Gesehenen mit dem Dagewesenen. Nicht eine neue oder eine andere Sache wird seit Ostern weitergebracht, sondern die alte Sache. Ostern hat das Jesusgeschehen verkündbar gemacht (105f).

Die einfachste Form der Reflexion ist das In-Worte-Fassen des Geschehens als Kerygma. Da hier Jesusgeschichten erzählt werden, wird diese Form das Jesuskerygma genannt. In der weiteren Reflexion wird ausdrücklich gesagt, wer derjenige ist, der dieses Geschehen vollzieht. Jetzt wird Jesus qualifiziert. Da das durch die Übertragung von Titeln auf ihn geschieht und der häufigste der christologischen Titel das Christus-Prädikat ist, wird diese Form das Christuskerygma genannt (109).

Jesus verwirklicht die Nähe Gottes. Das war zu Lebzeiten Jesu an Jesus gebunden. Das blieb auch nach Ostern an Jesus gebunden – wegen der Identität des Auferstandenen mit dem Irdischen. Um das nachdrücklich zu unterstreichen, wurde Jesus qualifiziert. Diese Qualifizierung Jesu ist eine reflektierende Interpretation des “Er ließ sich sehen“, “Er erschien“ bzw. “Er lebt“ (110).

Diese Qualifizierungen Jesu sind immer nur in dem Maße legitim, wie sie das ausdrücken, was Jesus gebracht hat. Die erste Frage lautet: Was kam in Jesus zur Sprache? Dann ist zu fragen: inwiefern konnte das, was in Jesus zur Sprache kam, ausgedrückt werden, indem man vorgegebene Vorstellungen auf ihn übertrug? Indem nun aber Jesus selbst Gegenstand der Reflexion ist, bedeutet die Prädikation Jesu zugleich eine Verschlüsselung des von ihm vollzogenen Geschehens. Um die Prädikationen Jesu richtig zu verstehen, muss man diese Verschlüsselung rückgängig machen können (110f).

Es gibt drei Formen des Kerygmas: (1) Reines Jesuskerygma, in dem ausschließlich Jesu Tun und Reden dargestellt werden, (2) die Mischform zwischen Jesuskerygma und Christuskerygma, in dem von Jesus Christus erzählt wird und (3) das Christuskerygma, in dem die Jesustradition als solche überhaupt nicht mehr vorkommt (111).

Der Titel 'Sohn Gottes' hat einen doppelten religionsgeschichtlichen Hintergrund. Er begegnet sowohl im Judentum als auch im Hellenismus. Im Judentum kann als Sohn Gottes der (gesalbte) König, das Volk und gelegentlich auch der Messias bezeichnet werden. Das geschieht durch einen Rechtsakt, nämlich durch Adoption. Diese Vorstellung hat die Geschichte von der Taufe Jesu geprägt: “Du bist mein lieber Sohn...“ (Mk 1,11). In diesem Zuruf der Himmelsstimme nach der Taufe durch Johannes klingt die Adoptionsformel aus Ps 2,7 an. (Diese Taufgeschichte Jesu ist Christuskerygma, denn hier ist nicht von einem Tun und Reden Jesu die Rede. Entsprechend gehören zum Christuskerygma die Verklärungsgeschichte, das Petrusbekenntnis von Cäsarea Philippi und die Geburts- und Kindheitsgeschichten, in denen jeweils Jesus nur als Christus bezeugt wird) (111f)

Im Hellenismus ist Sohn Gottes kein Rechtstitel, sondern ein 'physischer' Titel. Er drückt ein physisches Verhältnis zur Gottheit aus. Der Sohn Gottes hat eine göttliche Natur. Er hat sie bekommen entweder durch wunderbare Zeugung ohne menschlichen Vater durch den Geist – oder auch durch direkte Zeugung durch eine Gottheit und eine menschliche Mutter (112).

