3. Die Auferstehungsaussage ist ein Interpretament des Erscheinungsgeschehens - Auferstehungszeugen gibt es nicht

(1) Auferstehung Jesu – Auferstehung der Toten

a. Zur Überlieferungsgeschichte der Auferstehung Jesu bis zur Abfassung der paulinischen Briefe
b. Die Funktion der urchristlichen Auferstehungstradition bei Paulus
c. Das Thema ‘Auferstehung‘ in den lukanischen Schriften
d. Ergebnis

G.Kegel

a. Zur Überlieferungsgeschichte der Auferstehung Jesu bis zur Abfassung der paulinischen Briefe

- Die Entstehung der Grundformeln: Woher wusste man, was Auferstehung ist und wie kam man dazu, sie von Jesus auszusagen (17)?

Die Auferstehungsaussagen im AT können einen dreifachen Sinn haben: (1) Auferstehung bedeutet für einzelne Menschen die von Gott gewährte Gnade der Wiederherstellung ihres Lebens. (2) Auferstehung bedeutet die Wiederherstellung des Lebens am Ende des Geschichtsablaufs, damit die endgültige Erfüllung der Heilszusagen Gottes erlebt werden kann. (3) Auferstehung bedeutet die allgemeine Wiederbelebung aller Menschen zu einem danach folgenden Gericht, das über die weitere Qualifikation des Daseins entscheidet (20).

Welches Ereignis veranlasste die Jünger, Jesu Auferstehung zu bekennen? Im NT behauptet niemand, dass der Vorgang der Auferstehung selbst es gewesen sein, der ihn zu dem Bekenntnis bewogen habe. Mk 16,1-8: die Entdeckung des leeren Grabes wird nicht als das Ereignis beschrieben, auf Grund dessen es zur Aussage über die Auferstehung Jesu gekommen ist (ebenso Mt 28,1-10). Erst in Lk 24,1-11 entdecken die Frauen vor ihrer Begegnung mit den zwei Engeln, dass der Leichnam Jesu nicht da ist. Eine selbstständige Überlieferungsform liegt hier nicht vor. Damit ist der Behauptung, die Urgemeinde hätte auf Grund der Entdeckung des leeren Grabes die Auferstehung Jesu bekannt, jede exegetische Basis entzogen. Die Auferstehungsaussage ist ein Interpretament des Erscheinungsgeschehens (20f).

Nach dem Tod Jesu haben seine Jünger Erscheinungen Jesu erlebt. Sie haben daraus auf die Auferstehung Jesu geschlossen und sie mit den dafür zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittelns ausgesagt. Die Überzeugung von der Auferstehung Jesu war für sie deshalb wichtig, weil sie damit alle Einwände, die aus dem Verbrechertod Jesu gegen ihn gemacht wurden, zurückweisen konnten. Aus diesem Grund haben die Jünger ihre Überzeugung in ein Glaubensbekenntnis gefasst: Jesus ist gestorben und auferstanden. Es war für sie selbstverständlich, dass die Auferstehung ein Handeln Gottes an Jesus bedeutete. Gott hatte sich damit zu Jesus bekannt. So wurde das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu auch als Gottesbekenntnis formuliert: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“. Das Gottesbekenntnis wurde dann in eine Prädikation umgeformt: „der auferweckt Habende Jesus von den Toten“. Mit ihr gewann man zugleich den Anschluss an die jüdische Gottesprädikation: „Gott, der die Toten lebendig macht“. Die Auferweckung Jesu galt nun als Verwirklichung des eschatologischen Heilshandelns Gottes an Jesus. Spätestens von diesem Augenblick an wird man damit gerechnet haben, dass die Auferstehung Jesu der Beginn der eschatologischen Totenauferstehung sei (25).