Die Prädikationen Jesu sind Ausdruck der Ereignung Gottes durch ihn, sie sind nur in dem Maße legitim, wie sie diese Ereignung Gottes durch Jesus ausdrücken. Ich muss den Begriff Sohn Gottes von dem aus interpretieren, was sich durch Jesus ereignete. Das Prädikat Gottes Sohn darf nicht mehr sagen wollen, als in dem von Jesus vollzogenem Geschehen angelegt war. Das von Jesus vollzogene Geschehen bringt mit Gott in Verbindung. Sohn Gottes will besagen, dass der Vollziehende eine große Nähe zu Gott hat (112f).

Die in dem Titel ruhenden Vorstellungen machen sich leicht selbständig. Fragt z.B. der Jude, da man Sohn Gottes durch Adoption wird – wann war das? So bildete sich im Judentum die Tauftradition aus: Zu Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit wurde Jesus von Gott adoptiert. Damit war Jesus seit seiner Taufe Gottes Sohn. Andererseits fragt, wer hellenistisch denkt, da der Sohn Gottes physisch von Gott abstammt – wie ist das geschehen? So entstanden die Geburtsgeschichten (113f).

Der Reflexionsgang in den Ostertraditionen: Das Sehen Jesu nach Karfreitag löste die Weiterverkündigung aus. Zugleich aber reflektierte man: Wenn wir Jesus gesehen haben, dann ist er auferstanden. Den Auferstandenen kann man darstellen. So entstanden dann ausgeführte Erscheinungsgeschichten (114f).

In der Darstellung der Evangelien erscheint nun das, was ursprünglich die letzte Aussage der Reflexion war, als erste. Die Prädikationen Jesu wollen verdeutlichen, wer derjenige ist, der Gott ereignet. Kehre ich die Richtung um, wird aus der Interpretation eine Beschreibung, d.h. das, was die Reflexion als Interpretament benutzte, wird verabsolutiert. So werden z.B. in der Darstellung der Evangelien die Geburtsgeschichten durch sekundäre Historisierung verabsolutiert zu einer selbständigen Beschreibung, die nun am Anfang steht (Lk-Ev, Mt-Ev) (115).

Diese sekundäre Historisierung in der Umkehrung der Richtung erfolgte mit den Ostertraditionen. Die letzte Aussage der Reflexion des Widerfahrnisses der Jünger war, Jesus sei auferstanden. Hieraus folgert man aufgrund der jüdischen Anthropologie, dass das Grab leer gewesen sein müsse. Auch das leere Grab ist ein (spätes) Interpretament des Widerfahrnisses der Jünger (115f).

Das Kreuz als Heilsereignis: Die synoptischen Evangelien unterlassen es, das Kreuz als Heilsereignis herauszustellen. Ursprünglich waren die Einzelüberlieferungen selbständiges Kerygma, jede für sich machte eine vollständige Aussage. Stellte man diese Einzelüberlieferungen nun zusammen, dann ist es selbstverständlich, dass die Passionsgeschichte als Endphase des 'Lebens' Jesu am Ende erscheint. Nimmt man aber die Einzeltraditionen für sich, dann weisen sie keineswegs auf das Kreuz. Diese Ausrichtung ergibt sich erst durch die Aneinanderreihung in der Redaktion durch die Evangelisten. Auffallend ist sodann, dass die sog. Quelle Q sehr wahrscheinlich weder eine Passionsgeschichte noch eine Ostergeschichte kannte. Demnach gab es nach Ostern Jesusverkündigung, ohne dass man das Kreuz erwähnte (116f).

Die umfangreichste Quelle war sicher eine Passionsgeschichte. Das Mk-Ev ist dadurch entstanden, dass der Redaktor vor diese Passionsgeschichte die anderen Traditionen gestellt hat, die er in sein Werk aufnehmen wollte. Beachtet man die 'Richtung', in der das Evangelium entstanden ist, dann wird hier nicht auf das Kreuz hin, sondern vielmehr vom Kreuz her gedacht. Die Leidensankündigungen, die auf das Kreuz hinweisen, sind ursprünglich vom Kreuz her entstanden. Sie wurden erst nach den eingetretenen Ereignissen als Voraussagen Jesus in den Mund gelegt (vaticinia ex eventu) (117f).