Im Rahmen der Menschensohnchristologie wurde die Auferstehung Jesu als Auferstehung eines wirklich Toten dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie erst nach Ablauf von drei Tagen geschehen sollte, zu einem Zeitpunkt, wo der Tod wirklich feststand. Die Schriftstelle Hos 6,2 zwang zu einer Änderung des „nach drei Tagen“ in ein „am dritten Tag“. In dieser Form ist die Tagesangabe Bestandteil von 1Kor 15,3ff geworden. 1Kor 15,3ff ist das Ergebnis einer traditionsgeschichtlichen Entwicklung. Die Deutung des Todes Jesu als Sühnetod und die Tagesangabe zur Auferstehung Jesu (beide durch den Hinweis auf die Schriften als aus dem AT gewonnene Interpretamente gekennzeichnet) sind in das Grundschema des verbalen Christusbekenntnisses eingetragen worden. Als die so gewonnene zweigliedrige Bekenntnisaussage mit den Erscheinungstraditionen verbunden wurden, fügte man zwischen Tod und Auferstehung Jesu sein Begrabensein ein als Bestätigung des Todes (27).

Röm 4,25der hingegeben wurde wegen unserer Übertretungen und auferweckt wurde wegen unserer Gerechtsprechung“ Röm 8,34 ...Christus Jesus ist der Gestorbene, mehr noch der Auferweckte, der auch ist zur Rechten Gottes...“.

Zugrunde liegt in Röm 4,25 und 8,34 das zweigliedrige Jesusbekenntnis. Die ursprünglich ungedeutete Todesaussage ist durch eine gedeutete ersetzt. Im Unterschied zu 1Kor 15,3 ist das Verb ‚gestorben‘ nicht mehr verwendet. Die Wendung „hingegeben wegen unserer Übertretungen“ geht auf LXX Jes 53,12 zurück. Der Text ist nur geringfügig geändert. Die Formel setzt also eine Übertragung der Gottesknechtsvorstellung auf Jesus voraus. Der Gebrauch der LXX führt uns in den Bereich des hellenistischen Judenchristentums. Das Auffällige an der Formel ist nun, dass auch die Auferstehung Jesu eine Deutung erfährt. Die Heilsbedeutung von Tod und Auferstehung Jesu ist getrennt. Tod und Auferstehung sind zu zwei Stationen des Heilsgeschehens geworden, die jede ihre besondere Heilsbedeutung hat. Zu diesen beiden Aussagen Tod und Auferstehung Jesu, gehörte auch noch das Sitzen zur Rechten Gottes (Röm 8,34c) als weiteres Stadium der Christusereignisse mit der soteriologischen Funktion des ‚Eintretens für uns‘ (Röm 8,34d) (28).

Nach Phil 2,11 gebührt das Bekenntniss „Herr ist Jesus Christus“ dem Erhöhten. Auferstehung und Erhöhung sind zwei aus verschiedenen weltanschaulichen Bereichen stammende Interpretationen des Jesusgeschehens. Röm 10,9 werden beide Interpretationen nebeneinander gestellt. Dass das schon vor Paulus geschehen ist, zeigt, das Bestreben der christlichen Gemeinde, die verschiedenen christologischen Interpretationsmöglichkeiten miteinander zu harmonisieren (29).

- Die Leidens- und Auferstehungsweissagungen aus der synoptischen Tradition (Mk 8,31;  9,31;  10,33ff): Die Weissagungen verwenden in ihrer Urform bei Markus durchgehend das Verbum anastenai. Weiter ist die Aussage mit einer Fülle von Leidensaussagen verknüpft. Schließlich sind die egeirein-Formeln nie mit dem Menschensohntitel verbunden, die Weissagungen dagegen immer. Die Auferstehungsweissagung hebt sich als stereotyp von den stark variierenden Leidensankündigungen ab. Das lässt sich am besten erklären, wenn man annimmt, dass die Auferstehungsweissagung nachträglich zu schon bestehenden Leidensankündigungen hinzugefügt wurde. Zu diesem Zweck bildete man eine Auferstehungsformel, die der Eigenart der Menschensohnchristologie besser angepasst war als die traditionellen egeirein-Formeln (29f).

Nach drei Tagen“ kann heißen ‚nach Ablauf von drei Tagen‘ d.h. am vierten Tag. Der Menschensohn kündigte dann seine Auferstehung für einen Termin an, an dem nach jüdischer Auffassung die endgültige Trennung von Leib und Seele bei einem Toten erfolgt ist. Dadurch wird die souveräne Beherrschung des Todes durch den Menschensohn verdeutlicht. Wird in der Menschensohnchristologie aus anderen Motiven heraus eine Tagesangabe gemacht, dann wird das Bemühen verständlich, diese Angabe auch in der Schrift wiederzufinden. Bei diesem Bemühen stieß man auf Hos 6,2 und korrigierte „nach drei Tagen“ durch „am dritten Tag“ (30f).

- Die Anastasisaussage in Röm 1,3f („seit der Auferstehung der Toten“): Was bedeutet es, dass die Auferstehung der Toten zur Person Jesu in Beziehung gesetzt worden ist? Das kann nur den einen Sinn haben, dass die Auferstehung der Toten als an der Person Jesu bereits verwirklicht ausgesagt werden soll. Die Verwirklichung der Totenauferstehung an Jesus wird in der Tradition zu seiner Erwählung zum Gottessohn in Beziehung gesetzt. Traditionsgeschichtlich ist die Gottessohnaussage auch unabhängig von der Anastasisaussage. Aber die Erwählung zum Gottessohn wird nachträglich mit seiner Auferstehung begründet (31f).

b. Die Funktion der urchristlichen Auferstehungstraditionen bei Paulus

Dort, wo Paulus von der Auferstehung Jesu spricht, verwendet er fast ausschließlich überlieferte Formeln. Der 1Thess 1,9f: In einem inneren Zusammenhang mit der Auferstehung Jesu steht die Auferstehung der Toten nicht. Es geht hier um eine Entrückung. Paulus und die Thessalonicher haben sich die Rettung vor dem apokalyptischen Zornereignis als Entrückung vorgestellt. Gott wird die Christen zusammen mit Christus aus dem Wirkungsbereich des apokalyptischen Zorns entführen. Inzwischen eingetretene Todesfälle stellen die Entrückung für die Verstorbenen in Frage. Dies hat die Anfrage der Thessalonicher bei Paulus veranlasst. Paulus antwortet zunächst unter Hinweis auf das christliche Auferstehungsbekenntnis, dass auch die Toten an der rettenden Entrückung teilhaben werden. Vorbereitet wird dieser Gedanke schon 1,9f, wo Paulus durch den Hinweis auf das Heilsereignis der Auferweckung Jesu die Rettung vor dem kommenden Zornereignis sichert. Die genauere Erklärung gibt er dann, indem er die Auferstehung der Christen in das Parusieschema einfügt (36f).

Der Galaterbrief: Die Auferstehung Jesu ist nicht Gegenstand des von Paulus gepredigten Evangeliums. In diesem Fall würde er sich in einen Widerspruch mit 1Kor 15 verwickeln, wo er unmissverständlich zu verstehen gibt, dass er das Auferstehungsbekenntnis traditionell empfangen hat. Wenn Paulus die Selbstständigkeit seiner Verkündigung von Menschen betont, will der damit nicht behaupten, dass diese Verkündigung nichts mit der Urgemeinde zu tun habe. Er ist der Überzeugung, dass seine Predigt der der Urgemeinde entspricht und er bringt dies durch Zitierung des urchristlichen Auferstehungsbekenntnisses zum Ausdruck. Aus diesem Sachverhalt erklärt es sich, dass Paulus von der Auferstehung Jesu fast ausschließlich in traditionellen Formeln spricht. Er entwickelt seine Theologie nicht aus dem Auferstehungsbekenntnis heraus. Paulus glaubt, dass seine Verkündigung und Theologie nicht im Widerspruch dazu stehen (38).

Die Korintherbriefe: Bevor Paulus 1Kor 15 seine Auseinandersetzung mit den Gegnern durchführt, zitiert er in 1Kor 6,14 das Gottesbekenntnis: „Gott hat den Herrn auferweckt“. Er ergänzt es durch: „und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft“. Dass Paulus hier beide Auferstehungen nebeneinander nennt, hat einen inhaltlichen Grund. Er trägt einen Beweisgang vor und innerhalb dieses Beweisganges, bekommen die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten ihre Funktion. Beide Auferstehungsaussagen dienen an dieser Stelle dazu, die von den Gnostikern behauptete Belanglosigkeit aller leiblichen Vorgänge zu widerlegen. Paulus legt dabei die apokalyptische Auferstellungsvorstellung zugrunde, die mit einer Kontinuität des Leibes rechnet (38f).