In den synoptischen Evangelien fehlt durchweg das Kreuz als Heilsereignis. Die scheinbare Ausrichtung des Weges Jesu auf das Kreuz hin ergibt sich erst aus der sekundären Historisierung durch das Nacheinander in der Darstellung. (Die beiden Deutungen des Todes Jesu als Heilsereignis im Zusammenhang der synoptischen Tradition Mk 14,24 parr und Mk 10,45 par sind jüngeren Datums) (118).

Das Kreuz als Heilsereignis begegnet erst in späteren Traditionen, nicht aber dort, wo wir Jesus am nächsten sind. Dann muss man daraus folgern, dass Jesus selbst seinen Tod am Kreuz nicht als Heilsereignis verstanden hat. Zumindest haben die unmittelbaren Zeugen Jesus nicht so verstanden, dass er sein Tun und sein Leben auf das Kreuz hin ausrichtete (118).

Die Ereignung Gottes durch Jesus, das Hineinstellen in den Glauben, die Vorwegnahme des endzeitlichen Mahles, die Vorwegereignung des Gerichtes – alles ist auf die Gegenwart ausgerichtet. Jesus teilt das Heil jetzt aus, stellt dieses Heil aber nicht unter den Vorbehalt seines Todes. Nicht nur der negative Befund in der frühen synoptischen Tradition deutet daraufhin, dass Jesus seinen Tod nicht als Heilsereignis verstand, sondern ebenso die Darstellung seines auf die Gegenwart gerichteten Wirkens (119).

Der Tod Jesu bedeutete die Krisis des Glaubens. Nach Karfreitag erfahren die Jünger: Jesus lebt! Deshalb treiben sie seine Sache weiter. Die Heilsbedeutung des Kreuzes wird bei Paulus ausgesagt mit der sog. 'hyper'-Wendung: für unsere Sünden, für uns. An diesen Wendungen wird deutlich, dass hier traditionelle Vorstellungen aufgenommen worden sind, die im Judentum bekannt und geläufig waren, die Vorstellung vom stellvertretenden Opfer und vom Sühnopfer. Außerdem gibt es im Judentum die Vorstellung, dass ein Gerechter stellvertretend leidet für das Volk und in diesem Opfer die Sühne darbringt, mit Gott versöhnt (120).

Diese Vorstellungen werden auf Jesus übertragen. Indem Jesus durch das von ihm vollzogene Geschehen Gott ereignet, brachte er die Menschen wieder mit Gott zusammen, brachte er die Versöhnung. Diese Erfahrung, die die Zeugen während der ganzen Zeit des Wirkens Jesu machten, wird nun am Kreuz ausgesagt, am Ausgang des Wirkens Jesu. Die Aussage vom Kreuz als Heilsereignis ist eine Zusammenfassung der Aussage vom gesamten Wirken Jesu, die nun an einem Punkt in seinem Leben 'lokalisiert' wird, eben am Kreuz (120f).

Der Punkt, an dem diese zusammenfassende Aussage gemacht wird, ist austauschbar. Gal 4,4f heißt es: “Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geworden aus einer Frau, gestellt unter das Gesetz, damit er die unter dem Gesetz loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen“. Wenn Paulus dann fortfährt: “Weil ihr aber Söhne seid...“, wird deutlich, dass hier vom Kommen des Gottessohnes ausgesagt wird, was sonst (meist) vom Tode Jesu ausgesagt wird: “Heute (zu Weihnachten) schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis“ (Luther). Das sind Aussagen, die nach Ostern im Rückblick auf das Wirken Jesu formuliert sind, die das eigentliche Geschehen in diesem Wirken hervorheben und es zusammenfassend an Karfreitag bzw. Weihnachten aussagen (121).