Bevor Paulus auf die These der Gegner selbst eingeht, nennt er 15,1-11 die Basis, von der er die Auseinandersetzung zu führen gedenkt, das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu. Die Wirklichkeit einer Auferstehung der Toten ist die logische Voraussetzung der Wirklichkeit der Auferstehung Jesu. Paulus tritt so stark für die Auferstehung der Toten ein, weil ohne sie das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu nicht aufrechterhalten werden kann (V.13). Ohne das Handeln Gottes an Jesus in der Auferweckung würden Botschaft und Glaube ihre Basis verlieren und nichtig werden. Ohne die aus der Sündenvergebung erwachsende Rettung würde sich die auf Christus gesetzte Hoffnung als Illusion erweisen (V.19). Von einer Totenauferstehung, die aus der Auferstehung Jesu als Heilsgut erschlossen wird, ist bis dahin noch nicht die Rede (40f).

Der Abschnitt 15,20-28 stellt eine Verbindung von traditionellen Anschauungen mit eigenen Deutungen dar. Paulus greift zunächst auf die apokalyptische Auferstehungsvorstellung zurück, die selbst kein Heilsereignis ist. In V.23 („Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören“) kombiniert er apokalyptische Auferstehungsvorstellungen mit dem Gedanken der Auferstehung als Heil. Die Auferstehung als Heilsereignis vollzieht sich nur an den Christen und zwar bei der Parusie. Es ist offenbar an eine Periode der Herrschaft Christi über die auferweckten Christen gedacht, die mit der Übergabe dieser Herrschaft an Gott selbst endet. Dann erfolgt eine Auferstehung der übrigen Toten. Paulus kommt es vor allem darauf an, zu zeigen, dass zwar die Auferstehung Jesu bereits geschehen ist, das Auferstehungsgeschehen also begonnen hat, dass aber sowohl die Auferstehung der Christen als auch die der übrigen Menschen noch aussteht. Die Auferstehung der Christen wird betont in die Zukunft verwiesen (41f).

In der apokalyptischen Naherwartung ist vorausgesetzt, dass viele Menschen die Wiederkunft Christi als lebende Menschen erleben werden. Damit erfahren sie die Wiederkunft in der Existenzform des natürlichen Leibes, als Fleisch und Blut. Daraus ergibt sich die Frage, was mit den Überlebenden geschieht, wenn doch Fleisch und Blut die Gottesherrschaft nicht erben können. Das Problem wird durch das Motiv der Verwandlung gelöst. Die Verwandlung wird eingebaut in ein apokalyptisches Schema (V.51f). Sie bewirkt dasselbe wie die Auferstehung der Toten, die Unvergänglichkeit. Die Verwandlung holt in Kürze nach, was durch Tod und Auferstehung geschieht, die Überbietung des Sterblichen durch Unsterblichkeit und des Vergänglichen durch Unvergänglichkeit (V.53). 15,54: „Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jes 25,8; Hos 13,14): Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (44f).

Paulus verteidigt die Auferstehung der Toten so leidenschaftlich, weil die allgemeine Idee einer Totenauferstehung die logische Voraussetzung für die Auferstehung Jesu ist. Paulus steht zwar persönlich auf dem Boden der apokalyptischen Auferstehungsvorstellung, aber diese ist bei ihm nicht direkt Gegenstand der christlichen Verkündigung, sondern weltanschauliche Voraussetzung. Wo diese weltanschauliche Voraussetzung nicht geteilt wird, wie bei den korinthischen Gnostikern, kommt es zum Konflikt (45).

In 2Kor 1,9 zitiert Paulus die allgemeine jüdische Gottesprädikation (damit wir vertrauen „auf den die Toten auferweckenden Gott“). Die Übersetzung mit egeirein ist etwas ungenau. In Röm 4,17 verwendet Paulus die korrekte Übersetzung (Abraham glaubte Gott, „dem lebendig Machenden die Toten und Rufenden das nicht Seiende als Seiendes“). In 2Kor 1,3ff fehlt jeglicher Hinweis auf die Auferstehung Jesu. Die Gewissheit, dass Tröstung erfolgt, ruht in einem vorgängigen Vertrauen auf Gott. Paulus spricht dieses Vertrauen mit Hilfe der jüdischen Gottesprädikation aus. Paulus kann die jüdische Auferstehungsvorstellung verwenden, ohne sie mit der Auferstehung Jesu zu begründen. Sie ist weltanschaulich unabhängig vom christlichen Bekenntnis zur Auferstehung Jesu, sie ist nicht Thema der pln Verkündigung, sondern Voraussetzung (45f).

2Kor 4,14: denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch“.

c. Das Thema ‚Auferstehung‘ in den lukanischen Schriften

Wie kann die Auferstehungsbotschaft der Christen den Heiden glaubhaft gemacht werden? Dieses Problem versucht Lukas mit Hilfe des Zeugenmotivs zu lösen. Die Augenzeugen (L.M.: Auferstehungszeugen gibt es nicht, es gab Erscheinungen Jesu) können die Wirklichkeit einer bereits geschehenen (?) Totenauferweckung beglaubigen (?) und damit die Zuverlässigkeit (?) der Auferstehungshoffnung garantieren. Das Zeugenmotiv wird verwendet: 1,22;  2,32;  3,15; 4,33;  5,32;  10,40f;  13,31. Mit Ausnahme von 17,3 wird das Zeugenmotiv an allen Stellen genannt, wo von der Auferstehung Jesu die Rede ist. Die beglaubigte (?) Wirklichkeit der Auferstehung Jesu bildet die Grundlage der christlichen Auferstehungsbotschaft. Vor allem der Prozessbericht des Paulus zeigt, dass Lukas in der Auferstehungsbotschaft eines der zentralen Themen gesehen hat. Paulus weiß sich um der Auferstehungsbotschaft willen angeklagt. Für Lk ergibt sich aus dieser Angabe eine Schwierigkeit. Die Gegner des Paulus sind hier vorwiegend Juden, die die Auferstehungsidee teilen. Lukas muss also erklären, wieso es überhaupt zu dieser Anklage kommen konnte. Er tut dies unter Hinweis auf die Sadduzäer, die zwar Juden, aber dennoch Auferstehungsgegner sind (4,2;  23,6.8). In der Areopagrede verkündigt Paulus die Auferstehungsidee vor Heiden und erlebt deren zwiespältige Aufnahme. Lukas erkennt das Problem, das dort auftaucht, wo die Auferstehungslehre keinerlei weltanschauliche Anhaltspunkte findet. Darum bemüht sich Lukas um eine Begründung der Auferstehungsidee. Er beweist den Heiden, denen die Auferstehungsvorstellung fremd ist, dass diese im Christentum vertretene Lehre ihren guten Grund hat, weil die Jünger als Augenzeugen (?) eine bereits geschehene (?) Auferweckung bezeugen können. Gegenüber dem urchristlichen Auferstehungszeugnis ist dabei eine folgenreiche Verschiebung erfolgt. Ruhte das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu anfangs auf einer bereits anerkannten Auferstehungsvorstellung, so dreht Lukas das Verhältnis um. Die Auferstehungsvorstellung ruht jetzt auf der zuverlässig (?) bezeugten Auferstehung Jesu (99f).

d. Ergebnis

Als die Jünger Jesu nach seinem Tod Erscheinungen Jesu erlebten, deuteten sie diese Erscheinungen mit Hilfe der ihnen aus dem AT und der spätjüdischen Apokalyptik geläufigen Auferstehungsvorstellung. Diese Deutung fand ihren Niederschlag in verschiedenen formelhaften Auferstehungsaussagen. Es wurde ein Jesusbekenntnis formuliert: „Jesus ist gestorben und auferstanden“ und ein Gottesbekenntnis: „Gott hat Jesus auferweckt von den Toten“. Diese Glaubensbekenntnisse erlaubten es in der ersten Christengemeinde, alle aus Jesu Hinrichtung erwachsenden Einwände gegen die Vollmacht seines Redens und Handelns abzuwehren. Die in der Auferstehungsvorstellung erhaltenen Grundgedanken führten schon sehr bald zu der Auffassung, dass das Jesusgeschehen Anbruch des eschatologischen Gotteshandelns sei. Von verschiedenen Vorstellungen aus wird der soteriologische Sinn der Jesusereignisse zum Ausdruck gebracht. Diese unterschiedlichen Deutungen müssen dann untereinander harmonisiert werden. Neue Stationen des Christusgeschehens werden genannt, so dass die Formeln im Laufe der Zeit immer voller werden. Alle diese Vorgänge zeigen eine zunehmende Entfernung von dem ursprünglichen Vorstellungsgehalt der Auferstehungsaussagen. Dieser Teil der Überlieferungsgeschichte ist schon bis zur Abfassung der ältesten ntl Schriften, der pln Briefe, erfolgt (119).