Sind die Aussagen in dieser Richtung entstanden, dann darf man diese Richtung nicht umkehren. Wir würden aus letzten (Bekenntnis-)Aussagen erste (Seins-)Aussagen machen. Das Wieder-Aufschließen des Paradieses, also die Versöhnung, geschah zu Weihnachten und sie geschah zu Ostern. Wann geschah sie wirklich? Wenn die Erlösung durch das Kommen erfolgte, dann bedurfte es des Wirkens Jesu, vor allem des Kreuzes nicht mehr. Wenn die Erlösung aber erst am Kreuz verwirklicht wurde, dann wäre Jesus in seinem Wirken nur der Vorläufer seines Todes. Wenn man die Richtung umkehrt, entstehen diese konkurrierenden Aussagen, die man nicht mehr miteinander zum Ausgleich bringen kann (121f).

Nennt man Jesus den Gottessohn, so klingen sowohl im jüdischen als auch im hellenistischen Denken viele Vorstellungen an, die ursprünglich nicht mitgemeint wurden. Entlässt man diese Bezeichnung Jesu aus dem Bezug zu dem Geschehen, das sie verdeutlichen wollte, fragt man, wann und wie er Gottes Sohn war und wurde, dann kann man die jüdische Adoptionsvorstellung mit der physischen hellenistischen Vorstellung nicht mehr zum Ausgleich bringen. Dogmengeschichtlich ist es dann so gekommen, dass man die adoptianische Christologie ablehnte (da sich das Dogma auf hellenistischem Boden ausbildete, lag das nahe) (122).

Ekklesiologische Perspektiven

In allen bisherigen Erwägungen ging es darum, das von Jesus vollzogene Geschehen, an das die Reflexion anknüpft, nicht aus den Augen zu verlieren (123).

In der Begegnung mit Jesus erfuhr man das Wirken Gottes. Die Reflexion führte zur Qualifikation Jesu als Sohn Gottes. Das konnte man im Christuskerygma veranschaulichen (Taufe und Geburt). Im Nacheinander in der Darstellung der Evangelien aber wird aus dieser letzten (Bekenntnis-)Aussage eine erste (Seins-)Aussage und so wird die Reflexion vom Vollzug getrennt. Diese isolierten Reflexionen wurden nun ihrerseits wieder Ausgangspunkt für weitergehende Reflexionen. Diese Reflexionen mussten zwangsläufig zu den späteren christologischen Streitigkeiten führen (124).

Die Aussage 'Jesus ist Gottes Sohn' hat nicht den Sinn, die Hörer anzuleiten, Gedanken über die Qualität Jesu anzustellen, sondern die Neuereignung des Vollzugs von Jesus her wieder zu ermöglichen. In ähnlicher Weise hat die Aussage 'Jesu Kreuz ist das Heilsereignis' nicht den Sinn, eine objektive Aussage über das zu machen, was (historisch) am Kreuz auf Golgatha geschehen ist, aber auch nicht den, die Hörer anzuleiten, sich meditativ in das Kreuz Jesu zu versenken, sondern sie hat den Sinn, Jesus als die Versöhnung Gottes auch für spätere Hörer auszusagen (125).

Beide Reflexionen – sowohl die aus dem Judentum stammende adoptianische Sohn-Gottes-Vorstellung als auch die aus dem Hellenismus stammende physische Sohn-Gottes-Vorstellung – konnten richtig benutzt, dazu dienen, den Vollzug sachgemäß neu zu ereignen. Die Vorstellungen, deren sich die Reflexion bedient, sind austauschbar. Legt man sich dogmatisch auf bestimmte Vorstellungen fest, dann lehnt man die im NT praktizierte Austauschbarkeit ab, dann führt die Weiterreflexion zur Kirchenspaltung, denn eine Dogmatisierung in zeitlich bedingten Vorstellungen ist exklusiv und damit kirchentrennend (128f).

Beide Kirchen (die katholische und die evangelische) sind an der Tradition in der Weise orientiert, dass sie die in der Tradition erfolgte Verschlüsselung des Vollzugs dogmatisiert haben, zusammen mit den jeweiligen Vorstellungen. Auch die evangelische Lehre ist z.B. in der Christologie nicht schriftgemäß, denn sie lehnt die (im NT vorhandene) adoptianische Christologie ab und ist damit eindeutig an den nach-ntl Dogmenentscheidungen orientiert (131).