Paulus teilt für seine Person den weltanschaulichen Hintergrund der Auferstehungsaussagen und sieht sie darum als legitime Äußerungen des Urchristentums über den christlichen Glauben an. Die pln Theologie ist vorstellungsmäßig weitgehend vom Auferstehungsgedanken unabhängig. Paulus schließt diese Theologie aber öfter nach rückwärts an die urchristliche Bekenntnistradition an, um damit zu dokumentieren, dass beide nicht im Widerspruch zueinander stehen. Was das Verhältnis von Auferstehung Jesu und Auferstehung der Toten zueinander angeht, so ist sich Paulus bewusst, dass das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu seiner Vorstellung nach auf der spätjüdisch-apokalyptischen Auferstehungsvorstellung ruht. Die Ausführungen in 1Kor 15 zeigen, dass Paulus von seinen Voraussetzungen aus das Problem noch nicht scharf erfassen konnte, das dann entstand, wenn die spätjüdische Auferstehungsvorstellung ihre weltanschauliche Selbstverständlichkeit verlor. Das musste über alle dort geschehen, wo gnostisches Denken Platz ergriff und sich seines Gegensatzes zur Apokalyptik bewusst wurde (119f).

In den Evangelien des Markus und Matthäus werden Auferstehungstraditionen aufgegriffen, aber der je eigenen Thematik als Mittel zum Zweck untergeordnet. Der Vorstellungsgehalt verliert auf diese Weise seine frühere Verbindlichkeit. Er rückt aus dem Zentrum an die Peripherie (120).

Lukas: Durch das Übertreten des christlichen Glaubens auf Gebiete, in denen die spätjüdische Apokalyptik nie selbstverständliche Gültigkeit besaß, ist das Fundament des Auferstehungsbekenntnisses fraglich geworden. Dieses Bekenntnis bedarf daher einer anderweitigen Begründung. Die Auferstehung Jesu wird durch die Anführung von Zeugen (?) beglaubigt. Mit Hilfe der durch die Zeugen (?) garantierten Auferstehung Jesu beweist Lukas die Richtigkeit der Auferstehungsidee. Diese selbst wird zu einem Zentrum der christlichen Verkündigung. Damit ist das bisherige Verhältnis von Auferstehung der Toten und Auferstehung Jesu umgekehrt. War bislang die Auferstehung der Toten die selbstverständliche Basis der Auferstehung Jesu, so wird durch Lukas die Auferstehung Jesu zur selbstverständlichen Basis der allgemeinen Auferstehungsidee. Nachdem mit Hilfe der Auferstehung Jesu die Richtigkeit der Auferstehungsidee bewiesen (?) ist, können beide Aussagen wieder auseinandertreten und zu selbstständigen Glaubensgegenständen werden. Je weiter die Entwicklung fortschreitet, um so größer wird die Selbstständigkeit und Selbstverständlichkeit dieser beiden Glaubensgegenstände. Die von Lukas vorgenommene neue Begründung der Apokalyptik als weltanschauliche Vorstellung hat den Sieg davongetragen über den Versuch, die im Bereich der Apokalyptik ruhenden Aussagen des christlichen Glaubens durch Interpretation in andere Vorstellungsbereiche zu übertragen. Stützpfeiler dieses Sieges ist die als Faktum (?) im apokalyptischen Verständnis einwandfrei (?) gesicherte (?) Auferstehung Jesu (120f).

Der Evangelist Johannes hat geschichtlich gesehen keine weitreichende Wirkung gehabt. Die kirchliche Redaktion hat die apokalyptische Auferstehungslehre eingetragen und damit die spezifisch john Aussagen neutralisiert (121).