Die existentielle Wahrheit

Die Wahrheit kann man nur existentiell erfahren. Um mitteilbar zu sein, muss sie angemessen zum Ausdruck gebracht werden. Hierbei hat das Zur-Sprache-Kommen der Wahrheit jedoch stets funktionalen Charakter als Anrede und ist wesensmäßig verschieden von einer objektiven Beschreibung (134f).

Wenn jemand aufgrund des sog. Kinderevangeliums Mk 10,13-16 (“Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihnen gehört das Himmelreich...“) in den Glauben gestellt wird – wenn er also durch dieses Jesuskerygma (durch Jesus!) zum Glauben kommt, bedarf er dann noch der pln Verkündigung, der pln Terminologie? Kann er erst dann sagen, nun sei er richtig, vollständig in den Glauben gestellt (135)?

Es geht darum, die explizite Christologie nicht aus dem Bezug zu dem Jesusgeschehen , das sie verdeutlichen wollte, zu entlassen. Die Prädikationen Jesu sind nur legitim soweit sie ausdrücken, was in Jesus zur Sprache kam. Habe ich als ein durch Jesus von Gott Betroffener die Glaubenswahrheit erfahren, kann ich sie nun mit eigenen Worten weitersagen (139).

Der 'Glaubensgegenstand': Die ntl Aussagen sind als Bekenntnisaussagen immer existentielle Aussagen. In der Formulierung einer existentiellen Aussage liegt immer ein subjektives Moment. Dieses subjektive Moment betrifft auch gerade die Formulierung der Glaubenswahrheit. Diese wurde von Menschen einer bestimmten Zeit formuliert. Diese Menschen drückten die Glaubenswahrheit in ihrer Sprache und mit Hilfe ihrer Vorstellungen aus (141).

Der Verzicht, von einem 'Glaubensgegenstand' zu reden, würde das extra nos des christlichen Glaubens (den Ort außerhalb unserer selbst, in dem christlicher Glaube gegründet ist) preisgeben. Dieser 'Glaubensgegenstand' ist erst in der Glaubensaussage der Zeugen zum Objekt geworden. Diese Glaubensaussage hat aber den Charakter einer Antwort, die veranlasst wurde durch den, der im Vollzug seiner Begegnung mit Menschen diese in den Glauben stellte – eben Jesus. Dem irdischen Jesus standen jedoch nur die unmittelbaren Zeugen gegenüber. Seit Karfreitag ist diese Begegnung nicht mehr wiederholbar. Aber seit Ostern gibt es die Begegnung mit dem in der Verkündigung bezeugten und bei dieser Bezeugung eschatologisch qualifizierten Jesus. Diese Qualifizierung, die mit Hilfe der Sprache und der Vorstellungen jener Zeit geschah, ist nun die Glaubenswahrheit, die in der Verkündigung als Glaubenswahrheit angeboten wird. Christlicher Glaube nach Ostern muss bestimmt werden als Mitglauben mit den unmittelbaren Zeugen, denen in Jesus von Nazareth die Nähe Gottes widerfuhr. Das Mitglauben der Glaubenswahrheit jener Zeugen fordert aber nicht, dass man später die Glaubenswahrheit wörtlich wiederholt. Hier ist Variation nötig, denn die Glaubenswahrheit muss ja verstanden werden. Darum muss sie in neuer Sprache und mit Hilfe neuer Vorstellungen formuliert werden. Die neu formulierte Glaubenswahrheit muss als Glaubenswahrheit immer Mitglauben mit den unmittelbaren Zeugen bleiben. Nur dann bleibt christlicher Glaube an Jesus orientiert (142f).

Das Kriterium für die heutige Verkündigung bleibt die apostolische Bezeugung Jesu als der Norm. Das NT enthält eine Fülle verschiedener Glaubenswahrheiten. Orientiere ich mich nur an ihnen, dann tritt das NT an die Stelle Jesu. Frage ich aber, wo in diesen Glaubenswahrheiten die Glaubenswahrheit liegt, die mich zum Mitglauben mit den ersten Zeugen einlädt, dann führt es mich in den Glauben hinein, in den Jesus gestellt hat (143f).